Rotorman's Blog

Einkaufserlebnisse: An der „heißen Theke“
sind nur der Preis und die Verkäuferin heiß

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Der Bereich an der Supermarktkasse ist ein Mikrokosmos. Hier lässt sich die Vielfalt der menschlichen Spezies in all ihrer schillernden Buntheit beobachten. (c) Tawng www.fotosearch.de

Die Zeit der Mittagspause ist genauso knapp bemessen wie wertvoll. (Was, nebenbei bemerkt, ja auch für das freie Wochenende gilt). In beiden Fällen gehen die Uhren anders, schneller. Warum das so ist, hat selbst Einsteins Albert in seiner hoch gepriesenen Relativitätstheorie nicht ganz schlüssig erklären bzw. rüber bringen können. Ist halt so. Die Mittagspause beträgt 30 Minuten. Auf die Plätze, fertig, los! Aber eigentlich genug Zeit für einen Blitzeinkauf im Supermarkt nebenan. An der „heißen Theke“ ist aber nur die Verkäuferin heiß. Die Kundin davor definitiv nicht. Aber sie weiß, was sie will, oder auch nicht. Je nachdem. Der Gang der Dinge nimmt, wie vom ollen Murphy in dem nach ihm benannten Gesetz beschrieben, seinen Lauf.

Bis die Dame ihren Einkaufszettel, an dem Generationen von Autoren mitgeschrieben haben müssen, entziffert und abgearbeitet hat, ist die Werkssirene, die das Ende der Pause verkündet, längst heiser. Da heißt es Fassung bewahren. Willkommen im (Aufschnitt-)Paradies. Die Kundin ordert in homöopathischen Dosierungen. Drei Scheiben Wallnussschinken, 20 Gramm Pfeffersalami, etwas von der Geflügel-Mortadella und ein Hauch Chambelle. Zwiebelfleischkäse ist heute im Angebot. Deshalb davon vier (!!!) Scheiben. Hier lernt man nicht nur Geduld, sondern wird zum Fatalisten.

Die Ofenkrakauer sieht auch nicht schlecht aus, und so etwas Rüsselsülze macht sich auf dem Abendbrot sicherlich auch ganz gut. Dann Geflügellyoner, zwei Scheiben Filetrotwurst, eine ebensolche Menge Eierpastete und etwas Truthahnsülze. Spessartvierling, Kümmelfleischmagen, Corned Beef und Bierschinken runden das Ganze ab. Uff! Darf’s noch etwas sein? Wir hätten noch Römerbraten, Feine Wiener, Herzwurst und Chorizo zu bieten. Gut, dann eine Scheibe Wallnussschinken weniger, 15 statt ursprünglich 20 Gramm an Pfeffersalami und nur eine statt zwei Scheiben Filetrotwurst. Dann stimmt‘s in der Summe wieder. Sonst noch einen Wunsch?

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An der Fleisch- und Wursttheke lauert viel Konfliktpotential. Vor allem dann, wenn man es selbst eilig hat, die Kundin vor einem sich aber nicht entscheiden kann, einen ellenlangen Einkaufszettel hat und nur in homöopathischen Dosierungen ordert. (c) gpointstudio www.fotosearch.de

Diese (vielleicht ja auch nur rhetorisch gemeinte) Frage der heißen Fleischthekarin lässt für Sekundenbruchteile so etwas  wie Mordlust in den Augen des sich offenbar in Eile befindlichen  Kunden zur Rechten aufblitzen. Doch er hat sich unter Kontrolle.  Was keineswegs selbstverständlich ist. Im badischen Rheinfelden hatte unlängst ein 83-jähriger Rentner einen Mitkunden an der Wursttheke mit dem Krückstock attackiert, weil der sich nicht entscheiden konnte, was wovon und wie viel er haben wollte.

Von den zwölf Kassen sind nur zwei besetzt. Wie immer zu den mittäglichen Hauptstoßzeiten. Das hat System. Lange Schlangen vor beiden. Wir wählen die, vor der die sich dort stauenden Einkaufswagen nicht bis Oberkante Unterlippe vollgepackt sind. Eine Fehlentscheidung! Nebenan rückt es deutlich schneller. Die dortige Kassiererin scheint besser drauf zu sein als ihre für mich zuständige Kollegin. Für die hatte ich mich ob ihrer langen, künstlichen Wimpern entschieden. Wenn sie die Augen niederschlägt, kann sie sich damit die Krümel von der Oberlippe putzen. Wie praktisch. Und sieht echt lustig aus. Aber zu spät für einen Stellungswechsel.

Dafür hat das Kassenmädel nebenan jede Menge Lametta an der Backe und im Ohr. Also Piercings und so ein Zeug. Früher musste man ja Angst haben, dass sich die jungen Leute, so sie bei Regen durch die Gegend laufen, eine Erkältung zuziehen. Heut besteht die Gefahr, dass sie anfangen zu rosten… Aber wie dem auch sei: Immer mehr Argumente sprechen dafür, die Artikelmenge pro Einkauf auf drei Stück je Kunde zu limitieren, zumindest um die Mittagszeit. Ob mit oder ohne Edelmetall im Gesicht.

Kein Tattoo, sondern Krampfadern

Der Bereich vor dem Cash-Point ist ein Mikrokosmos. Daselbst lässt sich Ewigkeit erahnen und gleichzeitig die Vielfalt der menschlichen Spezies in all ihrer schillernden Buntheit beobachten. Aber man sollte nicht nur flüchtig, sondern genau hinschauen. Dann wäre das prächtige Tattoo am linken Unterschenkel der Vordermännin, das einem stilisierten Pegasos so täuschend ähnelte, gleich als das identifiziert worden, was es tatsächlich ist: Krampfadern!

E-Cash mit der VdK-Mitgliedskarte

Der Rentner, der sich bis an die Pool-Position vorgekämpft und -gedrängelt hat, möchte seinen Salatkopf aus der Frische-Abteilung (19 Cents!!) elektronisch zahlen, mit Scheckkarte. Hat aber natürlich die Geheimzahl vergessen, selbige mehrmals falsch eingegeben oder seinen Vdk-Mitgliedsausweis in den Schlitz des Terminals gesteckt. Egal, das Resultat ist das Gleiche: Nix geht mehr. Der pickel-gesichtige, verschlagen dreinblickende Hauselektroniker, den man erst nach wiederholten Lautsprecherdurchsagen in irgendeinem abgelegenen, einsamen Winkel des Lagers hat ausfindig machen können (wo er sich vermutlich gerade mit der rothaarigen Azubine aus der Sektion Schreibwaren/Kinderspielzeug verlustiert hatte) muss das Ding wieder entsperren. Er tut das recht mürrisch. Und das dauert…

Die nachfolgende Kundin ist wild entschlossen, einen tags zuvor erworbenen Artikel aus der 1-Euro-Abteilung umtauschen. Es handelt sich um einen kolorierten Getränkeuntersetzter auf Korkersatz-Basis mit einem röhrenden Hirsch als Motiv. Sie hätte dann stattdessen doch lieber einen Untersetzer mit Vogelbild. Und, stringente Logik, weil dieses Tier in Natura ja erheblich kleiner sei, dürfte auch die Ware weniger kosten. Längere Diskussion. Ausgang völlig offen. Erste Anzeichen von Unruhe in der Schlange. Vereinzelt Pfiffe und Buhrufe.

Wo Sekunden auf blutenden Füßen vorbeikriechen

Dass die Kassenrolle mal zu Ende ist, kann vorkommen. Aber muss das ausgerechnet jetzt passieren? 3,38 EUR hat die Dame mit dem kecken lila Hütchen zu löhnen. Sie habe es passend. In zäher Langsamkeit, in deren Gefolge die Sekunden auf blutenden Füßen daher kriechen, zählt die Frau  das Münzgeld auf den Teller, um am Ende verblüfft fest zu stellen, dass noch sieben Cent fehlen. Knapp vorbei ist auch daneben. Also doch den großen 5-EUR-Schein anbrechen. Der sollte eigentlich noch bis Silvester reichen… Die Menge johlt.

Bio-Gemüse aus dem Heizungskeller

Das Gemüse, das ihre Nachbarin auf dem Kassenband ausbreitet, ist genauso welk wie sie selbst und outet die Käuferin als passionierte Turnier-Veganerin. Erinnert so ein klein wenig  an die Anfänge des Bio-Booms, als die Bauern die Salatköpfe vor dem Verkauf auch erst drei Tage lang im Heizungskeller lagerten, damit diese authentischer aussahen – die Salatköpfe, nicht die Bauern. By the way: Warum sich Vegetarier Burger und Würstchen nachbauen, wird mir immer ein Rätsel bleiben. Ich bastele ja auch kein Salatblatt aus Schweinehack…

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So entspannt geht es am Cash-Point des Supermarktes selten zu. In der Mittagspause staut sich vor der Kasse der Verkehr. Dann ist die Kassenrolle alle, ein Kunde will den Salatkopf zu 45 Cents bargeldlos mit der VdK-Mitgliedskarte bezahlen oder etwas ohne Kaufbeleg umtauschen. (c) oneblink www.fotosearch.de

Die Kassiererin ist neu und sieht dem Erlernen der deutschen Sprache noch mit Freude entgegen. Früher mussten die Mädels alle Preise im Kopf haben. Ich habe sie immer uneingeschränkt für diese gedanklichen Höchstleistungen bewundert. Heute gibt es Strichcode-Scanner, die dem Personal das Leben erleichtern. Aber die haben mitunter auch ihre Macken, und dann muss der Preis manuell eingegeben werden. Das kann langwierige Nachfragen bei den Kolleginnen erfordern, die aber meist auch nicht schlauer sind. Bei den GPS-gestützten Navigationsgeräten ist das ja so ähnlich. Man verlässt sich blind und ausschließlich auf sie, und wenn die Dinger, warum auch immer, von jetzt auf gleich mal den Dienst quittieren, meist während des Feierabendverkehrs inmitten der unbekannten Großstadt, weiß man nicht mehr, wo hinten und vorne ist. Quo Vadis?

Buttermilch mit Heidi-Zöpfen

Zurück zur Kasse. In der Regel treten solche Situationen just dann ein, wenn die Stimmung in der langen Reihe dahinter sowieso langsam zu kippen droht. Aber Stau ist bekanntlich nur hinten schlecht, vorne geht’s. Dass der Racker der alleinerziehenden Spaßbremse mit den Ogallala-Mokassins, den auf jugendlich getrimmten Heidi-Zöpfen und dem verlebten Gesicht, in das sich im Laufe der vielen Jahrzehnte ebenso viele Frust-Furchen eigegraben haben, mit einer unbedachten Bewegung die Buttermilchtüte vom Laufband gefegt hat, stand so nicht im Drehbuch, bringt aber noch eine Brise mehr Schwung und Dramatik ins Spiel.

Die klumpig-weiße Plörre verteilt sich auf dem Boden und an den Hosenbeinen der Umstehenden, was diese wiederum so witzig nicht finden. Die Aufwischfrau braucht Ewigkeiten, bis sie die Unfallstelle erreicht hat. Während dieser Zeit geht nix. Danach erst mal auch nicht, weil Heidi sich ganz hinten im Supermarkt eine neue Tüte Buttermilch besorgt und den Fortgang an der Kasse blockiert. Böse Blicke, verhaltene Drohungen. Der Mob formiert sich. Der berühmte Funke, der das überlaufende Fass zum Explodieren bringt, lauert schon an der nächsten Ecke. Und endlich: Nach 35 Minuten erlebnisreichen Anstehens ist das Ziel erreicht. Ich muss 1.70 Euro für das Fleischkäsebrötchen zahlen. Und um der Frage zuvor zu kommen: Nein, ich sammele keine Treuepunkte!!!

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