Von Jürgen Heimann
St. Maddin (316-397), der es weiland vom Soldat und späteren Einsiedler bis zum Bischof (von Tours) gebracht hatte, war der Legende nach der berühmteste Kleiderspender der Welt. Im Gegensatz zu denen der Moderne wusste und sah der Mann, dass seine wärmende, textile Kollekte direkt und unmittelbar beim bedürftigen Empfänger landete. Heute könnte er sich da nicht mehr so sicher sein. Zu unübersichtlich und grau ist der global orientierte Markt für gebrauchte Klamotten. In dem Geschäft mit den Lumpen mischen (zu) viele Lumpen mit – und verdienen sich eine goldene Nase. Während sich ihre direkten Zulieferer in dem Glauben sonnen, durch ihre Abgabe eine gute Tat vollbracht zu haben. Ein Trugschluss. Was nach Motten, Mief und Mildtätigkeit riecht, ist ein knallhartes Business, in dem mit harten Bandagen gekämpft wird. Kleider machen Beute.
Deutschlandweit kommen bei entsprechenden Sammlungen jährlich knapp eine Million Tonnen Kleidung zusammen. Die Menge füllt 62.000 Lkw, die, aneinandergereiht, eine Schlange von Flensburg bis Innsbruck ergeben würden. Was sie an Kluftigem geladen haben, ist weit mehr als in Deutschland unmittelbar für soziale Zwecke benötigt wird. Beispielsweise, um damit Bedürftige einzukleiden. Deshalb werden die Überschüsse an kommerzielle Sortierbetriebe verkauft, die die Ware (die Guten ins Töpfchen, die Schlechten ins Kröpfchen) nach der Selektierung später gewinnbringend weiter verticken, in die Dritte Welt beispielsweise, nach Osteuropa, Südamerika oder in Krisengebiete. Wahlweise, so es sich um Ramsch handelt, mit dem selbst der ärmste Schlucker in der Sahel-Zone nicht mehr über den sandigen Catwalk flanieren mag, auch an die Industrie, die das Ganze dann zu Putzlappen, Dachpappe oder Dämmmaterial verwurstelt.
Wo sich die Spreu vom Weizen trennt
Das sind die Hauptlinien. Aber an dieser Schnittstelle trennt sich dann auch meist die Spreu vom Weizen – zunächst jedenfalls. Während anerkannt gemeinnützige oder kirchliche Organisationen die so erzielten Erlöse in ihre soziale und/oder karitative Arbeit reinvestieren, verschwinden sie bei kommerziellen Akteuren in deren Taschen und machen die dahinter stehenden Geschäftemacher reich. Um die Rendite noch zu erhöhen, lassen diese die Monturen meist auch im (osteuropäischen oder asiatischen) Ausland aufteilen, dort, wo die entsprechenden Löhne geringer und Sozialstandards allenfalls rudimentär gegeben sind. Insofern klingeln ihre Kassen doppelt. Wertsteigerung und Effizienzmaximierung nennt man das. Das Sortieren ist schließlich aufwändig und erfolgt in Handarbeit – durch hochbezahlte Mitarbeiter (Achtung! Ironie!). Es gibt über 250 Kategorien bzw. Sorten, in die die Ware aufgeteilt wird. Die sogenannte “Cremeware” – Artikel in der besten Qualität – wird vorzugsweise nach Osteuropa oder den Nahen Osten veräußert, der Rest findet u.a. in Afrika dankbare Abnehmer.
Etikettenschwindel an der Grenze zum Betrug
Jeder dürfte schon mal einen dieser auffällig designten Handzettel im Briefkasten vorgefunden haben. Ein Druckerzeugnis zweifelhafter Herkunft, das zur Abgabe gut erhaltener Garderobe für einen guten Zweck aufruft. Meist prangt ein Logo drauf, das dem des Roten Kreuzes verblüffend ähnlich sieht, oder dem Emblem der Malteser. Diese Etikettenschwindel sind aber nicht nur bei Straßensammlungen gang und gäbe. Das System hat sich auch bei den stationären Abgabestellen bewährt. In vielen Städten und Gemeinden schießen solche Container und Boxen wie Pilze aus dem Boden, oft über Nacht. Entweder illegal, weil wild platziert, oder mit dem Segen der jeweiligen Behörden.
Auch für die Kommunen sind alte Klamotten bares Geld
Manche Kommunen lassen sich ihr O.K. durch eine entsprechende Jahrespauschale von den Aufstellern vergüten. Konzentrieren die sich auf Privatgrundstücke, und dazu zählen beispielsweise auch die Parkplätze von Einkaufszentren, deren Betreiber sich dadurch zusätzliche Kundenfrequenz erhoffen, bleiben die Kommunen außen vor. Ihr entsprechender Einfluss beschränkt sich auf den öffentlichen Raum. Den Gemeinden, Städten und Landkreisen gebührt nach dem Kreislaufwirtschaftsgesetz aber zunächst der Erstzugriff auf diese als Abfall definierte Ressource. Wie sie damit umgehen, steht ihnen frei. Sie müssen den Bürgern halt nur Möglichkeiten anbieten, sich der faserigen Sachen zu entledigen. Für kleinere Verbandsgemeinden lohnt es sich kaum, die Sache in die eigene Hand zu nehmen. Sie räumen, großzügig, wie sie sind, karitativen Verbänden das Recht ein, auf diese Weise ihr Budget aufzubessern. Oder aber betrauen professionelle Entsorger damit. Lassen sich das aber vergüten. Je nach Aufkommen und Gebietsgröße kommt bei einem Kilopreis von 45 Cents ganz schön was für den Kommunalsäckel zusammen. Der Landkreis Böblingen kassiert auf diese Weise 600.000 Euro im Jahr von seinem kommerziellen Entsorgungspartner.
„FairWertung“ bietet Orientierung im Textildschungel
In diesem für ihn unübersichtlichen Kompetenz- und Zuständigkeits-Dschungel verliert der edle und gutgläubige (Kleider-)Spender schon mal schnell den Überblick. Bei sporadisch von den Kirchen organisierten Aktionen darf er sich hingegen auf der sicheren Seite sehen. Zumal dann, wenn die Verantwortlichen die spätere Verteilung selbst organisieren, die Sachen also gezielt dorthin karren, wo sie wirklich dringend benötigt werden. Die Erlöse sind in solchen Fällen generell und nachprüfbar für eindeutig identifizierbare Hilfsprojekte bestimmt.
Etwas Orientierungshilfe bietet die 1994 gegründete und in Essen ansässige Organisation “FairWertung”, ein Zusammenschluss von inzwischen über 130 gemeinnützigen Altkleidersammlern in Deutschland. Dieser Dachverband selbst hortet und verwertet keine Gebrauchttextilien, hat aber einen verbindlichen Verhaltenskodex dafür entwickelt. Wer die darin festgeschriebenen Standards und Vorgaben hinsichtlich Transparenz, Umwelt und Sozialem erfüllt, darf das entsprechende FairWertungs-Logo benutzen.
Kleiderspenden kostenlos verschicken
Dazu zählen u.a. die Caritas, das Diakonische Werk, die Brockensammlung der v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel, zahlreiche DRK-Kreisverbände, das Spangenberg-Sozial-Werk e.V., die Nieder-Ramstädter Diakonie und die Oxfam-Shops. Mit im Boot sind auch der CVJM, die Katholische Arbeiternehmer-Bewegung (KAB), die Arbeiterwohlfahrt, die Aktion Hoffnung, der Arbeiter-Samariter-Bund, die Deutsche Kleiderstiftung und die Heilsarmee, um nur einige wenige zu nennen. Viele von ihnen unterhalten selbst ein mehr oder weniger dichtes Netz an Sammelcontainern. Auf der Webseite von FairWertung lässt sich gezielt danach suchen. Hier erfährt man, wo die nächste Box eines dieser seriösen Einsammler steht. Und auf der Webseite der Deutschen Kleiderstiftung gibt es Versandscheine zum Download. Sie ermöglichen eine kostenlose Verschickung der Kleiderspende mit DHL oder Hermes.
Seit Mitte der 1990er Jahre ist das jährliche Sammelaufkommen an Textilien um mehr als 20 Prozent gestiegen. Und die Menge wächst weiter. Grund dafür sind vor allem auch die immer kürzeren Kollektions-Intervalle der Modebranche. Damit einher geht eine immer kürzere Nutzungsdauer der Bekleidung, die zu über 50 Prozent aus Chemiefasern besteht und deshalb nicht recyclebar ist. Insgesamt kommen so viel mehr Altkleider zusammen, als soziale Einrichtungen hierzulande benötigen.
5,2 Milliarden Kleidungsstücke haben die Deutschen in ihren Schränken gehortet. Die weltweite Textilproduktion hat sich zwischen 2000 und 2015 verdoppelt. Kleidung ist längst zum Wegwerfartikel geworden. Derzeit werden jährlich mehr als hundert Milliarden Kleidungsstücke hergestellt – mehr, als alle Menschen auf diesem Planeten jemals auftragen können. Die globale Textilundustrie zählt zu den dreckigsten der Welt und gilt neben der Ölbranche als zweritgrößter Umweltzverschmutzer.
Wie aus Müll eine Handelsware wird
70 Prozent der Weltbevölkerung, die ja immer weiter wächst, nutzen Second-Hand-Artikel als Bekleidung. Deshalb gewinnt auch der Export in die Dritte Welt an Bedeutung. Aber das hat dann mit Wohltätigkeit nix mehr zu tun. Die ursprüngliche Kleiderspende mutiert schnell zur Handelsware. Dass die globale Nachfrage steigt, ist auch auf dem hiesigen Markt spürbar. Und zeigt sich nicht nur darin, dass sich hier zunehmend Akteure tummeln, die ausschließlich kommerziell ausgerichtet sind. Und da ist ja auch noch der Konkurrenzkampf der Sortierbetriebe untereinander. Das alles zusammen genommen hat den Preis nach oben getrieben.
45 Cents pro Kilogramm ausrangierter Garderobe
Wurden früher zwischen 15 und 20 Cents pro Kilogramm Altkleider gezahlt, sind heuer 45 Cents die Regel. Klar, dass auch windige Beutelschneider von diesem Kuchen abhaben wollen. Die lassen sich nicht immer, aber immer öfter entlarven. Beispielsweise dann, wenn auf entsprechenden Wurfsendungen, die zum Spenden aufrufen, keine eindeutig identifizierbare Adresse abgedruckt ist, aus der hervorgeht, wer genau hinter der Aktion steckt. Oder auf dem Pamphlet eine Anschrift aus einem anderen Bundesland notiert ist. Vorsicht ist auch geboten, wenn sich die Kontakt-Info auf eine anonyme Mobilfunk-Nummer beschränkt. Da kann man ja dann mal aus Spaß anrufen und die Probe aufs Exempel machen. Meldet sich wiederholt niemand oder nur der Automat, dürfte der Fall klar sein.
An Mitleid und Hilfsbereitschaft appellierende und emotional klingende Vereinsnamen wie “Hilfe für Flutopfer e.V.”, „Rettung vor dem Hungertod“ oder „Helfen Sie, damit wir helfen können” mögen ebenfalls ein Indiz dafür sein, dass diejenigen, die dahinter stecken, nicht unbedingt von der Idee der Wohltätigkeit beseelt sind. Sie meinen es zwar gut, aber nur mit sich selbst – und wirtschaften in die eigene Tasche. Es geht um Reibach und um nix anderes. Da ist es doch gleich viel beruhigender, wenn auf der entsprechenden Hauswurfsendung oder dem örtlichen Sammelcontainer das Siegel von “FairWertung” oder jenes des Deutschen Zentralinstituts für soziale Fragen (DZI) prangt. Oder etwa doch nicht?
Textilspenden landen nur selten bei Bedürftigen
Es ist nämlich nicht so, dass Lieschen Meier und Kurti Müller per se ein gutes Werk tun, wenn sie ihre ausrangierte Garderobe in die Box stopfen. Er macht das vielleicht auch nur deshalb, weil sich sein Bauch nicht mehr in die Wrangler-Jeans quetschen lässt, sie, mit der Zeit auch etwas fülliger geworden, weil sie in dem modischen Kostüm auch keine so gute Figur mehr abgibt. Was aber passiert in Folge mit den Sachen, von denen sie sich schweren Herzens getrennt haben? Sie kommen nicht zwingend bei den Bedürftigen an. So viel ist mal sicher. Wenn die Kleiderkammern und die Lager der Sozialkaufhäuser gefüllt sind, landet das Zeug entweder in Bitterfeld-Wolfen oder einem anderen riesigen Sortierwerk der Republik. Im Südosten Sachsen-Anhalts betreibt der Alttextil-Multi Soex die größte Klamotten-Sortieranlage der Welt. Hier landen täglich 400 Tonnen an gesammelter Bekleidung, auch solche der Wohlfahrtsorganisationen. Letztere karren die Ware meist nicht einmal selbst heran, sondern lassen karren. Das besorgen für sie dann von der Sotex-Tochter Efiba beauftragte Subunternehmer.
Für beide Seiten ein lukratives Geschäftsmodell
Der Deal läuft meist so ab, dass die in Bassum ansässige Efiba-Handelsgesellschaft ihren „sozialen“ Geschäftspartnern vor Ort Geld dafür zahlt, deren Namen nutzen zu dürfen. Der prangt dann sichtbar am Container. Mit allem Weiteren haben DRK und Co. nix zu schaffen. Ein geniales Modell. Die Kohle, die die Namensgeber quasi fürs Nichtstun und ihr Stillschweigen bekommen, hilft ihnen wiederum zur Finanzierung ihrer vielfältigen gesellschaftlichen und sozialen Aufgaben. Die entsprechenden Einnahmen sind aber Peanuts im Vergleich zu den Gewinnen, die im Laufe der weiteren Verwertung von anderen daraus generiert werden.
Wo Kleiderfabriken kaputt gespendet wurden
Bis zu diesem Punkt mag immer noch nichts Verwerfliches an diesem System, von dem schließlich beide Seiten profitieren, zu erkennen sein. Auch wenn sich bereits erste Anzeichen leichter Bauchschmerzen ankündigen. Aber das dicke Ende kommt erst noch. Dieses Spiel hat, um es mal vorsichtig zu formulieren, nicht unbedingt zum wirtschaftlichen Aufschwung in den Bestimmungsländern beigetragen, sondern mit dazu geführt, dass die subventionierten, teils maroden und nicht immer profitabel arbeitenden Textilindustrien in zahlreichen Staaten Afrikas nahezu restlos zusammengebrochen sind. Was wiederum zigtausende Menschen um ihre Existenz gebracht hat. Sie standen plötzlich ohne Job da. Mit dem Preis der (gebrauchten und gut erhaltenen) Import-Westware konnten und können die Fabriken vor Ort nämlich nicht konkurrieren – und rutschten in die Pleite. Für sie wurden Kleiderspenden aus Deutschland und anderen wohlhabenden Ländern zum Albtraum, lautet ein Vorwurf. Sie seien nicht Segen, sondern Fluch. So funktioniert aber der Neo-Kolonialismus des 21. Jahrhunderts. Hier der Cash, dort der Crash.
Groß war der Aufschrei, als die ARD dies vor einigen Jahren in einer Reportage thematisiert hatte. Das war 2011. An den Strukturen, Abläufen und Gesetzmäßigkeiten dürfte sich seitdem nicht viel geändert haben. Der Beitrag hier:
Diese Sicht der Dinge sei zu kurz gegriffen, halten andere dagegen. Fairerweise muss man in diesem Zusammenhang erwähnen, dass es nicht nur die Second-Hand-Schose aus dem christlichen Abendland und Nordamerika war und ist, die den örtlichen Herstellern das Genick bricht bzw. gebrochen hat. Da sind auch die geschäftstüchtigen Asiaten, die den zu ihrem profitablen Spielplatz auserkorenen schwarzen Kontinent seit Jahren mit neuer, textiler Billigware überfluten, gegen deren Preise kein regionaler Produzent anstinken kann. Und Korruption und Missmanagement dürften den Niedergang hier, der mit Aufhebung seinerzeitiger Exportbeschränkungen erst richtig an Dynamik zulegte, ebenfalls beschleunigt haben.
Auf dem Transport explodiert der Verkaufswert der Ware
Das lässt sich in Tansania, einem der größten Abnehmer für Altkleider aus Europa, exemplarisch beobachten. Dorthin werden jeden Monat bis zu 30.000 Tonnen aus Europa exportiert. Das Geschäft mit „Mitumba“ – so wird die Sore hier genannt – ist übrigens fest in libanesischer Hand. Auf dem langen Weg dorthin ist der Handels- bzw. Verkaufswert der Ware auf wundersame Weise explodiert – um 800 Prozent. Während der Spender in Deutschland natürlich nix bekommt – andernfalls wäre er ja kein Spender – und die Sammelorganisationen mit 45 Cents pro Kilogramm abgespeist werden, verlangt der Großhändler in Daressalam umgerechnet bis zu 4,80 Euro fürs Doppel-Pfund. Und das vorletzte Glied in der Kette, der kleine Einzelverkäufer auf dem Straßenmarkt von Tanga, Tabora oder Sumbawanga, will und muss ja auch noch etwas verdienen. Aber bereits an früheren Positionen dieser Wertschöpfungskette haben diverse Mitspieler die Hände aufgehalten.
Im Sambia, Uganda, Kenia, Ruanda, Mauritius und Burundi ist die Situation nicht anders, mitunter sogar noch schlimmer. Nicht ganz von ungefähr wollen die Staaten der Ostafrikanischen Gemeinschaft die Einfuhr gebrauchter Bekleidung und getragener Schuhe deshalb binnen der nächsten drei Jahre unterbinden bzw. verbieten. Dies, um ihren untergegangenen Bekleidungsindustrien eine neue Start- und Marktchance zu eröffnen. Zweifel sind erlaubt, ob dies gelingt.
XXL-Jeans werden auf afrikanisches Hungerformat umgeändert
Textilien “made in Germany” sind, weil in der Regel von bester Qualität, vor denen aus anderen Ländern am begehrtesten. Entsprechend teuer werden sie auch verscherbelt. Für viele potentielle Endabnehmer ist das Angebot vor Ort dann aber oft unerschwinglich. Dazu zählen erst recht die Familien jener 80.000 in den vergangenen Jahren entlassener tansanischen Textilarbeiter, die sich inzwischen u.a. mit Steinekloppen mehr schlecht als recht über Wasser halten müssen. Sie zerlegen die Ruinen ihrer einstigen Arbeitsstätten in handliche Brocken, die dann im Straßenbau verwendet werden. Oder sie verdienen sich an der klapprigen Nähmaschine mit dem Umändern gebrauchter europäischer XXL-Jeans auf afrikanisches Hungerformat ein paar lumpige Schilling dazu.
Da sind sie dann, die neuen Arbeitsplätze, die der Alt-Kleiderhandel angeblich in so großem Maße hervorbringt. Seine positiven Nebeneffekte zu betonen, werden dessen Befürworter ja nicht müde. Sie sprechen von einem bedeutenden Impulsgeber für den örtlichen Handel und die Kleinbetriebe. Rund um „Mituba“ hätte sich nämlich ein lukrativer Mart der Weiterverarbeitung etabliert. Die Waren aus Europa würden als Ausgangsprodukt genutzt, um daraus höherwertige Modeware zu fertigen. Selbstständige Schneider oder Kleinkollektive würden die Textilien mit Ornamenten oder Aufdrucken verzieren und so neue Werte schaffen. So, so….
Kein einziges T-S-Shirt für lau
Wie dem auch sei, die gutgläubigen deutschen Kleiderspender sind gut beraten, sich ein für allemal von der sozial-romantischen Vorstellung zu verabschieden, durch ihren textilen Obolus den Ärmsten der Armen in den Entwicklungsländern helfen zu können. Die nämlich zahlen dort für die Geberlaune der saturierten und im Überfluss lebenden Europäer einen verdammt hohen Preis – im wahrsten wie im übertragenen Sinne des Wortes. Und kriegen, nebenbei bemerkt, trotzdem kein einziges T-Shirt für lau. Einzig die Hilfsorganisationen hierzulande ziehen aus dem Ganzen einen (kleinen) monetären Vorteil. Sei er ihnen gegönnt. Sie leisten schließlich auf der anderen Seite auch gute, gemeinnützige Arbeit und finanzieren sich zum Teil dadurch. Aber man sollte schon überlegen, ob dadurch das in anderen Teilen der Welt erzeugte Elend aufgewogen wird.
Nicht auf jeden Modezug aufspringen
Gibt es überhaupt eine Alternative? Zu den unzähligen Haussammlungen oder den Altkleider-Containern, egal ob die nun von kommerziell orientierten Unternehmen oder der Arbeiterwohlfahrt, dem DRK, den Maltesern oder wem auch immer aufgestellt werden. Jein! Das muss jeder einzelne für sich selbst beantworten und entscheiden. Fakt ist: Ohne diese Abgabemöglichkeiten würden die Unratberge auf den Deponien ja noch höher, während die Kessel der Müllverbrennungsanlagen noch emsiger glühen und die Luft verpesten würden. Aber wenn wir nicht auf jeden von H&M, Zara, Pimkie oder Mango aufs eitle Gleis geschickten Modezug aufspringen und uns vierteljährlich die neueste Kollektion in den Schrank hängen würden, wäre schon viel gewonnen, auch in ökologischer Hinsicht.
Die Deutschen besitzen 5,2 Milliarden Kleidungsstücke
Allein die Deutschen besitzen 5,2 Milliarden Kleidungsstücke. Jeder Bundesbürger kauft im Mittel zwischen 60 und 70 neue textile Zubehörteile pro Jahr. Das sind Wegwerfartikel mit der Halbwertzeit einer Party-Nacht. Die Kollektionen der großen Chic-Produzenten wechseln immer häufiger und schneller. Dieser Wahnsinn hat Methode und einen Namen: Man nennt das Fast-Fashion. Bis zu 14 neue Linien werfen die großen Textilketten pro Saison auf den Markt. Man muss sich also nicht wundern, wenn sich da gewaltige Berge auftürmen, die ja irgendwann irgendwohin müssen, weil der Platz für die nächste Welle benötigt wird. Des einen Freud’, des anderen Leid. Die Zahl derer, die davon profitieren, ist gemessen an der jener, die es ausbaden müssen, verschwindend gering. Aber so ist das nun mal im Kapitalismus.