Informationen, denen zufolge der Siegerlandflughafen die Anlage eines parallel zur existierenden Runway verlaufenden Wassergrabens plant, um dort auch Aqua-Flugzeugen das Landen und Abheben zu ermöglichen, hat Airport-Geschäftsführer Henning Schneider als unzutreffend bezeichnet. Klar: Eine solche Investition stünde auch in keinem Verhältnis zum erwarteten Verkehrsaufkommen derartigen Fluggerätes. Aber Spaß beiseite. Hinter den Toren der großen Hangars parkt, eine wahre Fundgrube, gar manch außergewöhnliches Exponat. Und neuerdings, in einer dunklen Ecke von Halle B, auch ein veritables, mit großen Schwimmern ausgestattetes Wasserflugzeug. Hallo? Da fragt man sich doch zunächst: Wie kommt das “exotische” Teil dorthin und später wieder weg?
Zumindest das ist schnell erklärt: Die Schwimmer sind amphibisch. In selbigen ist ein Einziehfahrwerk für Landlandungen enthalten. Heißt: Der Pilot muss nicht zwingend auf der Krombach oder der Breitenbachtalsperre wassern, sondern kann wahlweise auch auf einer normalen Boden-Piste niederkommen. Aber das alles offenbart noch keineswegs den Grund für die Existenz dieser, vorsichtig formuliert, doch etwas unorthodoxen Maschine. Zumal solche ja sonst üblicherweise zwischen Inseln oder in unwegsamen Gebieten als eine Art „Buschflieger“ bzw. für Such- und Rettungsmissionen daselbst eingesetzt werden, so u.a. in den abgelegenen Weiten Alaskas oder Kanadas. Das Siegerland mag dahingehend zwar auch wild und unüberschaubar sein, aber doch nicht in diesem Umfang….
Die „HJR“ ist gar nicht mal so sonderlich groß. Die von 12 gigantischen 12-Zylinder-Motoren angetriebene 44 Meter lange Dornier Do x war ein klein wenig stattlicher dimensioniert und bot immerhin 66 Passagieren Platz. Gut, bei dieser legendären Konstruktion handelte es sich auch um ein Flugboot. Das ist wieder etwas anderes.
Besagtes Fabrikat auf Siegerland hingegen mit einer Flügelspannweite von 9,31 Metern ist gerade mal 6,59 m lang. Zwei Nasen, hintereinander platziert, passen rein, dann ist Schluss mit lustig. Wegen Überfüllung geschlossen. Der 100 PS starke Rotax-Motor treibt das Gerät auf eine schwindelige Reisegeschwindigkeit von 130 Km/h. Das sind Mach 0.00081. Und wenn man dann noch weiß, dass es Deutschlandweit so gut wie nirgends möglich bzw. statthaft ist, mit einem privaten Wasserflugzeug zu landen, drängt sich die Sinnfrage förmlich auf. Genauso gut könnten sich die Bewohner der Sahel-Zone mit Schneeschiebern und Abfahrts-Skiern eindecken. Die Ausgangslage wäre in etwa vergleichbar.
Kein Job für doppelte Linkshänder
Henner Jud ist der stolze Besitzer dieses ungewöhnlichen Luftfahrzeuges. Und stolz kann der Neunkirchener auch sein. Der Mann hat das auf einem Bausatz basierende Gerät “with a little help from his friend” Rolf Helmrich, Chef des gleichnamigen in Großpösna bei Leipzig ansässigen und auf “schwierige Fälle” spezialisierten Flugzeugbauunternehmens, Stück für Stück selbst zusammen gebastelt. Das war kein Job für doppelte Linkshänder. Drei Jahre, während derer der Siegen-Wittgensteiner mehr als tausend Arbeitsstunden investierte, waren nötig, ehe das Flugzeug seine heutige Gestalt angenommen hatte. Aber das war erst der Anfang. Die eine Sache. Die andere: Im Land des deutschen Michels die Flugzulassung für ein in die “beschränkten Sonderklasse” eingestuftes “Experimental”-Flugzeug Marke Eigen- und Selbstbau zu bekommen. Da sind schon ein paar bürokratische Hürden zu meistern.
Schlechte Karten auf Deutschlands Seen und Flüssen
Den mit Spannung erwarteten Erstflug hat die “HRJ Savage AF” bereits im Juni dieses Jahres erfolgreich ohne Pleiten, Pech und Pannen absolviert. An ihren Flugeigenschaften gibt es nichts zu mäkeln. Was jetzt folgt, ist die eigentliche Flugerprobung, die sich exakt an vom Luftfahrtbundesamt vorgegebenen Paramentern orientieren muss. Jud, Bauherr, Testpilot und Einflieger in Personalunion, hat dafür eine sogenannte “Permit to Fly”, eine vorläufige, eingeschränkte Flugerlaubnis bekommen. Die gestattet ihm bis auf weiteres allerdings nur “Trockenübungen”. Heißt: Wasser(n), also landen auf Seen oder Flüssen, wofür seine “Uniform-Delta” eigentlich ausgelegt wurde, ist (noch) nicht. Das kommt später – aber natürlich nicht bei uns in Germanien. Solches ist hierzulande, wenn überhaupt, nur einem ganz kleinen Kreis Auserwählter an ganz wenigen Orten vorbehalten. Die betreiben den H2O-gestützten Flugspaß zudem kommerziell und sind peinlichst darauf bedacht, dass kein Außenstehender ihre Zirkel stört. Auf Sieg, Dill, Lahn oder den Heuchelheimer Seen darf der schwimmende Hochdecker natürlich erst Recht nicht herum dümpeln.
Also doch ein Projekt für nichts und wieder nichts, eines, das von Anfang an keine Zukunft hatte? Keineswegs. Sieben Flugstunden nördlich von Burbach darf sich der Verlagskaufmann am Ziel wähnen, im Paradies. Im an Seen reichen Schweden, genauer im Siljan-Airpark, 300 Kilometer nordwestlich von Stockholm gelegen, hat sich der 50-Jährige eine kleine Hütte nebst Hangar gebaut. Da wird er sich mit seiner neuen Flamme richtig austoben können. Die Skandinavier stehen der Wasserfliegerei auch weitaus aufgeschlossener gegenüber als die Bürokratie-versessenen Deutschen. Aber auch schon ein paar Kilometer weiter südlich von uns, jenseits der Alpen in Österreich, sieht die flugsportliche Aqua-Welt deutlich rosiger aus. Auf dem 3000 × 300 Meter kleinen Nordost-Teil des Wolfgangsees beispielsweise findet alljährlich ein großes international bestücktes Flugboot- und Wasserflugzeugtreffen, der Scalaria Air Challenge, statt.
Der nächste „Aqua-Bomber“ ist schon in Arbeit
Das wäre für den Neunkirchner ja auch eine Adresse erster Wahl. Zumal er schon, parallel und noch während sein aktuelles Baby sich gerade anschickt flügge zu werden, das nächste ehrgeizige, noch ambitioniertere Projekt auf dem Radar hat. Die Restaurierung einer “Twin-Bee”. Dabei handelt es sich um ein stattliches, zweimotoriges Wasserflugzeug von ausgesucht schnittigem Design. Jud hat zwei durch Unfall beschädigte Maschinen dieses Typs erworben um, aus zwei mach eins, aus den Wracks ein “neues” flugfähiges Exemplar entstehen zu lassen. Fünf Jahre (Um-)Bauzeit hat der Mann dafür schon mal von vornherein einkalkuliert. Spätestens dann soll das schnittige flotte Bienchen wieder summen.
Flugzeuge von der Stange sind sein Ding sowieso nicht. Etwas anspruchsvoller darf und muss es schon sein. Zwar steuert der erfahrene Pilot, der neben der Wasserflugberechtigung auch die Kunstflug- und Nachtfluglizenz in der Tasche hat, alles, was bei drei nicht auf den Bäumen ist, aber spannender erscheint es allemal, die Geräte, denen er sich anvertraut, selbst zusammen zu puzzeln. So hatte es Jud auch mit der Vorgängerin seines “Nass-Fliegers” gehalten. Zehn Jahre Bauzeit investierte er in seinen “Skybolt”, einen prächtigen, voll kunstflugtauglichen, drallen zweisitzigen Doppeldecker, der seit 2006 am deutschen Himmel zu Hause ist und von dem er sich nicht trennen mag. Der musste, um Platz für den Nachfolger zu machen, in Burbach weichen und wurde nach Altenburg ausgelagert, steht aber inzwischen in einer Halle auf der Breitscheider “Hub”. Analog zu den oft personalisierten Kfz-Nummernschildern lässt auch die amtliche Kennung dieser herrlichen, gelben Maschine auf den Namen des Eigners schließen: D-EJUD.