Mit den beiden Meisterpiloten aus Bad Camberg hat das Eichhorn nur den Namen gemein. Aber gebräuchlich ist ja sowieso die verniedlichende Variante, also Eichhörnchen. Und diese putzigen Nager mit den süßen Knopfaugen gelten fast schon als „Everybodys Darling“. Wir mögen sie, ob ihres süßen Aussehens und drolligen Verhaltens. Dabei haben diese Katteker durchaus auch ihren dunklen Seiten.
Sie neigen zwecks Ergänzung des Speiseplanes schon mal zur Nesträuberei und vergreifen sich an den Gelegen der ornithologischen Fraktion. Was der Mensch aber geflissentlich verdrängt – oder ganz einfach nicht wissen will. Das könnte ja den Nimbus der unbefleckten, harmlosen Unschuld, der diesen quirligenTieren anhaftet, zerstören. Elstern beispielsweise bedienen sich ja auch gerne an und in der Kinderstube ihrer gefiederten Nachbarn, was wir diesen schwarz-weißen Räubern auch extrem übel nehmen. Sie stehen auf unserer Sympathie Skala deshalb ziemlich weit unten.
Als Kulturfolger haben sich diese Eichkatzen in der Nähe des Homo Sapiens häuslich eingerichtet. Man trifft sie in vielen Privatgärten und öffentlichen Parkanlagen, wo sie mit ihrer wilden, übermütigen Herumtollerei und ihren ulkigen Tischmanieren für bestes Entertainment sorgen. Wer es geschickt und mit der gebotenen Zurückhaltung anstellt, den belohnen sie mit Zutraulichkeit und fressen nach anfänglichem Zögern durchaus auch schon mal aus der Hand. Das hingehaltene Leckerli in Gestalt einer Nuss hat doch eine magische Anziehungskraft. Wer will da widerstehen?
Schwanzlastig
Für Fotografen sind diese possierlichen Allesfresser ein unerschöpflicher Motivquell. Egal welche Pose, meist ist die eingefangene Momentaufnahme von geradezu schnurriger Ergötzlichkeit. Man sagt den zwischen hellrot und braun-schwarz tendierenden Sohlegängern auch eine gewisse Schwanzlastigkeit nach. Ihre zwischen 15 und 20 Zentimeter lange Rute ist für ihre ganz spezifische Art der Fortbewegungsmotorik von auschlaggebender Bedeutung. Sie dient beim Klettern als Balancierhilfe und beim Springen als Steuerruder, wobei Distanzen von vier bis fünf Metern mühelos überbrückt werden. Von der in der Antike verbreiteten Ansicht, dass sich Eichhörnchen mit ihrem Schwanz selbst Schatten geben könnten, stammt ihr griechischer (in die wissenschaftliche Gattungsbezeichnung eingegangener) Name, der übersetzt nichts anderes als „Schattenschwanz“ bedeutet.
Skydiving im Wald
Und dieser buschige Bürzel ist eine richtige Vielzweckwaffe und nebenbei noch zu etwas ganz anderem gut. Er wird wie ein Fallschirm zum Abbremsen des freien Falls eingesetzt, sollte es sich als zwingend erweisen, dass sich die Tiere auf der Flucht vor Feinden von hohen Bäumen stürzen. Ein Szenario, das wieder einmal die Genialität und den Einfallsreichtum unserer Schöpfung unterstreicht. Zu den natürlichen Feinden der Familie „Sciurus“ zählen übrigens Uhu, Habicht, Mäusebussard, Katze, Wiesel und Baummarder. Letzterer beispielsweise macht aber nur dann einen Stich, wenn er seine Beute im Schlaf überraschen kann. Ansonsten sind die tagaktiven Hörnchen dem Räuber in Punkto Schnelligkeit und Wendigkeit haushoch überlegen. Hat es ein Greifvogel auf sie abgesehen, wenden die Nager eine ganz andere Taktik an. Sie pesen in schnellen kreisenden Bewegungen um einen Baumstamm herum, was den Feind in der Luft völlig wuschig macht und aus dem Konzept bringt.
Jump & Run
Und diese Fähigkeiten reizen die Eichkätzchen bis zum Exzess aus, wenn sie auf Freiersfüßen huschen. Sie und Er liefern sich, und das gehört zum spielerischen Balzritual, tagelang spannende, halsbrecherische Verfolgungsjagden zu Boden und in der Luft, bis die Holde den Galan dann endlich erhört. Die traute Zweisamkeit in Folge ist freilich nur von kurzer Dauer. Schon bald danach räumt das Männchen das Feld und hält Ausschau nach einer neuen Partnerin. Mit der Aufzucht der Jungen hat es nichts zu tun. Andere Baustelle.
Temporäre Amnesie
Davon dass Eichhörnchen partiell zu Alzheimer neigen, profitiert ihr Umfeld. Weil der nächste Winter ja garantiert kommt, legen sie im Herbst aus Beeren, Nüssen, Früchten und Samen bestehende Essensvorräte an, die meist im Boden verbuddelt oder in Astgabeln und Rindenpalten abgelegt werden. Nur erinnern sich die Sammler später nicht mehr an alle diese Verstecke. Temporäre Amnesie. Die Samen beginnen im Frühjahr zu keimen. Deshalb spricht man den Eichhörnchen eine wichtige Rolle bei der Erneuerung und Verjüngung des Waldes zu.
Ungemach droht den Europäischen Eichhörnchen jetzt von der buckeligen Verwandtschaft aus Amerika – den Grauhörnchen. 1859 waren in England 350 Exemplare davon ausgesetzt worden. Der Beginn eines gnadenlosen Verdrängungskampfes. Die Vettern aus Yankee-Land haben sich seitdem explosionsartig vermehrt und den bisherigen „Platzhirschen“ den Heimvorteil erfolgreich streitig gemacht. Vielerorts gibt es bei den Tommies gar keine Eichhörnchen mehr. Die „Grauen“ sind größer, kräftiger, robuster gegen Krankheiten und pflanzen sich schneller fort. Mittlerweile sind erste Invasoren in Norddeutschland gesichtet worden. Da werden sich unsere Freunde wohl warm anziehen müssen.
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