Die CeBIT 2015 ist gerettet! Die Herborner Firma Rittal ist wieder dabei. Gott und Loh sei Dank. Mir freue sich! Großes Aufatmen in Hannover. Sah es erst so als, als wolle der weltweit größte Hersteller von Schaltschanksystemen die weltweit größte Messe für Informationstechnik erneut boykottieren, kommt jetzt Entwarnung vom Stützelberg. “Wir sind wieder dabei!”. Das vermeldet die Lahn-Dill-Presse. Und das, wie immer, wenn es um Rittal geht, in (unverhältnismäßig) großer Aufmachung. Diese wichtige Nachricht, die sich, was Relevanz und Bedeutungsschwere für die hiesige Leserschaft angeht, ein verbissenes Kopf-an-Kopf-Rennen mit dem jüngst in China umgefallen Sack Reis liefert, war der investigativen Mittelhessen-Journaille einen satten 5-spalter wert. In 106 Druckzeilen wird ausgewalzt, was das Herborner Unternehmen letztendlich dazu bewogen hat, nun doch wieder an der Leine Flagge zu zeigen, um seine Produktneuheiten dort zu präsentieren.
Wohl auf vielfachen Wunsch wurde ein inhaltlich identischer, gleich langer Bericht drei Tage danach in anderer Aufmachung ein zweites Mal veröffentlicht – in der Sonntagsbeilage “Kompakt”. In beiden Fällen mit einem großen Foto, das den Firmenchef gemeinsam mit Bundeskanzlerin Angela Merkel am Rittal-Messestand der CeBIT 2010 zeigt. Der damalige spanische Ministerpräsident José Luis Rodriguez Zapatero hatte sich da auch mit ins Bild geschlichen, war aber nur Deko. Mag ja sein, dass die vielseitig interessierte Regierungs-Chefin vielleicht glaubt, in Schaltschränken würden 36-Gang-Schaltungen für Mountainbikes gelagert, aber das steht auf einem anderen Blatt und so auch nicht in diesem.
Gut, diese historische Aufnahme ist jetzt nicht gleich um die Welt gegangen, dürfte den Lesern der Zeitungsgruppe Lahn-Dill aber in den vergangenen Jahren gefühlte 20 mal zum Früh- oder Spätstück serviert worden sein. Und weil mit DILL-ZEITUNG, HERBORNER ECHO und HAIGERER KURIER inzwischen auch die letzte wackere Konkurrenz im nördlichen LDK-Land aus- und gleichgeschaltet worden ist, kommen jetzt auch deren Abonnenten in den Genuss solcher und ähnlicher exquisiter News aus der regional-wirtschaftlichen Regenbogen-Ecke.
Und das war erst der Anfang
Rittal hatte die CeBIT im vergangenen Jahr gemieden, weil dem Unternehmen der zugewiesene Hallenstandort für seinen Messestand nicht passte. Jetzt lockt ein exponierterer Platz – und alles wird gut. Aber: Kommando zurück. Das mit den 106 Zeilen (siehe oben) ist nicht ganz korrekt. Es waren nur 100. Immerhin sechs Zeilen widmet der verantwortliche Redakteur in seinem Artikel der Tatsache, dass mit dem Angelburger Softwarehersteller “Actiware” eine zweite Firma aus dem heimischen Industrie- und Handelskammerbezirk in Hannover präsent ist. Das nenne ich mal einen gesunden, ausgewogenen Proporz! Der Mann hat sich eine Gehaltszulage verdient, zumal es sich hier, der Bedeutung des Themas angemessen, ja auch um einen namentlich gekennzeichneten Autorenartikel gehandelt hat. Pulitzerpreis-Verdächtiges sollte man nie hinter einem nichtsagenden, profanen Kürzel verstecken. Ehre, wem Ehre gebührt!
Aber es steht (wieder und weiter) zu befürchten, dass das nur der Anfang war. Das Jahr 2015 ist ja noch jung. Zwischen drei und fünf mehrspaltige, von viel Empathie und Euphorie getragene und durchdrungene Artikel pro Monate über Rittal und dessen Milliarden-schweren Chef sind die Regel, nicht die Ausnahme. Und seien sie thematisch noch so belanglos. Trommeln gehört halt zum Geschäft. Hier erst Recht. In dieser Auflistung sind die jene Ausreißer, die sich um Tarifkämpfe, vorenthaltene Arbeitnehmerrechte, Arbeitsbedingungen, Arbeitsgerichtsprozesse oder, welch Frevel, Arbeitsniederlegungen drehen, nicht enthalten. Die gibt es auch, aber seltener und meist erst dann, wenn sie sich nicht mehr unter der Decke halten lassen. Sie fallen jedoch umfänglich meist deutlich bescheidener aus. Es ist halt einfacher und bequemer, sich mit den Mächtigen und Reichen zu arrangieren und gut zu stellen, als das Lied der Schwachen zu singen.
Hofierend, unterwürfig, unkritisch
Vordergründig ist es die Pressestelle des Unternehmens, die so überauserfolgreich agiert, auch wenn deren Mitarbeiter mitunter schneller wechseln als meine Tante Frieda es mit ihren Schlüpfern zu tun pflegt. Sei es drum, dass es sich um den größten Arbeitgeber der Region handelt. Es gibt kein zweites Unternehmen, das von den Wetzlar-Druck angeschlossenen Gazetten so penetrant hofiert wird wie die Loh-Group und deren erfolgsverwöhnte Schwester auf dem Stützelberg. Ein Schelm, der Schlechtes dabei denkt.
Ob es da irgendwelche wirtschaftlichen Verbindungen bzw. Geschäftsbeziehungen in Form von lukrativen Druckaufträgen gibt, auf die es bei der Außendarstellung generell Rücksicht zu nehmen gilt? Nix Genaues weiß man nicht. Muss nicht so sein, könnte aber. Irgendeine Erklärung für diesen einem vorauseilenden Gehorsam geschuldeten, peinlichen Ergebenheits-Journalismus muss es ja geben. Und der Chef eines alteingesessenen, in dieser Form aber nicht mehr existierenden heimischen Verlagshauses hatte seinen Redakteuren vor Jahren schon mit Konsequenzen gedroht, sollten diese etwas Negatives über das Unternehmen in Herborn schreiben. Ihm selbst und seinen Leuten hat es mittelfristig wenig genützt, zumal andere den Schmuse- und Kuschelkurs damals schon wesentlich besser drauf hatten und heute noch haben. Das geht letztlich natürlich zu Lasten der Glaubwürdigkeit und der Akzeptanz.