Die Deutschen Skydiver greifen nach den Sternen, oder besser, nach einem einzigen, einem mit 224 Zacken. Nationaler Formations-Weltrekordversuch über der Wüste Arizonas. Und sollte dieses spektakuläre Unternehmen glücken, wird auch ein klein wenig von dem Glanz auf die im Hessischen Breitscheid beheimateten Freifaller abstrahlen. Zwei der ihren sind mit von der rasant-luftigen Partie, erfahrene “Hasen”, die immer dann “Hier” rufen, wenn irgendwo auf der Welt eine besondere fallschirmsportliche Herausforderung wartet. Und das Projekt “Eloy 2014, benannt nach der im Pinal County eine Autostunde südlich von Phoenix gelegenen Kleinstadt, an deren nordwestlichen Rand sich das größte Sprungzentrum der Welt befindet, ist eine solche.
Uwe Haagen (59) und Eric Postlack (45) zählen bei den Breitscheider Springern zu den verlässlichen Größen. Ersterer ist über der “Hub” bereits aus dem Flugzeug gehüpft, als es “Skydive Westerwald” in seiner jetzigen Form noch gar nicht gab, während der Wirtschaftsberater aus Wetzlar erst 2012 dazu stieß und vorher bei den Kollegen in Lützellinden aktiv war. Apropos: Aus „Lüli“ kommt der dritte Mittelhessen im rasanten Bunde: Markus Gulder. Die drei Skygods”, wie die Jünger dieses Sports besonders erfahrene, routinierte und versierte Kollegen mit vielen Tausenden von Absprüngen zu nennen pflegen, haben nahezu schon alles durch, was diese variantenreiche Aero-Disziplin an Kicks und Abenteuern zu bieten hat. Und sie hatten in der Vergangenheit schon beim Zustandekommen anderer Bestleistungen ihre Hände mit im Spiel.
Rekordjäger und himmlische Pädagogen
Was sie neben der Suche nach immer neuen Herausforderungen antreibt, ist aber das Bestreben, dem Springer-Nachwuchs das erforderliche Rüstzeug für die Ausübung dieses Sports zu vermitteln. Die drei Herren stellen sie sich und ihr Know-How als Ausbilder in den Dienst ihrer Vereine in erster Linie als AFF-Lehrer für beschleunigte Freifallschulung. Und wenn da gerade mal Unterrichtspause ist, vertreibt sich der “Zwirbelbart”, wie Uwe Haagen, im Zivilberuf Baustellenleiter eines Gerüstbauunternehmens, von seinen Freunden genannt wird, als Tandemmaster die Zeit. Hunderte von Passagieren, die sich in den vergangenen Jahren über den Westerwälder Höhen ein paar Quadratmetern Nylonseide anvertraut hatten, hingen vor seiner Brust. Und das kann auch sein Lützellindener Kollege Gulder von sich behaupten. Der 34-jährige in Burgsolms wohnhafte Bauingenieur ist daneben ein begeisterter „Wingsuiter“, wie diese „Vogelmenschen“ in ihren charakteristischen etwas an Fledermäuse erinnernden Fluganzügen ja auch genannt werden.
Aber ab und an muss es, jenseits des normalen Springeralltags, schon mal etwas ganz Besonderes sein. Und da kam der Plan, eine neue nationale Weltbestleistung in Angriff zu nehmen, gerade recht. Die „Brutstätte“ solcher und ähnlicher ehrgeiziger Ideen liegt im Osten, in Eisenach-Kindel. Auf dem dortigen Verkehrslandeplatz betreiben die Kollegen von „Skydive Dädalus“ eines der größten Sprung- und Leistungszentren der Republik. Hier fanden unlängst auch die Deutschen Meisterschaften statt. http://www.rotorman.de/gold-silber-bronze-die-breitscheider-skydiver-sammelten-dm-medaillen-ein/
Großformationen in der Luft zu bilden, übt auf Fallschirmsportler seit jeher einen besonderen Reiz aus. Und auf diesem Feld hat sich in den letzten Jahrzehnten ungemein viel getan. Die Bestmarken purzelten im Jahrestakt. Als der legendäre Bad Camberger Kunstflugpilot Walter Eichhorn, damals noch als Springer unterwegs, Mitte der 70-er Jahre mit seinen “Vögeln” den ersten “10-er” Europas hinlegte, ging diese Nachricht um die Welt. Heute sind “himmlische Zusammenschlüsse” aus 150 Teilnehmern fast schon “normal”. Was darüber hinausgeht, lässt sich aus logistischen und organisatorischen Gründen hierzulande aber kaum mehr realisieren. Da müssen ambitionierte Rekordjäger ins Ausland ausweichen, beispielsweise nach Amerika.
Der aktuelle und offizielle Weltrekord liegt gar bei 400 Beteiligten, aufgestellt 2006 über Thailand. Er ist seitdem ungebrochen. Das war damals aber eine Angelegenheit von internationaler Dimension. Die Springer, die globale RW-Elite (RW = Relative Work), kamen aus allen Teilen der Welt. Im aktuellen Fall geht es jedoch um ein rein nationalen “Ding”. Heißt: Der Weltrekordversuch ist ausschließlich auf deutsche Athleten beschränkt. Und die “Germanskis” sind da in der Nationenwertung seit Jahren führend.
Solche ehrenvolle Einladungen bekommen nur die Besten
Mit einer Formation von 231 Personen hatten sie 2012, ebenfalls in Arizona, die nationale Weltbestleistung geschafft. Da das erklärte Ziel, ein 240-er-Stern hinzulegen, verfehlt wurde, wurde auch die 231-Marke nicht offiziell als Rekord anerkannt. Ein solcher muss vorher unter namentlicher Nennung und Zahl der Beteiligten angemeldet werden. Da ist das Reglement ziemlich streng und eindeutig. Haagen, Postlack und Gulder waren damals natürlich auch schon mit von der Partie. Die Teilnahme an einem solchen Event basiert auf dem Prinzip „Invitational Only“. Heißt: Man kann als Springer zwar sein Interesse bekunden, wird aber nur bei entsprechender Qualifikation (die sogenannten “Sektor-Captains” sind da über das Leistungsvermögen der Ihren ziemlich genau im Bilde) hinzugebeten, was natürlich für jeden, den es “trifft, eine besondere Ehre ist.
Und nun erst mal 224 deutsche Skydiver, die Händchen haltend am Himmel vereint der Erde entgegen rasen wollen. Das würde, auch wenn es zahlenmäßig hinter dem letzen Versuch zurück bleibt, aber dicke ausreichen, den Russen den offiziellen Nationen-Titel (201 Springer) abzujagen. Man/Frau arbeitet daran.
Ein großes Rad mit acht Blütenblättern
Ein derart ehrgeiziges Unterfangen setzt einegeneralstabsmäßige Planung voraus. Natürlich muss jeder Teilnehmer schon lange im Voraus ganz genau wissen, an welcher Position des riesigen, aus 224 Menschenleibern bestehenden Gebildes er wann und wie anzudocken und auszuharren hat. Dieses lebende Konstrukt ähnelt von seinem strukturellen Design her einer großen Blume oder einem Rad mit acht Blütenblättern bzw. Speichen, Sektoren genannt. Den inneren Ring, das Zentrum/die Radnabe bezeichnet man als Basis.
Es bedarf allein elf großräumiger Flugzeuge, um die Springer auf die erforderliche Höhe von mindestens 6.200 Metern zu bringen. In solchen Spähren wird der Sauerstoff schon recht knapp. Die Großfigur selbst braucht nur wenige Sekunden zu halten. Die Choreografie wird dezentral in kleineren Einheiten bereits am Boden trainiert, bis zum Abwinken, so lange, bis jeder seinen Part im Schlaf beherrscht. Vor Ort in Arizona, bleibt den Rekordjägern nicht viel Zeit zur Vorbereitung und Durchführung. Eine Woche, um genau zu sein, vom 17. bis 24. Oktober. Dann ist die Marke geknackt – oder halt nicht. Die drei Freunde sind, wie alle ihre anderen Kollegen auch, nur die Rädchen eines großen Getriebes. Es zählt die Summe des Ganzen. Die Kunst besteht in dem exakten Ineinandergreifen aller Komponenten. Der kleinste Fehlgriff eines Einzelnen, und das gesamte Unternehmen ist bzw. war für die Katz. Drücken wir ihnen feste die Daumen!
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