Von Jürgen Heimann
Nach dem Worldwide Fund for Nature (WWF), der als Sammelbecken prominenter und schwerreicher Großwildjäger ja auch schon mal für Safaris sowie spaßige Trophäenjagden in Drittweltländern wirbt und nebenbei auch keinerlei Skrupel hat, auf eigenen Grundstücken in Deutschland (und andernorts) Drückjagden zu veranstalten, ist mit Greenpeace eine weitere global agierende Umweltorganisation dabei, ihren guten Ruf zu ruinieren. Die Rainbow-Warriors, die sich so gerne als furchtlose Streiter für die Natur und gegen Umweltzerstörung inszenieren, geraten auf die schiefe Bahn. Sie opfern und verraten ihre Ideale, für die kompromisslos zu kämpfen sie einst bei ihrer Gründung 1971 in Kanada angetreten waren. Zumindest die deutsche Regenbogen-Sektion bekommt zunehmend ein Glaubwürdigkeitsproblem. Ihre Hauspostille, das Greenpeace-Magazin, das seinen Lesern angeblich zeigt, wie die Welt zu retten ist, mausert sich zum willfährigen Propagandainstrument einer bewaffneten Minderheit hierzulande – der Jäger. Da zeichnet sich eine unheilige Liaison ab.
Immer häufiger werden, zumindest in der Online-Ausgabe dieses Mediums, fragwürdige, steile jagdideologische Thesen propagiert und verbreitet, um sie den gutgläubigen Rezipienten dann als seriöse, wissenschaftlich fundierte Tatsachen unterzujubeln. Dass beispielsweise der Waschbär eine existentielle Bedrohung für das Gleichgewicht der Natur darstelle, für das Verschwinden zahlreicher geschützter und im Gegensatz zu ihm “heimischer” Tierarten verantwortlich sei und deshalb noch exzessiver als bisher verfolgt und gejagt werden müsse, durften wir hier erst im April staunend zur Kenntnis nehmen. Da hatte man eine Pressemitteilung des Deutschen Jagdverbandes der Einfachheit halber 1:1 veröffentlicht. Der Leser nahm’s für bare Münze. Es stand schließlich bei Greenpeace.
Tote Tiere statt Erdöl
Und vor wenigen Tagen legte die Reaktion noch mal nach. Wer aus dem Fell in deutschen Revieren erlegter Prädatoren gefertigte Kleidung trage, leiste einen wichtigen Beitrag zum Artenschutz. Da bleibt es sich geschossen wie geballert, ob Klein-Petze, Füchse oder Marderhunde ihre Haut zu Markte tragen müssen. Grundsätzlich handele es sich bei ihren Fellen um eine ökologisch hochwertige Alternative zu aus Erdöl gefertigten Textilien. Das stand da wirklich so! Echt. Wer sich also mit etwas Pelzigem schmückt, dessen früherer Besitzer aus freilaufender, heimischer Bodenhaltung stammt und natürlich „tierschutzgerecht“ erlegt wurde, tut etwas Gutes. Wer es nicht glaubt, hier ist es nachzulesen:
Moralischer Niedergang: Absturzgefahr!
Dass sich Greenpeace nicht zu schade ist, diesen Blödsinn zu verbreiten und sich als Multiplikator vor den PR-Karren grüngewandeter Freizeitschützen spannen lässt, ist ein Armutszeugnis. Vor allem für eine ursprünglich respektable Organisation, die mit ihren teils spektakulären Aktionen gegen die Tötung von Robben in Kanada zur Pelzgewinnung oder solche von Walen bekannt und berühmt wurde und die sich jetzt auf eine Stufe mit Killern stellt, die am Tod der Tiere verdienen (wollen). Was für ein moralischer Niedergang! Das millionenfache Abschlachten von Mitgeschöpfen salon- und gesellschaftsfähig zu machen, mag nach wie vor offiziell nicht auf der GP-Agenda stehen, aber die grünen Friedensbewegten machen sich mitschuldig daran, dass es geschieht. Zumindest hierzulande.
“Umweltschutz braucht gute Nachrichten”
Das seit 1993 in zweimonatigem Turnus erscheinende Magazin wird von der Greenpeace Media GmbH verantwortet, einer hundertprozentigen Tochter, die nach außen hin eine von der Umweltorganisation formell unabhängige Gesellschaft ist. Aber natürlich sind beide Seiten eng miteinander verzahnt und verbandelt. Das Magazin ist neben den viermal pro Jahr erscheinenden “Greenpeace Nachrichten” quasi das Sprachrohr der Mutter. Es finanziert sich (fast) ausschließlich aus Vertriebserlösen und ist auch als App für Tablet und Smartphone verfügbar. Das Jahres-Abo (sechs Ausgaben) kostet 33,50 EUR, im Kombi mit der Digital-Version 38,50 EUR. Als Gegenleistung wird u.a. unabhängiger, kämpferischer Journalismus versprochen. Motto: “Umweltschutz braucht gute Nachrichten”. Darüber hinaus erscheinen auf der gleichnamigen Webseite täglich aktualisierte und auch von Nicht-Abonnenten einsehbare News.
Kritisch und konstruktiv?
“Neben der kritischen Berichterstattung über Themen aus Politik und Wirtschaft liegen die inhaltlichen Schwerpunkte auf den Bereichen Umweltschutz, Menschenrechte und soziale Bewegungen. Im Sinne des konstruktiven Journalismus werden nach Möglichkeit Lösungsansätze aufgezeigt, zudem gibt es Service und Handreichungen für Verbraucher”. So steht es wörtlich auf Wikipedia. Hallo? Das klingt angesichts der jüngsten Ausrutscher wie Hohn. Aber vielleicht gehören pelzige Mode-Tipps inzwischen ja auch zum Leserservice, speziell zugeschnitten auf gutmenschelnde Bezieher. Noch im April 2014 hatte das Magazin eine große Titelkampagne gegen Pelzmode gefahren: “Rückkehr einer Mode, die auf Tiere und Umwelt keine Rücksicht nimmt”. So ändern sich die Zeiten und Überzeugungen.
Kopfgeld: Für den Spaß im Revier gibt’s jetzt auch Kohle
Um zu verstehen, wie solche publizistischen Verwerfungen zustande kommen, muss man wissen, dass auch das Greenpeace-Magazin zu den Kunden der Deutschen Presseagentur (dpa) zählt. Letztere hatte denn auch den inkriminierten Beitrag wieder geliefert, ganz “aktuell” und zeitnah im Vorfeld des Bundesjägertages, der am 22. und 23. Juni im Ostseebad Warnemünde stattfand. Da war die inhaltliche Zielrichtung schon vorgegeben. Torsten Reinwald, der Vize-Geschäftsführer des Deutschen Jagdverbandes, durfte in dem exklusiven Korrespondentenbericht für die neue Pelzverwertungsgesellschaft seiner K(r)ampftruppe werben, die garantieren soll, dass die Damen und Herren Heger nicht nur Spaß im Revier haben, sondern auch noch finanziellen Honig aus dem Töten von Tieren saugen können. Und das gleich doppelt.
130.000 Waschbären und 28.000 Marderhunde, die im vergangenen Jagdjahr auf der Strecke geblieben waren, seien nämlich nicht genug. Das müssen, so die Botschaft, deutlich mehr werden. Dann fließen auch die Erlöse aus der “Anschlussverwertung” üppiger. Daneben gibt es in einigen Bundesländern, so in Sachsen, inzwischen auf Antrag sogar schon Abschussprämien für Waschbären und anderes “Kroppzeugs”.
Höchste Zeit für einen (Fell)Wechsel
Die organisierten Nimrods haben im Jagdjahr 2015/16 bundesweit außerdem 466.186 Füchsen, 5.487 Baummardern, 43.137 Steinmardern und 9.063 Iltissen das Lebenslicht ausgeblasen. Die dürfen nicht umsonst gestorben sein. Deshalb hat die neue Verwertungsgesellschaft, der man den zynischen Namen “FellWechsel GmbH” verpasst hat, vor allem auch Alibi-Charakter. Bislang war es den Weidleuten selbst mit verzweifelter semantischer Wortakrobatik nicht gelungen, das von ihnen zelebrierte Massenabschlachten plausibel zu rechtfertigen. Insbesondere auch dahingehend, um dem Bundestierschutzgesetz Genüge tun. In § 1 heißt es dort nämlich: “Niemand darf einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen”. Der überwiegende Teil der Kadaver wird bislang aber verbuddelt oder landet in Tierkörperbeseitigungsanstalten. Niemand hat(te) dafür Verwendung. Dadurch, dass die bewaffneten Naturfreunde jetzt die Felle, die sie ihren Opfern über die Ohren ziehen, gewinnbringend vermarkten, ist ja ein Grund für das Abschießen gegeben. Oder etwa nicht?
Unreflektiert und kritiklos
Natürlich liest man über diese Hintergründe bei dpa und Greenpeace nichts. Auch darüber nicht, dass man im Schwarzwald bereits seit 2014 auf der Welle der angeblich ethisch korrekten Fellbekleidung reitet. Hier malt man den Leuten auf die Backe, sie würden durch den Kauf von den Pelzen aus „nachhaltiger Jagd“ den Naturschutz fördern. Dafür gibt es sogar ein „Gütesiegel“ auf den entsprechende Klamotten. Und der Zentralverband des deutschen Kürschnerhandwerks hat ein eigenes Label installiert, um die rückläufige Nachfrage nach seinen zweifelhaften Produkten anzukurbeln. Pelztextilien, die mit dem “We prefur”-Aufpapperl gekennzeichnet sind, werden als “natürlich nachwachsende Ressource” angepriesen. Sie stammten ausnahmslos aus “nachhaltiger, waidgerechter Jagd und Schädlingsbekämpfung”, wobei die nationalen Tierschutz- und Jagdrichtlinien selbstverständlich eingehalten würden. Das klingt doch schon mal gut. Der Kunde hat die Qual der Wahl. Im Portfolio: Baummarder, Iltis, Nutria, Hermelin, Marderhund, Bisam, Dachs, Wildhase und Wildkaninchen
Dies zu recherchieren, wäre jetzt allerdings zu viel verlangt gewesen. Stattdessen machte die Redaktion des Magazins das, was die meisten Kollegen deutscher Medienorgane in solchen Fällen aus Bequemlichkeit zu tun pflegen: Den Beitrag, in diesem Fall den des als honorig bekannten dpa-Zulieferers, unreflektiert und unkritisch zu übernehmen. Solchen Ergüssen zu Grunde liegen in der Regel druckreif ausformulierte Pressemitteilungen. In dieser Hinsicht agiert der Deutsche Jagdverband ziemlich professionell. Zur Freude der schreibenden Zunft. Warum sich also zusätzlich Arbeit machen, wenn das Leben doch so einfach sein kann?
An diese Vorgehensweise, die wenig mit journalistischer Berufsethik zu tun hat und bei der von Wahrung der Sorgfaltspflicht keine Rede sein kann, haben wir uns leider gewöhnen müssen. Sie ist bei der kleinsten Lokalzeitungsklitsche ebenso gang und gäbe wie bei den großen medialen Platzhirschen, ob die nun als “SPIEGEL”, “Stern”, “WELT” oder “FAZ” daher kommen. Vom Krawallo-Blatt mit den vier großen Buchstaben wollen wir gar nicht erst reden. Dennoch: Von einem Magazin, das den Namen “Greenpeace” im Titel trägt, hätte man mehr erwarten dürfen. Vor allem ein kritisches Hinterfragen der Thematik. Zumal die Publikation bei ihren Lesen eigentlich hohes Ansehen genießt und als äußerst glaubwürdig gilt. Aber damit geht es bergab. Was zudem indirekt auf die Gesamtorganisation zurückfällt, deren Integrität bislang außer Zweifel stand und die ob ihrer sowohl unerschrockenen als auch akribischen wissenschaftlich fundierten Arbeit von vielen bewundert wird.
Nein, es geht nicht darum, Meinungen zu unterdrücken, auch solche nicht, die den eigenen Ansichten vielleicht diametral entgegenstehen. Das wäre ja Zensur. Eine Berichterstattung über kommerzielle Fellverwertung ist schon berechtigt, zumal das ein Thema ist, das viele Menschen, die sich mit der Natur und ihren Bewohnern verbunden fühlen, interessieren dürfte. Und dazu zählen ja auch die Greenpeace-Sympathisanten. Nur wenn sich eine entsprechende Veröffentlichung in reinem, klassischem Verlautbarungsjournalismus erschöpft, bei dem inhaltlicher Anspruch und kritische Distanz auf der Strecke bleiben, wird es grenzwertig. In der Greenpeace-Redaktion scheint man noch nie etwas von dem elementaren, dem alten römischen Recht entlehnten journalistischen Grundstatz “Audiatur et altera pars” gehört zu haben. Frei übersetzt lautet das Postulat: Höre stets auch die andere Seite.
Zwischen Anspruch und gedruckter Wirklichkeit
Greenpeace stellt hohe Ansprüche an sich und andere, kämpft für eine bessere Welt und will die Menschen zu verantwortungsvollem Umgang mit der ihnen anvertrauten Schöpfung bewegen. Es ist ein nicht gerade kleiner Verein, der sich weltweit auf über drei Millionen Fördermitglieder stützen kann, darunter 580.000 in Deutschland. GP unterhält Niederlassungen in 45 Ländern und beschäftigt weltweit 2.700 hauptamtliche Mitarbeiter. Hierzulande sind es 237. Darunter hervorragende und ambitionierte Wissenschaftler, Forscher, Biologen und Umwelt-Experten.
Warum man aber ausgerechnet an einer so wichtigen, der Öffentlichkeitsarbeit, PR und Kommunikation dienenden Schalt- und Schnittstelle wie dem Greenpeace-Magazin an geeignetem Personal spart und dort “Journalisten” platziert, die ihr Handwerk ganz offensichtlich nicht beherrschen oder denen jedwede Form von Berufsethik völlig am Arsch vorbeigeht, bleibt ein Rätsel. Vielleicht sollte der Kollege, der die Veröffentlichung zu verantworten hat, erst einmal ein viermonatiges Praktikum im oberbayerischen Tropenwald absolvieren und dort im Schichtbetrieb Maikäfer zählen….