Von Jürgen Heimann
Neun Tage lang hing der Himmel über Hirzenhain voller Geigen, pardon, Segelflieger. Aber das auch nur temporär. Dann hatten sich die schnittigen Glider wieder zerstreut. Zwar nicht in alle Winde, aber doch in einen Bereich jenseits des überschaubaren Horizonts. Und die weißen Vögel fraßen Kilometer, mehr als 69.000. 47 Piloten aus allen Teilen Deutschlands hatte sich auf dem Sonderlandeplatz des hiesigen SFC „HiHai“ zum friedlichen Kräftemessen eingefunden. Es ging um die Qualifikation für die Deutschen Segelflugmeisterschaften der Junioren in 2023; der Ort bzw Flugplatz für die Meisterschaft steht noch nicht fest. 19 von ihnen sollten am Ende ihr Ticket für diesen großen nationalen Wettbewerb in der Tasche haben. Drei weitere Qualifikationen fanden bereits in Brandenburg, Grefrath und Landau statt.
Die Tagesaufgaben sahen jeweils Streckenflüge zwischen 125 und 363 Kilometern vor. Die Wendepunkte unterwegs waren genau vorgegeben und wurden anhand der GPS-Daten dokumentiert.
Im Durchschnitt hatten die Piloten zwischen 74 und 120 km/h auf dem Tacho. Fünf Motorschleppmaschinen hievten sie und ihr Fluggerät binnen kürzester Zeit (1,5 Stunden) auf Abflughöhe. Und dann hieß es „Tschüß. See you later“. Nicht alle schafften es immer wieder bis zurück nach Hirzenhain, vier Pechvögel hatten das Nachsehen. Ihnen ging unterwegs die Puste aus. Aber Außenlandungen sind etwas, was alle Wettbewerbsflieger beherrschen müssen. In solchen Fällen gibt’s dann jeweils Arbeit für die Rückholmannschaften. Damit es denen auch nicht langweilig wird.
Im Segelflug unterscheidet man 8 verschiedene FAI-Wettbewerbsklassen: Offene, Standard-, 15-Meter-, Doppelsitzer-, Club- und 13,5-Meter-Klasse und die 18m Klasse. In Hirzenhain waren die Standard- und die Club-Familie unter sich. 19 Teilnehmer zählten zu ersterer, 28 zur zweiten Kategorie. Heuer sind nahezu alle diese Flugzeuge aus Glasfaserverbundstoffen hergestellt. Winglets an den Flügelenden sind fast schon obligatorisch. In früheren Jahren dominierte der Werkstoff Holz, die Flugzeuge waren leichter hatten aber nicht die guten Gleit-Eigenschafften wie die schnittigen Segler heute. Typische Vertreter der Standardkategorie sind beispielsweise LS 8, Discus 2 und ASW 24. Sie haben in der Regel eine Flügelspannweite von 15 Metern und verfügen meist über Einziehfahrwerke. Im Gegensatz zur Club-Fraktion dürfen sie auf Wettflügen abwerfbaren Wasserballast mit führen. Welche Flugzeuge zu den „Clubis“ zählen, wird ausschließlich durch ihre Leistungsfähigkeit definiert. Gemäß einer Richtlinie des Deutschen Aero-Clubs gehören alle Segler mit einem Leistungsindex bis 106 dazu. Gängige Modelle dieser Kategorie sind LS 4, ASW 20, DG 300, Discus, ASW 19 und LS 1.
Für den gastgebenden Segelflieger-Club Hirzenhain, der im nächsten Jahr sein 100-jähriges Vereinsjubiläum begeht, war dieser “Lahn-Dill-Bergland Cup” genannte Wettbewerb natürlich auch eine logistische Herausforderung. So viele Gäste wollen betreut, gebrieft, verpflegt und untergebracht werden. Doch Wettbewerbsleiter: Tobias Nickel, Sportleiter Jan-Frederic Müller, Chef-Meteorologe Bernd Fischer, Auswerter Tim Schneider sowie ihre Kollegen/-innen aus den Abteilungen Catering und Starthilfe ließen sich da nicht lumpen.
Nach neun Tagen und fünf Wertungsflügen stand in der Standardklasse Jan-Lucas Aberle vom Aeroclub Stuttgart zuoberst auf dem Siegertreppchen. „Silber“ holte hier Hannes Friederritzi vom LSC Oeventrop, Dritter wurde Paul Schwarz (Lsr Aalen). Die Clubklasse dominierten Felix Kries vom AC Pirmasens (1. Platz) Steffen Rogoll (AC Idar-Oberstein) und Paul Gliwitzky (Ac Rhein-Nahe). Flieger, grüßt uns die Sonne!