Rotorman's Blog

Arbeitsgemeinschaft: Dialog-Angebot
des Bürgermeisters ist nur eine Finte

Über zwei Stunden hatte ein Team der Hessenschau bei der Hirzenhainer Bürgerinitive „Unterm Klein-Loh“ Feldforschung betrieben. Bi-Specherin Jacqueline Gawlik (vorne rechts) und ihre Mitstreiter fordern nicht nur einen Verzicht auf den Luxusausbau ihrer kleinen Straße, sondern treten auch für eine landesweite Abschaffung der Straßenausbaubeiträge ein.

Von Jürgen Heimann

Ganz so investigativ, kritisch und bissig, wie sich das die Bürgerinitiative gewünscht hätte und wie es noch beim Dreh aussah, als könne er es werden, ist der Hessenschau-Bericht über den Hirzenhainer Straßenbeitragsskandal vom vergangenen Samstag jetzt wieder nicht ausgefallen. Aber die Publicity ist unbezahlbar. Jetzt weiß das ganze Land, mit welcher Unverfrorenheit die Gemeinde Eschenburg bei ihren Bürgern abkassieren will. Bis zu 44. 000 Euro sollen einzelne anteilig für den Luxusausbau des kleinen kaum befahrenen Anliegerwegs berappen.

Für eine der schönsten Szenen im Rahmen der Sendung sorgte ausgerechnet Bürgermeister Konrad, dem HR-Reporter Robert Hübner vor Ort Gelegenheit gegeben hatte sich zu rechtfertigen. Auf den Vorwurf von BI-Sprecherin Jacqueline Gawlik hin, er setze sich nicht für sie und ihre Belange ein, sagte der Mann aus dem Eibelshäuser Rathaus: „Wie soll ich mich denn für Sie einsetzen. Ich bin doch hier!“  Da waren die Mitglieder der Protestbewegung doch gleich sehr beruhigt.

Ob der Vorschlag Konrads, man könne sich ja noch mal zusammensetzen und alles in Ruhe bereden, ernst gemeint war, wird die nähere Zukunft zeigen. Andreas Schneider von der Arbeitsgemeinschaft Hessischer Bürgerinitiativen für ein Straßenbeitragsfreies Hessen, hat jedenfalls so seine Zweifel daran und glaubt nicht an eine zackige Kehrtwendung in dieser Sache. Es sei zu befürchten, dass die plötzliche Dialogbereitschaft des Gemeindeoffiziellen lediglich eine Finte ist. Konrad wolle die Protestler und die Eschenburger Öffentlichkeit unmittelbar vor der anstehenden Bürgermeisterwahl, bei der er ja erneut antritt, vermutlich nur ruhig stellen.  Denn: Der Auftrag zur Straßenverbreiterung sei längst vergeben. Worüber wolle man jetzt noch reden, da doch alles beschlossene Sache sei?

Kein gutes Haar ließ Schneider an Harald Semler, einem der Geschäftsführer des Hessischen Städte -und Gemeindebundes. Der hat die Sache auch wohl ziemlich „versemmelt“. Die Linken haben aktuell in Wiesbaden einen Gesetzesentwurf vorgelegt, der die landesweite Abschaffung der Straßenausbaubeiträge vorsieht. Um die Einnahmeausfälle der Kommunen zu kompensieren, sollen im Landesetat 70 Millionen Euro bereitgestellt werden. Diese Summe, so der ehemalige Bischoffener und Wetzlarer Bürgermeister, würde nie und nimmer ausreichen. Eine „steile These“ nennt das Andreas Schneider. Auch habe Semler den Gesetzesentwurf vermutlich nicht richtig gelesen oder nicht richtig verstanden.

Der Mann aus Linden erinnert daran, dass die Einnahmen Hessischer Kommunen aus Straßenbeiträgen laut Angaben des Innenministeriums in den Jahren 2015, 2016 und 2017 jeweils weniger als 39 Millionen Euro betragen hätten. Und da sollen plötzlich 70 Millionen nicht reichen? Mit welchen kryptischen Formeln der Arithmetik Semmler diesen Betrag also errechnet hat, bleibt vorerst sein Geheimnis.  Gut, die Preise für Baumaterial sind jüngst nicht unerheblich gestiegen, aber so durch die Decke geschossen, dass die Mehrkosten über 55 Prozent ausmachen, nun auch wieder nicht.

Die Hessenschau berichtete am vergangenen Samstag über den Hirzenhainer Straßenbeitragsskandal.  Der Bürgermeister will plötzlich doch noch einmal mit den Betroffenen reden, was er bisher vermieden hat. Und das obwohl bereits alles beschlossene Sache und der Auftrag erteilt ist. Nur ein Ablenkungsmanöver kurz vor der Bürgermeisterwahl?

Auf die Frage des Moderators, inwieweit der soziale Frieden durch hohe Straßenbeiträge gefährdet sei, hatte Semler ausweichend auf einen Fall in Bischoffen während seiner Zeit dort als Bürgermeisterverwiesen.  Viele Anlieger einer sanierten Straße hätten wenig zahlen müssen, den Löwenanteil von ca. 150.000 Euro  habe damals ein Industriebetrieb gezahlt. Die Frage, ob die Straße durch dessen Lieferverkehr vielleicht besonders belastet worden war und deshalb ausgebaut habe werden müssen, stellt sich hier schon. Was Herr Semler nicht sagt: Jeder Gewerbebetrieb, und das gilt auch für Wohnungsbaugesellschaften, können Straßenbeiträge bei ihrer Steuer geltend machen. Von solchen Begünstigungen können selbstnutzenden Eigenheim-Besitzer bis heute nur träumen.Die Presseerklärung der AG Hessischer Bürgerinitiativen für ein Straßenbeitragsfreies Hessen in vollem Wortlaut steht hier:

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