Von Jürgen Heimann
Von passionierten Suizid‘lern mal abgesehen kann es sich der Mensch in der Regel nicht aussuchen, wann und auf welche Weise er diese Erde verlässt. Gevatter Tod ist ein ziemlich launischer und unberechenbarer Geselle und lässt sich sowieso nur in den seltensten Fällen ins Handwerk pfuschen. Falls möglich, geht man dem Sensenmann deshalb am besten aus dem Weg. Gelingt aber nicht immer – und dauerhaft schon gar nicht. Nun gibt es für den finalen Abgang zig Methoden. Plötzliche, schmerzhafte, solche nach Schema X und ja, das auch, ziemlich außergewöhnliche. Richtig Spaß machen sie alle nicht. Was sowohl für die unmittelbar davon Betroffenen wie auch ihre trauernden Angehörigen gilt. Aber der Kreativität sind in dieser Hinsicht keine Grenzen gesetzt. Obwohl die in den meisten Fällen weniger das Ergebnis eines bewusst und selbst gesteuerten Prozesses ist.
Für den Vorgang selbst gibt es die unterschiedlichsten Bezeichnungen: Man oder frau kann den Löffel abgeben, über den Jordan gehen, das Zeitliche segnen, das Gemüse von unten betrachten oder in die ewigen Jagdgründe Einzug halten. Alternativ hüpfen die Kandidaten in die Kiste, klopfen an Petru’s Tür, beißen ins Gras, bauen einen Flachmann oder finden den Tod – obwohl sie den gar nicht gesucht haben. Da gibt es die unterschiedlichsten Möglichkeiten. Und die Überlebenden wundern sich schwer, auf was für schräge Ideen da mancher kommt bzw. kam.
Das ging, was historisch belegt ist, schon in der Antike los. Drakon, ein athenischer Gesetzesreformer, erstickte 620 v.Chr. unter einem Berg von Mänteln und Hüten, die Bürger in einem Theater auf ihn geworfen hatten. Als Ausdruck ihrer Dankbarkeit. 165 Jahre später erwischte es den großen Tragödiendichter Aeschylus. Er wurde von einer Schildkröte erschlagen, die ein über ihn hinweg segelnder Greifvogel hatte fallen lassen. Ironie der Geschichte: Der griechische Poet hatte sich zu diesem Zeitpunkt nur deshalb im Freien aufgehalten, weil eine Prophezeiung ihn vor herabfallenden Gegenständen in geschlossenen Räumen gewarnt hatte. Behauptet zumindest Plinius der Ältere. In der griechischen Mythologie gibt es ja eine Dame namens Atropos. Das war eine der drei Schicksalsgöttinnen, zuständig für die Art und Weise, wie die Menschen zu Tode kommen sollten. Die Lady war dahingehend nie um originelle Einfälle verlegen.
Der Philosoph, der sich totlachte
Der Philosoph Chrysippos con Soloi soll nicht der Einzige gewesen sein, der sich im wahrsten Sinne des Wortes totgelacht hat. Er verendete 206. v.Chr. an einem Lachanfall, ausgelöst durch einen alkoholisierten Esel. Ein ähnliches Schicksal ereilte anno 1410 den König von Aragòn. Was Maddin I. so witzig gefunden hatte, ist jedoch nicht überliefert. Das weiß man auch bei Pietro Arentino nicht. Der italienische Schriftsteller prustete sich 1556 ins Jenseits. Aber irgendetwas muss da schon zum Brüllen komisch gewesen sein.
Ein Platz ziemlich weit oben auf der Hitliste skurriler Todesursachen gebührt auf jeden Fall Hans Staininger. Der war mal Stadthauptmann in Braunau. 1597 stolperte der Österreicher während eines Feueralarms auf der Treppe über seinen fast eineinhalb Meter langen Bart und brach sich das Genick. Normalerweise trug er seine kapitale Fellfresse zusammengerollt in seiner Brusttasche spazieren. An diesem Tag dummerweise nicht. Drei-Tage-Bärte kamen erst viel später in Mode. Damit wäre so etwas nicht passiert.
Ein böses Ende für Karl den Bösen
Der amerikanische Unabhängigkeitskämpfer James Otis soll wiederholt gegenüber Freunden und Verwandten erklärt haben, dass er, wenn schon, dann durch einen Blitzschlag sterben wolle. Dieser Wunsch ging 1783 in Erfüllung. Heiß her ging es auch bei Karl II., genannt „der Böse“. Der King von Navarra hatte ein Faible für einen guten Tropfen und ließ sich jeden Abend in mit Weinbrand getränkte Tücher einwickeln – angeblich aus rein therapeutischen Gründen. Ein Diener kam den hochprozentigen Bandagen mit einer Kerze versehentlich zu nahe. Der selig Schlafende fing Feuer und verbrannte. Was die These des Blauen Kreuzes stützt, dass aus Alkohol nix Gutes erwachsen kann, weil den Schnaps schließlich der Teufel gemacht hat. Bei Gersten- und gegorenem Rebensaft sieht es ähnlich aus.
Weinselige Exekution, ertrunken im Bier
Der 1. Duke of Clarence war 1478 einer der wenigen, der, zum Tode verurteilt, die Art seines Ablebens selbst bestimmen durfte. George Plantagenet entschied sich dafür, in einem Fass Malvasierwein ertränkt zu werden. Zum Wohl! Nicht ganz freiwillig hatten im Oktober 1814 die Bewohner der Tottenham Court Road in London gehörig einen über den Durst getrunken. Nach einem Unfall in der Meux and Company Brauerei, auf deren ehemaligem Gelände sich heute das Dominion-Theater befindet, hatten 1,5 Millionen Liter auslaufenden Biers das Slumviertel geflutet und die engen Gassen in einen reißenden Fluss verwandelt. Acht Menschen ertranken oder wurden von mitgerissenen Trümmerteilen zerquetscht.
Jasper Newton „Jack“ Daniel, dem Erfinder des gleichnamigen Tennessee-Whiskeys, wurde zwar nicht sein eigenes Gesöff zum Verhängnis, aber sein aufbrausendes Wesen. Als der Destille-Häuptling aus Tennessee morgens seinen Safe öffnen wollte, hatte er sich nicht mehr an die Kombination erinnern können. Der Mann wurde daraufhin so wütend, dass er mit voller Wucht gegen den Geldschrank trat und sich dabei einen Zeh verletzte. Er starb in Folge an einer Blut-, nicht an einer Alkoholvergiftung.
Zwischen Beinbruch und Ponyhof
Und Bela I. hätte mal besser dreimal auf Holz klopfen sollen, ehe er auf den Regentenstuhl kletterte. Der hölzerne Thron brach unter seinem Gewicht zusammen. Der König von Ungarn brach sich dabei den Hals. Das war schon 1063 der Fall. Aber bereits in den Jahren vorher und nachher kam es weltweit zu den absonderlichsten Pleiten, Pech und Pannen, die jedoch alle eines gemein hatten: Die Protagonisten überlebten sie nicht. Das Leben ist schließlich kein Ponyhof und der Tod ist kein Beinbruch. So hieß einmal eine für den Grimme-Preis nominierte WDR-Miniserie um zwei abgedrehte Schwestern, die ein Bestattungsinstitut geerbt hatten. Möglicherweise hat sich der Drehbuchschreiber hier und da durch die Vielzahl historischer Begebenheiten mit final tödlichem Ausgang inspirieren lassen. Ganz sicher galt das für die Macher der vierstaffeligen und 74 Folgen beinhaltenden Doku-Soap “1000 Wege, ins Gras zu beißen”, die zwischen 2008 und 2012 produziert und auch von DMAX ausgestrahlt worden war. Auch sie konnten aus dem Vollen schöpfen.
Musiker leben auf gefährlichem Fuß
Musiker haben schon zu allen Zeiten gefährlich gelebt. Und das lag nicht nur an Sex, Drugs und Rock ‘n’ Roll. Jean-Baptiste Lully, der oberste Hofdudler des französischen Sonnenkönigs, war von seiner eigenen Klangkunst so begeistert, dass er sich während eines Konzerts in Ekstase seinen mannshohen Taktstock in den Fuß rammte. Der Maestro starb in Folge an Wundbrand. Das hätte Freddie Mercury auch passieren können. Der charismatische Queen-Frontmann pflegte auf der Bühne ja gerne mit dem Mikroständer zu jonglieren, um sich diesen wie einen Phallus vors Gemächt zu halten. Der Sänger verreckte bekanntermaßen aber letztlich an etwas anderem. Wie auch Mike Edwards, der Cellist des Electric Light Orchestra. Dem damals 62-Jährigen sollte 2010 ein 600 Kilogramm schwerer Heuballen zum Verhängnis werden, der von einem Hügel auf die Straße gerollt war und sein Auto gerammt hatte.
Während Sado, der Kronprinz von Korea, 1762 in einer Reiskiste verdurstete, in die ihn seine Gegner eingeschlossen hatten, fraß sich Adolf Friedrich, der König des schwedischen Knäckebrotreiches, neun Jahre später förmlich zu Tode. Seine Henkersmahlzeit bestand aus Unmengen an Hummer, Kaviar, Sauerkraut, Räucherhering und Champagner, mit dem der gekrönte Nimmersatt zum Abschluss der bescheidenen Mahlzeit noch 14 Portionen seines in heißer Milch servierten Lieblingsdesserts herunterspülte. Der letzte Schluck muss wohl schlecht gewesen sein.
Wie man sich um Kopf und Kragen redet
Wenig Vertrauen in die Kunst der Urologen seiner Zeit hatte Gouverneur Morris, ein amerikanischer Politiker, der zu den Gründervätern der Vereinigten Staaten zählte. Um eine Verstopfung zu lösen, hatte sich der Senator 1816 selbst das Stück eines Walknochens in die Harnröhre getrieben. Ein Selfmademan im wahrsten Sinne des Wortes. Er starb an inneren Verletzungen. Überhaupt macht den Amis, was unorthodoxe Todesursachen und -umstände anbelangt, so schnell keiner was vor. Bestes Beispiel dafür ist bzw. war William Henry Harrison. Nach seiner Wahl zum US-Präsidenten hatte es der Mann mit seiner Inaugurationsansprache etwas übertrieben und über zwei Stunden lang gelabert. Und sich dabei prompt eine tödlich verlaufene Lungenentzündung eingehandelt. Daher rührt auch die Redewendung “sich um Kopf und Kragen reden”. Sein aktueller amtierender Nachfolger ist auf dem besten Wege, das auch zu tun.
Selbstverbrennung mit Zigarettenkippe
Aber die Damen haben es dahingehend auch voll drauf. Mathilde von Österreich-Teschen, Mitglied des österreichischen Herrscherhauses Habsburg-Lothringen, zog sich 1867 lebensbeendende Verbrennungen zu, nachdem ihr Kleid Feuer gefangen hatte. Die Frau hatte heimlich geraucht und, als ihr Vater auftauchte, die brennende Zigarette in ihrem kleidsamen wallenden Textil verschwinden lassen. Da sieht man/frau mal wieder, zu welchen Auswüchsen die Diskriminierung von Nikotinfreunden führt – damals wie heute. Eine Geschlechtsgenossin von Tildchen, Isadora Duncan, brach sich 60 Jahre später in Nizza das Genick. Und zwar deshalb, weil sich ihr Schal in den Radspeichen eines Automobils verfangen hatte. Bei der Anfahrt hatte sich die Ausdrucks-Tänzerin dann einen Ruck gegeben. Diese Tragödie muss auch auf Ödön von Horvath bleibenden Eindruck gemacht haben. Der abergläubische deutsch-ungarische Schriftsteller, der grundsätzlich keine Fahrstühle benutzte, lehnte das Angebot eines befreundeten Regisseurs, ihn mit dem Wagen ins Hotel zu bringen, dankend ab. Das sei zu gefährlich. Auf dem Fußweg nach Hause wurde er von einem vom Baum herabfallenden Ast erschlagen.
Auch der US-amerikanische Schriftsteller Tennessee Williams mag sich sein Ende etwas anders vorgestellt haben. Der Autor erstickte in einem New Yorker Hotel an der Verschlusskappe eines Fläschchens, aus dem er sich Augentropfen in die Optik geträufelt hatte. Vermutlich hatte er während dieses Vorgangs beim Zurücklehnen das Plastikteil im Mund behalten.
Ein ziemlich beschissenes Ende
Noch ein paar weitere Kabinettstücke aus der Trickkiste des Schnitters: Der australische Tierfilmer Steve Irwin nahm 2006 bei Unterwasseraufnahmen seinen letzten Zug aus der Pressluftflasche, nachdem ihm ein Rochen seinen Stachel ins Herz gespießt hatte. Vier Jahre zuvor hatte sich ein 43-jähriger Diplom-Ingenieur von einem aus Essen stammenden Computertechniker töten und teilweise verspeisen lassen. Angeblich auf eigenen Wunsch. Der Gourmet schrieb als “Kannibale von Rothenburg” Kriminalgeschichte. Er könnte im Dezember dieses Jahres aus der Haft entlassen werden. Und Arius, der Presbyter von Alexandria, hatte sich 336 n. Chr. auf dem Kaiserforum in Konstantinopel sogar zu Tode geschissen. Der Extremdurchfall, während dessen der arme Tropf sogar seine Eingeweide ausschied, war vermutlich durch eine Vergiftung ausgelöst worden. Keine Frage: Es gibt angenehmere und appetitlichere Möglichkeiten und Rahmenbedingungen, um “Freund Hein” zu begegnen. Beispielsweise 99jährig in den Armen von Miss Universum in der mit Champagner gefüllten Badewanne eines 5-Sterne-Hotel an der Cote d Azur, während im Fernsehen gerade zum gefühlten hundertsten Male Mission Impossible läuft….