Von Jürgen Heimann
Die Erkenntnis ist jetzt nicht ganz neu. Sie stammt vom Juli des vergangenen Jahres. Was Wissenschaftler da herausgefunden hatten, wird von bestimmten Interessengruppen gerne unter den Teppich gekehrt, bedeutet aber Wasser auf die Mühlen jener, die die Massaker, die (nicht nur die deutschen) Jäger jährlich unter den wildlebenden Rotfüchsen anrichten, zunehmend lauter als völlig sinnlos (und kontraproduktiv) bezeichnen. Dazu zählt auch das “Aktionsbündnis Fuchs” , ein Zusammenschluss, in dem sich bundesweit über 60 Natur-, Tier- und Umweltschutzorganisationen organisiert haben. Dessen Sprecher Daniel Peller verweist auf eine entsprechende im renommierten britischen “Proceedings of the Royal Society of Biological Sciences” veröffentlichte Studie des niederländischen Biologen Tim R. Hofmeester und seines Teams. Die Autoren kommen darin zu dem Schluss, dass dort, wo man Füchse in Frieden leben lässt und ihnen nicht nachstellt, das Risiko für Menschen, sich mit dem durch Zecken übertragenen Lyme-Borreliose-Erreger zu infizieren, erheblich sinkt.
Diese Zeckenbiss-Erkrankungen sind ja saisonbedingt wieder ein großes Thema. Es geht nämlich wieder los. Die warmen Temperaturen lassen auch die zu den Milben gerechneten kleinen Spinnentierchen wieder zu Höchstform auflaufen. Die blutsaugenden Parasiten finden derzeit in der Natur optimale Lebens- und Fortpflanzungsvoraussetzungen. Womit die Wahrscheinlichkeit, dass sie ihre zweifelhafte Aufmerksamkeit auch den Menschen angedeihen lassen, drastisch steigt.
200.000 Menschen fangen sich jährlich einen Erreger ein
Jährlich fangen sich deutschlandweit etwa 200.000 Menschen eine Lyme-Borreliose ein, mit teils erheblichen, mitunter sogar tödlichen Folgen. Und dagegen gibt es, anders als etwa bei der ebenfalls von Zecken übertragenen FSME (Frühsommer-Meningoenzephalitis), keinen Impfstoff. Die Erkrankung wird von Bakterien verursacht und äußert sich im Frühstadium zunächst nur durch Rötungen um den Zeckenbiss sowie leichte Allgemeinsymptome wie Kopf- und Gliederschmerzen. Breiten sich die Erreger weiter im Körper aus, können sie zu Herzproblemen, bleibenden Organschäden und schweren chronischen Symptomen führen.
Warum es jetzt ausgerechnet der Reineke sein soll, der da massiv gegen hält und offenbar zu unseren schlagkräftigsten Verbündeten im Kampf gegen die tückische Krankheit zählt, erschließt sich erst, wenn man sich bestimmte im Naturhaushalt gängige Mechanismen und Zusammenhänge vor Augen führt. Die rotpelzigen Räuber ernähren sich überwiegend von Mäusen. Und die wiederum sind es, die von Zecken als Transportmittel bevorzugt werden, an die sie sich quasi als blinde Passagiere klammern. Wo es nun viele Füchse gibt, halten sich die Nager aus Sicherheitsgründen häufiger im Verborgenen auf – und werden ergo seltener von Zeckenlarven befallen. Auch weil sie, eine Überlebensfrage, vorsichtiger sein und schneller rennen müssen. Dadurch wiederum werden die Chancen der Zecken reduziert, sich an ihre potentiellen Wirte zu heften.
Den fatalen Kreislauf durchbrechen
In Gebieten, in denen der Fuchs nicht stark bejagt wird, ist der Befall von Mäusen mit Zecken um 80 bis 90 Prozent niedriger. Das haben Hofmeester und Co. in der erwähnten Studie herausgefunden. Die Wissenschaftler hatten 20 verschiedene Waldgebiete mit unterschiedlich ausgeprägten Fuchspopulationen miteinander verglichen. Wo es mehr Füchse gibt, kann sich die Borreliose schlechter unter Feivel und Konsorten verbreiten. Zecken nehmen den Erreger seltener auf, und die Übertragungswahrscheinlichkeit auf den Menschen sinkt. Daraus folgert: Der Schutz von Füchsen trägt also dazu bei, Menschen, aber auch Haus- und andere Wildtiere vor von Zecken übertragenen Krankheiten zu bewahren. Und, ein weiterer interessanter Aspekt, er macht das Schwingen der Giftkeulen auf den Äckern und Feldern eigentlich überflüssig. Theoretisch.
Jeder Fuchs verspeist pro Jahr 3.000 Mäuse
Dies zumindest in dem Ausmaß, wie es derzeit geschieht. Das tonnenweise Ausbringen von Zinkphosphid enthaltenden Giftweizen oder Gifterbsen gilt ja als probates Gegenmittel, schädlichen Nagern, die für erhebliche Ernteausfälle verantwortlich gemacht werden, in die Schranken zu verweisen. Nebenbei haut es dann aber auch schon mal den streng geschützten Feldhamster, Greifvögel, Feldhasen, Saatgänse, Rebhühner, Kraniche oder Hunde von Spaziergängern, so sie von den unbekömmlichen Ködern genascht haben, von den Beinen. In der Schweiz werden derzeit sogar regional Kopfprämien für erlegte Mäuse gezahlt. Da blättern einzelne Gemeinden bare Belohnungen für jeden vorgelegten (Mäuse-)Schwanz hin. Einen Franken pro Exemplar.
Nun sollte man wissen, dass ein erwachsener Fuchs im Jahr bis zu 3.000 Mäuse verspeist. Und er ist ja nicht ihr einziger natürlicher Feind. Dazu zählen auch Dachse, Greifvögel wie wie Bussarde und Habichte, ebenso Eulen und Turmfalken sowie Krähen, Mauswiesel und Neuntöter. Ein Schuh würde draus, wenn man diese Arten gezielt fördern würde, anstatt sie gnadenlos zu verfolgen oder ihnen die Lebensgrundlagen zu entziehen. In Nordrhein-Westfalen beispielsweise passiert nicht nur das. Da dreht die neue Landesregierung auch die Uhren zurück und höhlt das von der Vorgängerregierung erlassene ökologische Jagdgesetz zusehends aus. Die brutale Bau- und Fallenjagd auf Füchse soll wieder salonfähig werden und ist stellenweise bereits legalisiert. Mit einer Unterschriften-Aktion hoffen Tierschützer diese Auswüchse stoppen zu können.
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