Von Jürgen Heimann
Nachdem ihnen durch die Neufassung der Hessischen Jagdverordnung etwas die Krallen geschnitten und die Flintenläufe verbogen worden sind, suchen die Jäger nach neuen Betätigungsfeldern und Feindbildern. Scheinen sie im Südhessischen inzwischen gefunden zu haben. Meister Adebar. Dem alten Volksglauben zufolge soll der Weißstorch zwar demjenigen, auf dessen Dach er nistet, Glück bringen, doch er ist in Wahrheit ein ganz übler Geselle, jedenfalls in der Diktion der Pirschgänger. Ihm müssen deshalb im übertragenen Sinne dringend die Flügel gestutzt werden. Weil er nämlich eine wachsende Gefahr für das gesamte Niederwild darstellt. Und selbiges beanspruchen die Nimrods ja als Beutegut erst einmal für sich selbst.
Nachdem die hochbeinigen, stolzen Schreitvögel mit den roten Schnäbeln hierzulande über Jahre von der Bildfläche verschwunden waren und man in Folge jedes einzelne Exemplar freudig mit Vornamen begrüßt hat, gibt es inzwischen wieder eine stabile Population. Schätzungen gehen von knapp 5.000 Brutpaaren deutschlandweit aus. Viel zu viele, meinen die Lodenmäntler und laden schon mal durch. Ihr Abschusseifer wird nur durch die Tatsache gebremst, dass diese Tiere unter Naturschutz stehen.
Horrorstörche greifen Rehkitze an
Im Hessischen Ried ist in diesen Tagen eine von den Jägern angestoßene Diskussion über die Schäden entbrannt, die dieses schon zweimal zum Vogel des Jahres gekürte Wappentier des Naturschutzbundes angeblich anrichtet. Mehrere hundert Storchenpaare fühlen sich in der Region wohl, und zwar dermaßen, dass viele von ihnen hier überwintern und gar nicht mehr weg wollen. Und was tun sie? Fressen. Unglaublich! Aber nicht nur Insekten, Frösche, Fische und Eidechsen. Nein, sie bedrohen sogar Rebhühner und Fasane in ihrer Existenz, schieben sich hier und da auch schon mal kleine Kaninchen zwischen die klappernden Schnäbel und haben angeblich sogar schon Rehkitze angegriffen. Diese Story könnte der BILD-Zeitung entnommen sein. Jetzt dauert es nicht mehr lange, da vergreifen sie diese schwarz-weißen Rüpel auch noch an den Babys, statt sie zu bringen.
Ein hochgekochtes Sommerloch-Thema
Während Angler und Landwirte das vom Darmstädter Echo hochgekochte Sommerloch-Thema ziemlich entspannt und gelassen angehen, war das für Beate Muth-Moschek, die Pressesprecherin des Kreisjägervereins Groß-Gerau, eine Steilvorlage. Woraufhin sich die Dame berufen fühlte, sich mit einigen ziemlich schrägen Thesen aus dem Fenster zu lehnen. Ihr Credo: Die vorhandene Storchenpopulation müsse dringend und zwingend begrenzt werden. Nein, nein, bejagen und schießen wolle man die Tiere natürlich nicht! Aber… Ihre Forderung: Keine künstlichen Niststätten mehr, keine Anfütterungen im Vogelpark Biebesheim. Und dann geht es auch mit den Fasanen und Rebhühnern wieder aufwärts. Weniger Störche, weniger Beutekonkurrenten. Dann wäre die Welt der sich vordergründig um das ökologische Gleichgewicht sorgenden Jäger auch wieder im Lot. Schließlich sind sie in vielen Fällen das einzige ernst zu nehmende Regulativ in der Natur, oder etwa nicht?
Die Reaktionen auf den Vorstoß der Groß-Gerauer Flintenfraktion waren entsprechend: “Offensichtlich wollen Jäger alles loswerden, was ihnen die Jagd auf Rebhuhn und Fasan streitig macht. Schließlich bringen sie schon jedes Jahr 500.000 Füchse um. Und an Ausreden für ihr Hobby mangelt es ihnen auch nicht. Wird langsam Zeit, dass wir erkennen, dass das Hauptproblem für ein funktionierendes Ökosystem die 370.000 in Deutschland registrierten Jäger sind”, schrieb ein aufgebrachter Bürger in einem Leserbrief. Und ein anderer Kommentator assistierte: “Die Argumente, die Jäger vortragen, um ihrer Lust, Tiere zu töten, nachgehen zu können, werden immer absurder. Jäger schützen Rebhühner und Fasane zunächst allenfalls deshalb , um sie später zu töten…mehr nicht!”.
Heimtückische Attacken auf Autos und Fensterscheiben
Aber die bösen Klapperstörche im Südhessischen sind noch für andere Schandtaten gut. An der Bergstraße hätten sie auch schon auf Masten der Fahrstromleitung der Bahn genistet und für einen Kurzschluss gesorgt, berichtet die Zeitung. Und in der Hessenaue und in Heppenheim würden Störche immer wieder auf geparkte Autos oder Fensterscheiben von Häusern losgehen, weil sie in den Spiegelungen einen Konkurrenten sähen. In manchen Orten im Ried machten sich die großen Vögel auf der Suche nach Nahrung auch immer wieder über die Gelben Säcke her, rissen diese auf und verstreuten den Müll auf den Gehwegen und Straßen. Also nee, das geht nun wirklich zu weit!
Hier wird von einer willfährigen jagd-affinen Presse der Boden bereitet, eine weitere Spezies zum Buhmann zu machen. Steter Tropfen höhlt schließlich das Schwein, oder wie das heißt. Das ist beim Waschbären, diesem teuflischen maskierten Natur-Terroristen, schon längst geglückt. Entsprechendes Propagandafeuer fällt vor allem im Vogelsbergkreis auf fruchtbaren Boden, wo sich die Jägervereinigung Lauterbach immer schon durch besondere schöpfungsverachtende Aggressivität und Skrupellosigkeit hervorgetan hat. Im Schulterschluss mit der von ihren Mitgliedern durchsetzten Unteren Jagdbehörde möchte sie in der Bevölkerung Hilfssheriffs rekrutieren und ruft “besorgte Bürger” dazu auf, sich zum Fallensteller ausbilden zu lassen. Entsprechende “Sachkundelehrgänge” bietet die JV seit 2007 an.
Jäger wollen Bürger zu Fallensteller ausbilden
Allerdings besitze ein Großteil der Kursteilnehmer selbst keinen Jagdschein. Die Tötung von lebend gefangenen Beutegreifern durch eine Schussabgabe könne und dürfe deshalb nur durch einen beauftragten Jagdscheininhaber erfolgen, heißt es da verschwurbelt. Anders ausgedrückt: Ist ein Waschbär in die Privat-Falle getappt, muss ein Jäger herbei und die Drecksarbeit erledigen. Er tut das natürlich nur schweren Herzens, oder? Möchte sich das andererseits aber auch honorieren lassen, wie der Landesjagdverband angekündigt hat, nachdem die EU-Kommission Waschbären als invasiv gebrandmarkt und für eine flächendeckende Verfolgung freigegeben hat.
Diese Situation hat für die “Heger” nur Vorteile. Sie können töten, schaffen sich so Beutekonkurrenten vom Leib und bekommen noch Kohle und behördliche Anerkennung dafür.
Ein von mir sehr geschätzter Naturfotograf und Tierfreund hat die grüne Zunft in einem anderen Zusammenhang einmal als “Wald-Nazis” bezeichnet und diesen, zugegeben, kühnen Vergleich durch zahlreiche Thesen untermauert. Unter anderem heißt es bei ihm: “Ist es dann verwunderlich, wenn der heutige Zeitgenosse beim Anblick der waidmännischen Schießtürme an die Wachtürme in den Konzentrationslagern des Dritten Reiches erinnert wird?” Starker Tobak, aber man sollte mal drüber philosophieren. Den kompletten Essay gibt es hier: