So schnell kann man steigen und wieder ganz tief fallen. Der Mann hat, Aufhängen inklusive, schon so gut wie alles durch: Als Phantom spukte er durch die Katakomben der Pariser Oper, lieferte Jesus für einen Beutel Silberlinge ans Messer, saugte als Dracula unbescholtene Mitmenschen aus oder ließ sich, der Liebe wegen, im Wüstensand begraben. Zwischendurch mutierte er vom Stinkstiefel zum Gutmenschen, ächzte als Häftling unter dem unmenschlichen Justizsystem des postrevolutionären Frankreichs und machte als fanatischer Priester der Heiligen Lisbeth das Leben zu Hölle: Chris Murray. Keine große Musical-Hauptrolle, die der in Braunschweig geborene US-Amerikaner mit Wohnsitz in Spree-Athen nicht schon getragen hat. Seine Welt sind die Bretter, die selbige bedeuten. Die jüngste Rolle, für die sich der umtriebige Künstler beworben hatte, sollte sich jedoch noch einen Tick aufregender erweisen als alle bislang be- und überstandenen Bühnenabenteuer.Diese himmlische Premiere wird er nie vergessen!
Da hing der Musicalstar plötzlich ganz schön in den Seilen. In schwindelerregender Höhe, in der die Erdkrümmung sichtbar ist. 4000 Meter über Grund. Die Menschen auf letzterem so klein wie Ameisen. Aber ziemlich schnell größer werdend. Tempo 200, vertikal. Ohne Netz. Kein doppelter Boden. Der Mann fällt wie ein Stein. Und fällt, und fällt…. Eine endlose Minute geht das so, 60 lange Sekunden, die sich, gefühlt, auf Bruchteile ihrer tatsächlichen Dauer verdichten.
Erst die Pflicht, dann die Kür
Der Sturz wird jäh abgebremst, durch ein paar Quadratmeter Nylonseide, die sich im Wind blähen. Alles wird gut! Das eben war die Pflicht. Jetzt kommt die Kür. Und die ist etwas gemächlicher. Fernsicht bis zum Nordpol. Langsames, sachtes Gleiten mit einigen implementierten Drehungen und Steilkurven. Das muss drin sein. Der Höhenmesser zeigt immer noch 1500 Meter. Aber jetzt ist wenigstens wieder eine gepflegte Unterhaltung möglich. Hallo? Ist da jemand? Ja. Direkt hinter Dir. Anerkennendes Schulterklopfen. Es ist vollbracht, fast. Noch ein paar Minuten. Der Boden kommt näher. Und steht. Punktlandung. Tataa! Erleichterung. Freudenjauchzer. Happyend. Willkommen im Club! Willkommen auf dem Boden der Tatsachen.
Jetzt erst mal tief durchatmen. Das waren die intensivsten Minuten im Leben des Chris M. Unbeschreibliche Momente. Cool! Geil! Dr. Jekyll lässt grüßen: „Das ist die Stunde….“ Wie heißt es da gleich zu Anfang? „Nun gibt’s keine Wahl, Angst darf nicht mehr sein, ich muss ins Wagnis rein, nicht mehr zögernd sein“. Diese Textzeilen mögen dem blonden Tenor durch den Kopf gegangen sein, als er mit rasendem Puls und klopfendem Herzen hoch über dem Hessischen Westerwald vom Wind umheult in der offenen Flugzeugtüre kauerte, um sich anschließend ins Bodenlose zu stürzen. Ein Akt, dessen euphorisierende Wirkung potenziert nachhaltiger ist als alle durch das Elixier „ jh7“ hervorgerufenen Reaktionen.
Das zerrt an den Nerven
Nervenzehrend schon die zähen Minuten des Aufstiegs im engen, mit Fallschirmspringern vollgepackten stickigen Bauch der Turbo-Maschine. Einer nach dem anderen waren alle Mitreisenden im Nichts verschwunden. „Jetzt wir“, signalisierte Dirk Rewald, dem die Regie die Rolle des Tandem-Masters zugewiesen hatte, aufmunternd. Ein Part, den „Woody“, wie ihn seine Springer-Kollegen nennen, zuvor schon tausende Male gespielt hatte. Wird schon! Das Wort hat noch mal Librettist Leslie Bricusse: „Denk ich zurück, wird mein Herz immer schrei’n, Stunde um Stunde: Das war die Stunde, die größte Stunde, sie war mein!“ Und Tschüß!
Was folgte, dürfte Chris Murray noch unzählige Male durchleben. Dafür hat Sebastian Lauber gesorgt, der Chef-Kameramann von „Skydive Westerwald“. Er war, wie es sich für einen versierten Freifall-Chronisten geziemt, stets ganz dicht dran am Motiv, wich diesem in den entscheidenden Phasen des Sprungs nicht von der Pelle und hielt das rasante Geschehen penibel auf Video fest. Seppl-Television proudly presents….
Passagier-Springen ist für Otto-Normal-Verbraucher die einfachste und sicherste Methode, den süchtig machenden Rausch des freien Falls auszukosten, ohne vorher eine langwierige Ausbildung durchlaufen zu müssen. Eine kurze Einweisung am Boden, und ab geht’s in die Luft. Der Gast ist durch Gurte mit einem erfahrenen Springer verbunden und braucht eigentlich nichts Weiteres zu tun als den rasanten Spaß zu genießen. Der Adrenalin-Ausstoß erfolgt zwangsläufig und automatisch. Die Skydiver im Hessischen Breitscheid hatten zum zweiten Male einen Charity-Tandem-Event organisiert, dessen Reinerlös der „Bärenherz“-Stiftung und dem Hilfswerk „Fly & Help“ von RPR 1-Moderator Reiner Meutsch („Mein Abenteuer“) zugute kommt. Motto: „Mach‘ was Cooles – tu‘ was Gutes“. Chris Murray unterstützte diese gute Sache als prominentester Teilnehmer.
Weitere Informationen über diese ebenso nervenaufreibende wie beschwingte Art der Freizeitbeschäftigung unter www.springwerk.de oder www.skydive-westerwald.de
Mehr überArbeit und Ziele der Hilfswerkes “Fly & Help” hier: www.fly-and-help.de
Eine interessante Video-Reportage über Chris Murrays Herzsprung gibt es hier zu sehen: http://www.clipwings.com/index.php?command=show_video&video_id=1422
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