Von Jürgen Heimann
Nicht jeder kann von sich behaupten, ein leibhaftiger Kaiser hätte schon mal in seinem Bett geschlafen. Erich Schertler kann es. Und wir reden jetzt nicht von unserem korrupten Fußball-Kaiser. Der heißt außerdem Franz und nicht Karl. Ist aber auch nicht gemeint. Dem hätte der pensionierte Oberstudienrat sowieso auch nie die Türe geöffnet. Karl I. war der letzte Kaiser von Österreich. Und, wenn wir in Geschichte richtig aufgepasst haben, nebenbei wohl auch König von Ungarn, Kroatien und Böhmen. Wurde 2004 von Papst Johannes II posthum sogar seliggesprochen. Die Wahrscheinlichkeit, dass dem Fußball-Franz ähnliches passiert, ist eher gering. Aber man kann ja nie wissen….
Zurück zu dem Habsburger mit den vielen Vornamen: Carl Franz Joseph Ludwig Hubert Georg Otto Maria. In der Reihenfolge. Der Blaublüter hat in der Koje, die im ersten Obergeschoss des Schertler-Hauses in der Hirzenhainer Sammetwiesenstraße steht, wohl mehr als nur einmal geträumt. Wovon, wissen wir nicht genau.
Beide haben sich gut gehalten
Auch das übrige Interieur des Zimmers ist authentisch und wirkt wie aus der Zeit gefallen, Karls Zeit. 1887 bis 1922. Als hätte der Monarch den Schauplatz eben erst verlassen. Alles noch da: Kommode, Kleiderschrank, Waschschüssel, Wasserkanne. Nachttopf. Trotzdem haben sich beide, also der Karlemann und der Erich, wohl nie persönlich getroffen. So alt ist der Ex-Pauker, der seine Schüler auf dem Herborner Gymnasium jahrelang mit Mathe und Physik gequält hat, nämlich auch wieder nicht. Als er geboren wurde, lag der andere schon seit Jahrzehnten einbalsamiert in einer Gruft auf Madeira. 1972 war der Sarkophag geöffnet worden. Die Gerichtsmediziner staunten über den guten Zustand dessen, der drin lag. Auch Erich Schertler hat sich gut gehalten. Seine 72 Lenze sieht man ihm jedenfalls nicht an.
Tante Anna aus Berlin
Wie das jetzt alles zusammenpasst, sollten man vielleicht erklären. Ebenso, wie das kaiserliche Schlafgemach nach Hirzenhain gekommen ist. Mit dem Möbelwagen. Ist ein Erbstück. Von Schertlers unverheirateter Großtante. Wir wollen jetzt nicht behaupten, dass die und der Alpen-Royal gut miteinander gekonnt hätten. Das wäre geprahlt. Aber der Arbeitgeber von Tante Anna, bei dem diese nach der Jahrhundertwende in Berlin “in Stellung” gewesen war, und Ihre Majestät kannten sich bestens. Anlässlich eines Besuchs in der Wiener Hofburg hatte Durchlaucht ihm die erlesenen Möbel wohl geschenkt. Und der wiederum reichte sie an seine Haushaltsangestellte weiter. Vielleicht als Anerkennung für besondere Verdienste.
„Baarres fier Rrrrarres“
Jahrzehntelang stand der Krempel bei den Erben mehr oder weniger unbeachtet in Keller und Garage herum. Weder der Großvater noch Schertler-Senior konnten so richtig etwas damit anfangen. Bis sich der Erich das Zeug mal näher ansah. Es war, kein Zweifel, echt. Authentisch. Was auch mehrere Sachverständige unabhängig voneinander bezeugten. Der Inhalt des Schatzkästchens, das der Hausherr später zufällig in der hintersten Ecke einer Kommodenschublade fand, stützte die Expertisen. Der Klunker war wertvoll. Wie wertvoll, sollte der Hirzenhainer in Köln erfahren. Bei “Bares für Rares”. Für Eingeborene aus dem Ort ist der Titel der Sendung ja eine sprachliche Herausforderung: “Baarrres fier Rrrraarres”. Schertlers Familie stammt aber aus dem Sudentenland. Er selbst wurde in Hirzenhain geboren, aber die „dialektische Konditionierung“ hat bei ihm nicht so gezündet. Insofern gab’s mit der Aussprache auch keine Probleme.
Im Dezember 2016 hatte der Mann in der Jecken-Hochburg, wo die Sendung aufgezeichnet wird, die Probe aufs Exempel gemacht. Schon die Zugfahrt dorthin entwickelte sich zum Abenteuer. Das begann damit, dass nach wenigen Fahrtminuten das Bahnhofsschild von Niederscheld am Abteilfenster vorbei fuhr. Vielleicht war es auch umgekehrt, und der Zug rollte in Wahrheit am Schild vorbei. Egal. Falsche Richtung! Aber das ist wieder eine andere Geschichte.
Irgendwie scheint es der Mann aber dann doch noch rechtzeitig zum Trödel-Showdown in die Balloni-Hallen geschafft zu haben. Horst Lichter und Co. hatten ihren Spaß mit dem Gast aus dem Hessischen. Was auf Gegenseitigkeit beruhte. Und der Handel, den der Hirzenhainer abschloss, war kein schlechter. Über Tausend Euro waren den TV-Dealern seine Preziosen wert. Damit hätte er durchaus eine Übernachtung in der Präsidentensuite des Hyatt Regency in Erwägung ziehen können, zumal die Mainzelmännchen ja für die Spesen seiner Sendungsgäste aufkommt. Stattdessen zog der “Karl Valentin aus Mittelhessen” (Horst Lichter) es vor, daheim im eigenen Bett zu schlafen. Aber nicht dem von Kaiser Karl.
Die vom ZDF bezahlte Zugfahrt zurück soll ohne nennenswerte Zwischenfälle verlaufen sein. Die erzielten Einnahmen investierte Erich Schertler in eine Flugreise nach Australien, wo seine Tochter lebt. Zusätzlich für ein neues Flugzeug-Großmodell reichte die Summe dann nicht mehr. Aber ein solches würde sich bei ihm zu Hause unter der Zimmerdecke nämlich auch ganz gut machen. Zumal da (gefühlt) bisher höchsten 24 Exemplare rum hängen. Das ist noch Platz. Und der wird früher oder später auch gefüllt….