Rotorman's Blog

Wer bist “Du-Den(n)”? Wo stumpfe Edelfedern
im Sprachsumpf nach Luft schnappen

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Das kommt dabei heraus, wenn Lokaljournalisten Texte veredeln. Kaum zu glauben, wie viel sprachlicher, stilistischer und grammatikalischer Mist sich in 46 Druckzeilen packen lässt.

Von Jürgen Heimann

Moment mal! Was (so alles) im “Blättchen”, also in der Zeitung steht, ist ja nicht original. Es ist gefiltert, be- und verarbeitet, aufgehübscht, oft geschönt, oft aber auch kaputt redigiert. Dafür sind (eigentlich) die Redakteure zuständig. Denn: Die wollen ja auch was zu tun haben – wenn sie schon sonst keine aufregenden Geschichten an Land ziehen. Solche und weniger aufregende kommen fast automatisch rein. Dafür sind die schlecht honorierten freien Mitarbeiter zuständig. Sie halten das Blatt am Leben. Ohne sie wären die Fotos noch viel größer, als sie es eh schon sind. Nein, man hegt in den redaktionellen Schreibstuben der Provinz zwar (längst) keine Ambitionen (mehr), aber die Blöße, dem Leser in Ermangelung geeigneten Lesestoffs statt eines nichtssagenden Berichtes über den Duisburger Zoobesuch der Uckersdorfer Landfrauen einfach einmal eine freie weiße Stelle, die dann aber auch wirklich fehlerfrei wäre, zuzumuten, will man sich denn doch nicht geben. Doch auch ohne das gibt es in der Postille meines Vertrauens, dem Zentralorgan für kreative Geistesblitze, der Zumutungen genug.

Das Bearbeiten von Fremdtexten kann auch eine Strafarbeit sein. Wer jemals das zweifelhafte Vergnügen hatte, das Manuskript eines sich zum Journalismus berufen fühlenden Gymnasiallehrers in Form zu bringen, weiß, wovon ich rede. (Die Kollegen anderer Schulformen sind aber auch nicht besser). Den unangenehmen Job drückt man dann in der Regel der Volonteuse  –  mit der Fritteuse und Masseuse weder verwandt noch verschwägert – auf‘s von Kayal umrandete Auge. So es eine gibt, eine Volon(ge)töse.

Header01-kleinMillionen angehender Journalisten/Journalistinnen mussten im Laufe der Zeit im Rahmen ihrer anspruchsvollen Ausbildung durch diese harte Redigier-Schule gehen und sich an von extern eingereichten Pamphleten versuchen, um später einmal in eigenen, wohl durchdachten und pointiert gesetzten Worten den geschätzten Lesern die Welt zu erklären und Orientierung im unüberblickbaren Informations-Dschungel zu bieten. Der Mensch wächst schließlich mit seinen Aufgaben. Und das gilt auch für angehende Schreiberlinge. Und dann nimmt das Unheil oft auch schon seinen (An)Lauf.

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Landfrauen besuchen Streichel-Zoo: Die vereinigte Investigativ-Presse im alten Dillkreis bringt es auf eine Gesamtauflage von 18.264 Exemplaren. Tendenz: rapide fallend. Die inhaltlich völlig gleichgeschalteten Blätter erscheinen siebenmal in der Woche – inklusive Sonntags. Foto: Andreas Hermsdorf/pixelio.de

Früher galt als Bestätigung für die Richtigkeit einer Aussage oder eines Sachverhaltes: „Es stand in der Zeitung!“. Das galt sowohl für die inhaltliche als auch für die grammatikalisch-korrekte Ebene. Diese Zeiten sind lange vorbei. Viele Journalisten sind nicht mal mehr in der Lage, ihren eigenen Namen richtig zu schreiben. Und der gute alte Korrektor, der immer so penetrant nervte, ist längst dem Rotstift zum Opfer gefallen. Wofür gibt es schließlich Computer gestützte Korrektur- und Rechtschreibprogramme?! Aber die schwächeln, genauso wie jene, die sie im guten Glauben auf ihre Unfehlbarkeit anwenden.  Sch… Software!

Volontösen, Kayalstifte und R2-D2

Selbst harmlose und eigentlich unverfängliche Sachen und Thematiken kommen heutzutage in ihrer final veröffentlichten Version oft als Desaster daher. Die grammatikalischen und stilistischen Fallstricke liegen oft im Profanen verborgen – und im Detail. Worauf wollte ich jetzt eigentlich hinaus? Ach so, ja, Volonteuse! Da es in „meiner“ Heimatzeitung so etwas wohl nicht mehr gibt – Freelancer und Praktikanten sind billiger – muss es wohl ein routinierter Redakteur gewesen sein, der im Duden-Kosmos mal wieder „Starwars“ gespielt hat. Ob in der Rolle des Darth Sidious, als Imperator Palpatine oder als Yoda, bleibt sich da egal. Luke Skywalker hatte seinen freien Tag, weil er am Wochenende zuvor in der Redaktion Sonntagsdienst geschoben hatte, um drei Lokalseiten der Montagsausgabe zu füllen – Leserbriefe inklusive. R2-D2 hätte nicht nur diesen Job wesentlich besser gemacht.

Vermutlich hat Kollege „Stumpfe Feder“ während seines langen, investigativen und Recherche-intensiven Berufslebens noch nie in diesem mystischen gelben Büchlein namens „Duden“ geblättert. Es/er steht aber dekorativ im Schrank hinter seinem von einem Riesen-Monitor dominierten Redaktionsschreibtisch.

Olympiade der Grammatik- und Stilartisten

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Zwischen den Zeilen lauert bei näherem Hinsehen das orthographische und grammatikalische Grauen: Kauf‘ Dich einen Duden. Hat mir auch gehelft! Foto: Wuestenfuchs/pixelio.de

Wie man aus einem unverfänglichen, auch von seiner thematischen Komplexität her eher simplen Text ein redigier-technisches Fukushima zaubern kann, hat der vermutlich nicht ohne Grund zum dauerhaften Innendienst verdonnerte Stil- und Grammatikartist unlängst in einem von ihm professionell veredelten Text über eine Spendenübergabe der Breitscheider Fallschirmspringer demonstriert. So was macht der mit links – der Artist, nicht der Text. Die Skydiver hatten zwei gemeinnützige Organisationen mit jeweils 2500-EUR-Schecks bedacht. Das war der Erlös des zum 3. Male veranstalteten Tandemspringens für gute Zwecke.

Die Attitüde, von außen eingereichte Texte, Presse- oder Vereinsmitteilungen grundsätzlich zu verändern, gehört zum Selbstverständnis vieler Zeitungsredaktionen. Das hat zwei entscheidende Vorteile: Es unterstreicht die Bedeutung des Redakteurs als professionelles Bindeglied zwischen Informationsgeber und Informationsempfänger. Und der Redakteur kann, angenehmer Nebeneffekt, sein persönliches Kürzel platzieren, was intern als Arbeitsnachweis gilt. Aber es gibt noch einen weiteren Grund für eine derartige Vorgehensweise. Sprachwissenschaftler kennen das Phänomen unter der Bezeichnung “Hyperkorrektion” oder auch “Hyperurbanismus”. Dahinter verbirgt sich der zwanghafte  Anspruch, einen Text an eine als vorbildlich erachtete Sprachvarietät anzupassen und ihn darüber hinaus gehend noch “positiv” zu verändern. Was aber interessanterweise aus der Sicht der für vorbildlich gehaltenen Sprachnorm einen Fehler darstellt.  Schau’n mer mal, was dann passiert.

Wo “Carity” auf der Strecke bleibt

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Arbeitsplatz Lokalredaktion: Ob sich in der Sprudelflasche tatsächlich nur Sprudel und in den Colabechern nur Coffein-Limonade befindet, daran sind beim Blättern durch das Endprodukt durchaus Zweifel erlaubt. Foto: Dieter Schütz/pixelio.de

Zurück zu den sozial engagierten Luftsportlern und der Scheckübergabe. Reden wir nicht von der Überschrift: “Fliegen für einen guten Zweck”. Wenn ich mich richtig erinnere, ging es hier um‘s Fallschirmspringen. Die Unterzeile ist auch nicht viel besser: “Skydive Westerwald übergeben insgesamt 5000 Euro”. Wenn schon, dann “Skydive Westerwald übergibt 5000 Euro”.  “Skydive Westerwald” ist der Name des Vereins. Das “insgesamt” ist sowieso überflüssig. Besser noch: “Fallschirmspringer spenden 5000 Euro”. Das war erst die Aufwärmübung. Jetzt kommt der Kollege langsam auf Betriebstemperatur. Der erste Satz nach dem fesselnden Vorspann, nach dessen Lesen das Auge wie angeklebt am und im Artikel hängen bleibt: “Das Geld stammt aus dem Erlös des dritten Tandem-Carity Events“.  Ähm… Es stammt nicht aus dem Erlös, es ist der Erlös. Und nebenbei bemerkt: „Charity“ schreibt man/frau mit „h“. Vielleicht meinte der Bearbeiter ja auch “Clarity”. Das bedeutet vom Englischen ins Deutsche übersetzt “Klarheit” bzw. “Übersichtlichkeit”. Von beidem kann aber hier keine Rede (mehr) sein…

Dass die Breitscheider “dass Hilfswerk Fly & Help des Rundfunkmoderators Reiner Meutsch” unterstützen, freut den Mann sicherlich. Aber in Zeiten des Sparzwangs, unter dessen Diktat selbst so renommierte Zeitungsverlage wie Wetzlar-Druck stöhnen, hätte man sich die Druckerschwärze für das zweite “S” schenken können. Kleinvieh macht schließlich auch Mist.

Mit das Genitiv und die Dativ haben es dem Kollegen auch nicht immer so. Dann schon eher mit Präservativ und Aperitif. Wie sagte einst Günter Müller, der unvergessene Lokalchef der Dill-Zeitung: “Man kann die Fälle nur schwer auseinanderhalten, wenn man selbst einer ist!” Aber das ist wieder ein ganz anderes Thema. Und da gibt es ja auch noch die Vergleichspartikel, die sich meist in den tückischen Untiefen des Sprachsumpfes aufzuhalten pflegen. Tauchen die nach Luft schnappend  auf, ist bei den professionellen lokalen Edelfedern ebenfalls Schluss mit lustig.

Kauft Euch eine Duden, hat mir auch gehelft!

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Würden die lokalen Berichterstatter „meiner“ Lokalzeitung ab und an mal einen Blick in eines dieser Werke werfen, mir und anderen bliebe vieles erspart. Foto: Andrea Damm/pixelio.de

Wörtlich hieß es in der veröffentlichen Version des Berichtes: “Im Sommer hatte der Verein zum Tandemspringen für gute Zwecke aufgerufen. Sebastian Lauber, Initiator der Aktion, hatte die andere Hälfte der Einnahmen bereits ein paar Wochen zuvor an das Hilfswerk Fly & Help übergeben. (Und jetzt, Achtung!:-)) Diesmal allerdings nicht so spektakulär als beim letzten Mal”. Neiiiinnnn! “wie beim letzten Mal!” muss es lauten. Das kann doch nicht so schwer sein! Aber wie sage/erkläre ich es meinem Kind?  Also, große Faust (in der Tasche geballt), und der kleinen Faust die Faustregel beigebogen. Bei “Gleichheit” benutzt man/frau “wie”. Beispiel: „so schön wie“. Bei Komparativ (also erste Steigerungsstufe) ist “als” bindend. Beispiel: „ schöner als“. Deshalb: “nicht so spektakulär wie beim letzten Mal”, aber: “weniger spektakulär als beim letzten Mal”. Das steht sogar (irgendwo) geschrieben. Was glaubst Du-Den(n)… Kauft Euch einen Du-Den, hat mir auch gehilft! Zum besseren Verständnis vielleicht noch ein Beispiel aus der oft frustrierenden und optisch grauen Alltagswelt unserer lokalen Berichterstatter: “Das Verlagshaus der Dill-Zeitung ist nicht so schön wie das von Wetzlar-Druck”. Der Vergleich ist quasi auf einer „qualitativen“ Ebene angesiedelt und beinhaltet so, wie er da steht, keine Steigerung. Anders sähe es aus, würde man formulieren: “Das Verlagshaus der Dill-Zeitung ist weniger schön als das von Wetzlar-Druck”. Alles klar?

Ja und dann hat der oben erwähnte Sebastian Lauber noch ein kleines finanzpolitisches Kunststück vollbracht, indem er einen Teil der Spendensumme überreichte, bevor die Veranstaltung, durch die das Geld ja erst generiert werden sollte, überhaupt stattgefunden hatte: „Im Sommer hatte der Verein zum Tandemspringen für gute Zwecke aufgerufen. Sebastian Lauber, Initiator der Aktion, hatte die andere Hälfte der Einnahmen bereits ein paar Wochen zuvor an das Hilfswerk Fly & Help übergeben“. Dieser Lauber hat es halt voll drauf! Vielleicht wusste er lange im Voraus, wie viele Spenden-Euronen seine Kollegen erhüpfen würden und hatte in vorauseilender Spendierlaune und im Vertrauen auf seine zukunftsweisenden Rechenkünste schon mal die exakte Summe rübergeschoben…

In die Seife und die Tischplatte beißen

Und ich stelle mir gerade die Dimensionen des von den „Himmelstauchern“ überreichten Wertpapiers vor: Das war nämlich „ein Scheck in Höhe von 2500 Euro!“ Jetzt müsste man mal nachmessen, wie hoch der Stapel wäre, würde man diese Summe in Fünf-EUR-Scheinen stapeln. Dann doch besser „überreichten einen über (die Summe von) 2500 EUR ausgestellten Scheck“. Aber wir wollen ja nicht in den Krümeln suchen. Da kann man durchausgeteilter Meinung sein, ob diese Formulierung wirklich völlig korrekt ist. „Alles Geschmackssache“, sagte die Frau und biss in die Seife.

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Die Zeitungsgruppe Lahn-Dill will das Angebot des Lahn-Dill-Kreises für eine interne Fortbildungsveranstaltung ihrer Dillenburger Lokalredaktion nutzen.

Aber es waren wirklich (große) auf Recycling-Papier gedruckte Schecks, die die Mädels und Jungs von Skydive Westerwald übergeben haben, und eben kein Bargeld, wie die Unterzeile des Artikels uns suggeriert. „Anja Ellen Klein“, die „Bärenherz“-Geschäftsführerin, war auch noch „eigens“ nach Breitscheid gekommen, um besagten „Bon“ entgegen zu nehmen. Wow! Aber wieso „eigens“? Die Frau hätte doch nicht extra kommen müssen. Vielleicht hätte sich ja im Vorbeifahren mal die Möglichkeit ergeben. Das „eigens“ ist geschenkt. Weg damit! Und treibt die Kosten für die Druckerschwärze erneut in die Höhe. Da nutzt es auch rein kalkulatorisch nix, dass man sich den Bindestrich zwischen Frau Kleins Vornamen „Anna-Eli“ geschenkt hat.

Dass die Breitscheider im Jahr zuvor dem Fly & Help-Präsidenten die ihm zugedachte Spendensumme nur unter einer Bedingung hatten zugestehen wollen, ist auch so ein satzkonstruktiver Murks. Entweder ich habe jemandem was zugedacht, dann gestehe ich es ihm auch automatisch zu. Oder er war von Anfang an nicht als Empfänger vorgesehen. Dann kriegt er sowieso nichts, auch wenn er hundert Bedingungen erfüllt. Da kann der anstellen, was er will. Wunderkerze ins Ohr stecken und zweistimmig La Paloma pfeifen beispielsweise. Er kriegt nix!

Der mysteriöse Thomas würgt das Maskottchen

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„Informations“-Müll: In die Tonne damit! Früher galt als Bestätigung für die Richtigkeit einer Aussage oder eines Sachverhaltes: „Es stand in der Zeitung!“. Das galt sowohl für die inhaltliche als auch für die grammatikalisch-korrekte Ebene. Diese Zeiten sind lange vorbei. Foto: khv24/pixelio.de

Die Bildunterschrift zum Artikel gibt ebenfalls Rätsel auf. Wer ist dieser mysteriöse Thomas Schönecker, der auf dem Foto das „Bärenherz“-Maskottchen würgt? Das erfahren wir leider nicht. Vom Aktions-Initiator Lauber und Vorstandsmitglied Kerstin Müller wissen wir ja jetzt durch die Beschreibung um deren Funktion. Aber dieser so zwielichtig-ungläubig dreinblickende Thomas, der bleibt ein Mysterium. Schreiben Sie die richtige Lösung auf eine Postkarte: Redaktion Dill-Post, Rathausstraße 1, 35662 Dillenburg. Unter allen Einsendern verlosen wir einen Duden (Taschenbuch) sowie ein kostenloses Halbwochen-Abo (ohne Anzeigenbeilagen und TV-Programm).

Viermal taucht in der 46-zeiligen Enthüllungs-Story der Name „Breitscheid“ auf, dreimal der Begriff „Tandem“. Etwas Phantasie bei Wort- und Begriffsfindung könnte nicht schaden. Aber wir wollen die Latte nicht allzu hoch hängen. Sonst spazieren die Wort- und Satzkünstler erhobenen Hauptes drunter hindurch. Dabei sollen sie doch Limbo tanzen! Dennoch gilt: Willst Du Dir den Tag versauen, musst Du in die Dill-Post schauen. Reicht’s dann immer noch nicht Dir, les’ den Haigerer Kurier!

Für solche und ähnliche epochalen Beiträge zahlt der Abonnent 34,90 Euronen im Monat. Das sind 418,80 EUR im Jahr. (Das Ärgern über journalistischen Dilettantismus ist im Bezugspreis inbegriffen). Gut, nobody is perfect! Aber bei dieser Summe darf man eine weitestgehend fehlerfreie und anspruchsvoll aufbereitete “Ware” erwarten. Zumal sie ja von “Profis” hergestellt wird, die viel auf sich und ihr Handwerk geben. Aber zwischen Anspruch und Wirklichkeit liegen mitunter Welten. Aber die Jungs und Mädels im „newsroom“ haben es ja auch so  schwer (genug). Das Ecco-Agenturnetz hat in Kooperation mit dem Journalistenportal newsroom.de.eine interessante Studie über die Zukunft des Journalismus erstellt: http://www.pressesprecher.com/nachrichten/die-zukunft-des-journalismus-892222322

Schlagzeilenträchtig: Landfrauen im Duisburger Streichel-Zoo

Das Unvermögen, korrektes Deutsch in der Zeitung zu praktizieren, ist nur ein Grund, und noch nicht einmal der wichtigste, für den unaufhaltsamen Niedergang vieler Printmedien. Immer weniger Leser sind bereit, so viel Geld (siehe oben) für Informationsmüll hinzublättern, der ihnen nicht die Bohne an Nutz- und Mehrwert bietet. Wenn, siehe oben,  die Uckersdorfer Landfrauen den Duisburger Streichel-Zoo besuchen, geht das dem Ingenieur aus Herborn am Allerwertesten vorbei. Und die täglichen Ausgaben sind voll von Berichten mit solcher Substanz.

Folge: Die Abo-Zahlen sinken unaufhaltsam. Innerhalb des sogenannten „Dill-Blocks“, der die Region des ehemaligen Dill-Kreises abdeckt, stecken die Austräger (früh-?)morgens Tag für Tag noch 18.264 Lokal-Zeitungen in die Briefkastenschlitze oder die dafür vorgesehenen Boxen. 6.353 Exemplare entfallen davon laut IVW-Bericht auf die Dill-Zeitung (inklusive Herborner Echo und Haigerer Kurier) aus dem Dillenburger Verlag Weidenbach; der Rest verteilt sich auf die Dill-Post und ihre identischen und sich lediglich durch den Titel unterscheidenden Schwesterblätter Herborner Tageblatt und Haigerer Zeitung des Verlags Wetzlar-Druck.

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Die gute alte Zeitungs-Ente quakt nicht mehr so oft. Es sind nämlich weniger die Falschmeldungen, die ihr die Schamesröte ins Gesicht treiben. Eher schon die vielen handwerklichen Fehler, die die Blattmacher Tag für Tag offenbaren. Foto: Peter Franz/Pixelio.de

Noch bis Mitte der 90er Jahre lieferten sich beide Zeitungshäuser einen erbitterten Konkurrenzkampf, der durch einen (nicht für beide Seiten ehrenvollen) Waffenstillstand und eine Schritt-für-Schritt-Annäherung abgelöst wurde. Heute gleicht ein Ei dem anderen. Es gibt nur noch eine Redaktion, die alle Leserlager bedient. Da braucht man sich nicht mehr anzustrengen, zumindest im Hinblick auf den freundlichen “Mitbewerber” nicht. Entsprechend ist das Resultat, das sich auch nicht durch von Selbstlob durchdrungene Sonntagssprüche verbrämen bzw. schön reden lässt. Immer mehr Leser springen ab. Während die Älteren aus Macht der Gewohnheit am Zentralorgan des Rittal-Werkes, der Feuerwehr- und Gesangvereine festhalten und dessen Rascheln am Frühstückstisch nicht missen möchten, zeigt die jüngere Generation dem Blatt die kalte Schulter und gelangt mit einem Klick zu den Informationen und Stories, die sie auch wirklich brennend interessieren und die sie in der bräsigen Hauspostille vergeblich suchen. Und die Treffer sind dann aktuell und nicht bereits einen Tag (oder mehrere) alt.  Man kann sich ausrechnen, wie lange das noch gut geht – oder halt auch drauf wetten.

 

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