Von Jürgen Heimann
Irgendwie kommen die deutschen Nimrods aller anderslautender Erfolgsmeldungen zum Trotz mit ihrer kommerziellen Balgverwertung nicht so richtig zu Potte. Der Plan, aus den Überresten erlegter Tiere zusätzliches Kapital zu schlagen, wird grandios scheitern. Kein Mensch will solche grenzwertigen, aus trüben, blutigen Quellen stammenden Produkte haben oder diese, einem Kainsmal gleich, spazieren tragen. Modischer Chic geht nämlich anders. Deshalb auch dürfte die Ende 2016 vom Deutschen Jagdverband und dem Landesjagdverband Baden-Württemberg aus der Taufe gehobene Fellwechsel GmbH ein tot geborenes Kind sein.
Die Beteiligten versuchen sich selbst und anderen allerdings einzureden, dass es sich dabei um ein Pilotprojekt mit Zukunft handelt. Das Interesse sei enorm, heißt es. Vielleicht ist es das sogar. Allerdings nur bei bei den Lodenträgern, nicht aber beim Konsumenten. In der Nähe von Rastatt in Baden-Württemberg wurde inzwischen eine zentrale Sammelstelle aufgebaut, die Anfang 2018 ihre Arbeit aufnehmen soll. Man hofft, hier zunächst bis zu 10.000 Tieren jährlich das Fell über die Ohren ziehen zu können, das dann in Gerbereien weiter verarbeitet werden soll. Solches von Fuchs, Waschbär, Iltis, Mink, Nutria und Marder, die entweder erschossen oder in Fallen “totgestreichelt” werden. Das ist gemessen an den Streckenzahlen eine bescheidene Zielmarke. Doch die Schlagzahl könnte erhöht werden, wenn das Business erst einmal boomt. Aber so weit wird es nicht kommen. Bundesweit sind inzwischen 50 Sammelstellen eingerichtet worden, in denen Jäger ihre Beute, die dort bis zum Weitertransport gekühlt zwischengelagert wird, abliefern können.
Zweifelhafte Produkte und steile Thesen
Entgegen aller mit Engels- bzw. Teufelszungen vorgetragener Beschwörungen stoßen die bewaffneten Grünröcke mit ihrer Initiative auf breite Skepsis und Ablehnung. Die Argumente, mit denen sie sich und ihr “Naturprodukt” schön zu reden versuchen, sind durchsichtig oder schlichtweg an den Borsten herbei gezogen. Das gilt vor allem auch für die kühne und steile These, in Deutschland steige die Nachfrage nach aus Echtfellen gefertigten Textilien.
Primitiv-Dialektik und Verbraucher-Verdummung
Der von ihnen vermarktete Rohstoff sei ökologisch korrekt und werde aus nachhaltiger, weil tierschutzgerechter Jagd generiert, sagen die organisierten Hobby- und Heckenschützen. Und aus freilaufender Bodenhaltung stammen die (natürlich) mit viel Liebe erlegten Vorbesitzer ja obendrein. Der Primitiv-Dialektik gibt es noch mehr. Dem Verbraucher versucht man weiszumachen, etwas Gutes für die jeweilige Region und den Artenschutz zu tun, wenn er Felle aus heimischer Jagd kaufe anstatt solche aus qualvollen Zuchten in Osteuropa oder Asien. Na, wenn das keine stechenden (Totschlags-)Argumente sind.
Meucheln aus Spaß im Namen des Artenschutzes
Das mit dem Artenschutz ist schon mal völliger Blödsinn. Keine der im Visier stehenden Raubsäugerarten hat es bislang geschafft, eine andere Spezies auszurotten. Die Gefahr, dass es dazu kommt, besteht auch nicht. Und wo und wie bitteschön soll die Region, in der es knallt, einen Vorteil daraus ziehen? Gut, oder eher nicht gut: Ein für das Lebendziel völlig überraschend kommender Schuss aus dem Hinterhalt bedeutet, so er “sauber” ausgeführt wird, für selbiges eine relativ kurze Leidenszeit. Da müssen die Artgenossen in asiatischen, polnischen oder dänischen Massenzuchtfarmen schon ganz andere Opfer bringen. Sie durchleiden, ehe sie abgemurkst werden, ein lebenslanges Martyrium. Reden wir nicht über die Qualen, die Tiere durchleiden, die in eine Totschlagsfalle oder ein Tellereisen tappen und dabei „nur“ verletzt bzw. verstümmelt werden. Sie warten dann mitunter tagelang auf die Erlösung.
Im finalen Ergebnis jedoch läuft alles aufs Gleiche raus. Tot ist tot. Tiere müssen bzw. sollen sterben, damit Menschen ihre kranken modischen Geschmacksverwirrungen ausleben können. Und damit diejenigen, die sie befriedigen bzw. wecken, damit noch Reibach machen. Zu behaupten, die eine Methode des Abschlachtens sei besser und “humaner” als die andere, ist pervertierte Rabulistik. Es gibt keine tierschutzgerechte Jagd und kein tierschutzgerechtes Töten jenseits von dieser.
Immer mehr Modeketten setzen Echtpelz auf den Index
Störfeuer kommt jetzt ausgerechnet aus Handel und Bekleidungsindustrie. Und das nicht erst seit gestern. Jetzt aber schießen auch noch die großen Modeketten und Fashion-Trendsetter quer und dagegen. Nach Armani hat unlängst auch Gucci verkündet, künftig auf die Verarbeitung von Echtpelzen verzichten zu wollen. Was insofern erstaunlich ist, da der Chefdesigner des Hauses noch im Winter 2015 propagiert hatte, mit Kängurupelz gefütterte Sandalen wären ein “must have”.
Hunderte Unternehmen haben sich in den vergangenen Jahren dem von einer Allianz international führender Tier- und Umweltschutzverbände initiierten “Fur-Free-Retailer-Programm” angeschlossen und die inkriminierte Ressource “Fell” auf den Index gesetzt. Darunter sind große Konzerne wie Hennes & Mauritz, C&A, Zalando, s.Oliver, Lee, O’Polo, Orsay, Tom Tailor, Wrangler, Zalando , Hugo und Zara. Aber auch große Discounter und Händler wie KIK, Lidl oder Aldi machen mit. Und seit neuestem auch die Yoox Net-A-porter-Group (YNAP). Deren Onlineportale Net-A-Porter, Mr Porter, Yoox oder The Outnet sind nun ebenfalls pelzfrei. Was die Unternehmen dazu bewogen hat? Sicherlich nicht nur Tierliebe oder Achtung vor der Schöpfung. Ethisch-moralische Überlegungen dürften die Entscheidungen weniger beeinflusst haben. Denn auch in diesem milliardenschweren, hart umkämpften Segment geht es in erster Linie um Umsatz und Marktanteile. Also um Kohle. Und da kann das „Pelzfrei“-Siegel durchaus verkaufs- und imagefördernd sein.
Die Stimmung kippt: Die Macht der Verbraucher
Wer trotzdem auf so etwas abfährt und nicht auf Haariges verzichten möchte, findet mit etwas Glück in einschlägigen, unabhängigen Einzelhandelsshops das Passende. Also in Geschäften, deren Betreibern moralische und ethische Skrupel dahingehend fremd sind. Oder die Kunden kramen in den Auslagen entsprechend sortierter “Fachhändler” auf den Hubertusmärkten, wie sie dieser Tage wieder landauf, landab stattfinden. Die Stimmung innerhalb der Käuferschaft dreht sich mehr und mehr. Teils aus moralischer Überzeugung, teils aber auch, weil es ziemlich uncool ist, sich mit solch grenzwertigem textilen Beiwerk zu schmücken. Davon mal abgesehen muss der- oder diejenige, der/die sich mit einer Nerz-Stola oder einer Zobeljacke, wahlweise einer Waschbärenmütze oder einem Fuchsmantel, durch die Fußgängerzone traut, mit Schmähungen rechnen. Was, wie einige Fälle belegen, noch die harmlosere Art entsprechender Unmutsbekundungen darstellt.
Die Tricks der Pelzindustrie
Dabei hatte man zuletzt den Eindruck gewinnen müssen, als sei es der Pelzlobby gelungen, Gewissensbisse und Zweifel ihrer Abnehmer zu zerstreuen bzw. klein zu reden. Da wurden Felle blau oder gelb gefärbt, geflochten, geschoren, gezupft oder als Patchwork verwurstelt. Der Kunde konnte kaum noch ausmachen, dass Tiere ihr Leben für diese außergewöhnlichen Kreationen hatten opfern müssen. Auch das Geschäft mit entsprechend gefertigten Accessoires, also Mützen, Kragen und Handtaschen mit Pelzbesatz usw., florierte. Noch im Jahr 2013/2014 wurden nach Auskunft des Deutschen Pelz-Instituts weltweit 87,2 Millionen Felle mit einem Gesamtwert von 3,7 Milliarden Euro verarbeitet. Allein 35 Millionen Nerzfelle kamen 2014 aus China. Und von diesem auch nach wie vor stattlichen Kuchen hoffen sich die deutschen Pirschgänger aktuell ein Stück abschneiden zu können. Wenn sie sich da mal nicht verkalkuliert haben….
Abenteuerliche verbale Klimmzüge
Die germanischen Hunter werden wohl auch künftig auf einem riesigen Berg nicht verwendbarer Felle sitzen bleiben, ohne sich freilich die Sinnfrage zu stellen. Bisher versuchten sie, das millionenfache Abschlachten von Wildtieren durch abenteuerliche verbale Klimmzüge zu rechtfertigen. Zumal ja im Tierschutzgesetz auch steht, dass keiner Kreatur ohne zwingenden Grund Schaden zugefügt werden darf. Diesen Grund hat jetzt die EU mit ihrer Todesliste zu verfolgender invasiver Arten nachgeliefert. Darauf stehen u.a. auch Waschbär, Nutria, Marderhund und Bisam. Was die “Heger” als verpflichtenden gesetzlichen Auftrag interpretieren, diesen Wesen noch exzessiver als bisher nach zu stellen. Und wenn’s dafür noch Kohle gibt, umso besser. Im Jagdjahr 2015/16 hatten die Flintenmänner und -frauen in vorauseilendem Gehorsam 128.103 Waschbären und 27.842 Marderhunden den Garaus gemacht. Hinzu kamen 466.168 erlegte Füchse und 43.137 Steinmarder. Die Kadaver wurden verbuddelt oder landeten in der Tierbeseitigungsanstalt.
Kunstpelze sind nur bedingt eine Lösung
In diesem Zusammenhang stellt sich folgende Frage: Sind Kunstpelze die Lösung? Jein! Abgesehen mal davon, dass es ethisch bedenklich sein mag, der Fellanmutung nachzueifern. Was schwerer wiegt: Nicht alles, was uns als Kunstfell verkauft wird, ist es tatsächlich auch. Die Stiftung Warentest hat herausgefunden, dass vor allem beim Besatz von Textilien (Kragen, Ärmel, Mützen, Handschuhfutter usw.) getäuscht wird. Diese Teile sind mitunter trotz gegenteiliger Etikettierung tierischen Ursprungs. Weil Echtfell unter Umständen durchaus preiswerter sein kann. Vor allem dann, wenn es von Marderhunden stammt, die in riesigen Farmen in China unter erbärmlichen Umständen gezüchtet und gehalten werden. Aus ihrem Fell lässt sich zwar kein Designermantel basteln, aber für einen Besatz reicht die Qualität allemal aus.
Die Wahl zwischen Qual und Fälschung
Übrigens: 80 Prozent aller weltweit vertriebenen Pelzprodukte, für die jährlich über 100 Millionen Tiere sterben müssen, kommen aus dem Reich der Mitte. Nebenbei werden hier jährlich auch mehr als zwei Millionen Katzen und hunderttausende Hunde erschlagen, erhängt und oft bei lebendigem Leib gehäutet, um ihre Felle verarbeiten zu können. Viele der Tiere lässt man ausbluten. Das ist produktschonender. Oder die Opfer werden, was besonders grausam und schmerzhaft ist, durch anale und genitale Elektroschocks gekillt. Auch dadurch lassen sich Schäden am Fell vermeiden. In Europa sind die Polen bei der Produktion führend. Hier existieren rund 800 Pleztierfarmen, in denen acht Millionen Tiere leiden. Es ahndelt sich überwiegend um Füchse. Derzeit gibt es Bestrebungen, diesen Sumpf des Leidens trocken zu legen und das profitable Geschäft zu verbieten. Die Tierrechtsorganisation PETA hat eine entsprechende Petitions-Initiative gestartet, um diese Aktion zu unterstützen. Eine solche ist auch in Dänemark längst überfällig. Die Skandinavier belegen Rang zwei in den Charts der größten europäischen Pelzproduzenten.
Wie man entsprechende Fälschungen erkennt? Pusten. Echtes Fell bewegt sich schon bei der leichtesten Brise, Kunstfell ist steifer. Anzünden: Echtes Fell zerfällt und riecht nach verbranntem Haar, Kunstpelz schmilzt zu Klümpchen und riecht nach Plastik. Gegen den Strich kämmen: Wer ein Fell gegen den Strich bürstet, sieht Leder, bei Kunstfell kommt Gewebe zum Vorschein. Gar nicht so schwer.
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