Von Jürgen Heimann
Das unerschrockene, von vermeintlich göttlichen Visionen beflügelte Bauernmädel wurde gerade mal 19 Jahre alt. Dann legte der Scharfrichter auf Geheiß der Engländer die Lunte an den Scheiterhaufen. Was übrig blieb, war ein Häufchen Asche. 20 Jahre später wurde daraus eine französische Nationalheldin und später sogar eine Heilige. Das kurze, bewegte und abenteuerliche Leben dieser bekanntesten Jungfrau des Abendlandes kommt nun als „JEANNE D’ARC – das Musical“ auf die Bühne. Eine Weltpremiere. Der Vorhang hebt sich am 25. Juni im Musicaltheater in Niedernhausen – 20 Autominuten von der Mainmetropole Frankfurt entfernt.Das Werk stammt aus der Feder der Musicaldarstellerin, Sängerin und Entertainerin Maricel (Wölk). Seit vielen Jahren beschäftigt sich die ägyptische Ex-Prinzessin mit der faszinierenden historischen Figur der Johanna von Orléans, wie dieses legendäre Fräulein ja eigentlich hieß. Dieses hatte im 100-jährigen Krieg zwischen Engländern und Franzmännern auf Seiten von letzteren eine nicht ganz unerhebliche Rolle gespielt.
Von der umtriebigen Künstlerin aus Hannover stammen nicht nur das Buch, sondern auch die Musik und die Texte, wobei die Songs teilweise in Kooperation mit Thomas Lange entstanden sind. Hier und da hatte Maricel in den vergangenen Jahren bei diversen Anlässen wie Solo-Konzerten oder Galas etwas durchschimmern lassen und den ein oder anderen Song aus ihrem Werk auf die Set-List gesetzt. Kleine Häppchen, die einiges erahnen ließen und Appetit auf mehr machten. Vor allem das Lied „Große Mädchen weinen nicht“ ist aus dem Holz geschnitzt, aus dem Hits erwachsen.
Spannende und mitreißende Partitur
Die Partitur ist spannend, abwechslungsreich, voller offenkundiger und versteckter Ohrwürmer. Gefühlvolle Balladen, packende, mitreißende Ensemblenummern, treibende Rhythmen, zarte, emotionale Melodielinien. Die Mystik des Mittealters verpackt in den Sound der Moderne. Zeitlose Arrangements jenseits kurzlebiger Trends. Keine vordergründige Effekthascherei, sondern nachhaltige Tonkunst mit Tiefgang zwischen Euphorie und Tragik.
Letztere liegt in der Storyline begründet. Es ist eine Geschichte, die von Leidenschaft und Liebe, Treue, Loyalität, politischen Intrigen und himmlischen Visionen handelt. Von Aufopferung, Verrat, Krieg und Blut. Sie beschreibt die beispiellose Karriere einer Magd, die es bis an die Spitze der französischen Armee schafft, sich in einer von Männern und Glaubenszwängen dominierten Welt behauptet und den englischen Besatzern in der Schlacht von Orleans zeigt, wo der Hammer hängt. Johanna verhilft dem Thronfolger zu Königswürden, doch als Charles VII wird diesem ihr Einfluss zu groß. Er lässt sie fallen. In unzähligen Filmen und Büchern beschrieben, gibt es nun mit dem Musical eine neue Erzählebene.
Regie führt Stanislav Moša. Der Tscheche ist „nebenbei“ Direktor und künstlerischer Leiter und Regisseur des Stadttheaters Brünn. Und von dort bringt er auch seinen „Kapellmeister“ mit: Dan Kalousek wird für diese Produktion das Musical-Orchestra Niedernhausen leiten.
Produzent Florian Willmanns („Ein wunderbarer Stoff“) ist zugleich geschäftsführender Gesellschafter der Rhein-Main-Entertainment, der das 1570 Besucher fassende Theater gehört. Mit dieser Inszenierung könnte die Stätte ihren zweiten Frühling erleben. Der 25 Millionen schwere Bau war 1995 errichtet worden, um dem Webber-Stück „Sunset Boulevard“ eine Heimstatt zu geben. Helen Schneider und Uwe Kröger zählten damals als Frontleute zur Premieren-Cast. Knapp zweieinhalb Jahre später wurde der Spielbetrieb nach 992 Vorstellungen wegen mangelnder Auslastung eingestellt. Das Theater wurde seitdem nur noch sporadisch für Tourneegastspiele oder andere Veranstaltungen genutzt. „JEANNE D’ARC“ wird hier die erste En-Suite-Produktion seitdem sein.
Das Stück soll zunächst einmal bis Ende des Jahres auf dem Spielplan stehen. Ist die Besucherzahl entsprechend – schon bei einer 39-prozentigen Auslastung wäre man im grünen Bereich – stünde einer Verlängerung bis Ende 2017 nichts im Wege. Aber der Produzent rechnet natürlich mit einer deutlich höheren Frequentierung.
1700 Darsteller bewarben sich um eine Rolle
1700 Darsteller hatten sich um eine Rolle – sieben große und 24 kleinere – beworben. 160 von ihnen gelangten in die engere Auswahl. Letztendlich wurde jeder Part dreifach besetzt. Bei der Produktion kommt hochmoderne 3D-Video-Technik zum Einsatz, wie sie beispielsweise auch in Filmen und US-Serien wie „Game of Thrones“ und „Der Hobbit“ genutzt wurde.
Ziel des Produzenten ist es, Niedernhausen wieder als Musicalstandort zu entwickeln und zu etablieren. Die Region ist dahingehend ja ein weißer Fleck auf der Landkarte. Die Platzhirsche röhren in Hamburg, Stuttgart, Köln, Berlin und Bochum. Auch von den Tarifen her läuft es auf eine Kampfansage an diese hinaus. Das preiswerteste Ticket soll 39 Euro kosten, während man für das teuerste Billett zu Spitzenzeiten 99 Euronen auf den Tisch wird legen müssen. Die Preisforderungen der großen Anbieter liegen beträchtlich darüber.
Weitere Infos zum neuen Musical hier: http://www.jeannedarc-musical.de/
NACHTRAG:
Denn erstens kommt es anders… Einen Monat später war der Traum ausgeträumt und spektakulär geplatzt. Der Produzent hatte sich offenbar finanziell verhoben sowie Zahlungsfristen und Verträge nicht eingehalten. Die Premiere wurde abgesagt. Aber zunächst nicht von ihm persönlich, sondern von den beteiligten Künstlern, die in den sozialen Medien darüber informierten und zudem verkündeten, der Verantwortliche sei abgetaucht. Mehr zu den Hintergründen hier: