Rotorman's Blog

Der Wald „ruaft“, Diedää (Bohlen) kommt
Stau und stockender Verkehr auf dem Holzweg

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Älter als die „Via Appia“ bei erhöhtem Staurisiko: Viele Leute nutzen diese Strecke, ohne es zu wissen.

Er ist allemal älter als die Via Appia in Rom, wenn auch, selbst im Vergleich zu den damaligen Verhältnissen, nicht so gut ausgebaut. Und er führt ins Nirgendwo. Der Holzweg. Viele Menschen, samt und sonders Politiker, Ideologen, Religionsfanatiker sowie überbezahlte und unfähige Manager, wandeln und befinden sich auf selbigem, ohne es zu bemerken. Und wenn doch, sie würden es niemals zugeben. Im Gegensatz zum Fotografen dieser Aufnahme, der diesem Bild ganz bewusst den Titel „Auf dem Holzweg“ verpasst hat. Aber aus einem anderen Grund. Beidseits der waldigen Strecke stapelt sich der Stoff, aus dem die Wärme ist. Denn: Der nächste Winter kommt bestimmt. Nur der, der genügend Holz vor der Hütte und/oder im Schuppen hat, laviert sich behaglich hindurch.
Mein  Nachbar zählt zu jener Sorte Menschen, die nie genug (davon) bekommen können. Der Mann vom Tann ist nur dann wirklich glücklich, wenn die Motorsäge knattert. Nicht von ungefähr gilt er nach dem Borkenkäfer als größter Waldschädling diesseits und jenseits des Rothaarsteiges. Jahr für Jahr zeigt er den gierigen Ölscheichs den Stinkefinger. Ob Buche, Fichte, Eiche, Esche, Birke, Ahorn, Ulme, kein Baum, der nicht bei Drei auf sich selbst ist, darf sich vor ihm sicher wähnen. Der Tacho seines Rosthobels misst die zurückgelegten Distanzen auch nicht in Kilometern, sondern in Raummetern. Und er hat soviel Vorräte angehäuft, dass es bis weit ins nächste Jahrzehnt langen dürfte. (Mir übrigens auch. Ich bediene mich dort nämlich auch, ohne dass dieser Schwund  angesichts der Masse sonderlich auffällt). Nichtsdestotrotz: Nachbars aktueller und immer wieder neu entfachten Sammler- und Jägertrieb ist ungebrochen. Der Wald ruaft!

Nachts bleibt der Kühlschrank offen

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„Auf dem Holzweg“ hat Fotograf Hans-Martin Lenz seine Aufnahme genannt. Früher führte er ins Nichts, heute direkt zum Haus von „Diedää“ Bohlen. Foto: Hans Martin Lenz

Fred, so heißt  dieses personifizierte forstwirtschaftliche Katastrophen-Szenario, verschwendet auch keinen Gedanken daran, was er durch seine Verfeuerungsorgien so alles an Emissionen, Errektionen  und Aversionen in die Luft pustet. Wenn es jeder in unserem Kuhdorf so wild treiben würde, wir hätten in Sachen dicke Luft bald Pekinger Verhältnisse. Aber Freddie  beruhigt sein ökologisches Gewissen, indem er nachts die Kühlschranktüre offen stehen lässt. Sein individueller Beitrag im Kampf gegen die Erderwärmung.
Aber wir schweifen mal wieder vom Thema davon.  Es geht ja um jenen Weg, auf dem auch (Al)Fred unterwegs ist. Solche gab es bereits in vorgeschichtlichen Zeiten. Damals nannte man/frau sie Bohlenwege, obwohl zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht an diesen unsäglichen „Diedäää“ aus Tötensen zu denken war. Bohlenwege deshalb, weil sie aus hölzernen Diedääs und Schwellen bestanden, die über sumpfige Flächen führten, allerdings oft genug auf irgendwelchen Geestinseln endeten und sich somit als Hodengassen entpuppten. Und genau das scheint ihre Bestimmung zu sein. Irgendwann kommt bei dieser Art von Verkehrsadern immer der Punkt, da geht es nicht mehr (weiter).

Hänsel, Gretel und der Luther-Maddin

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Wo mein Brennholz-süchtiger Nachbar Weihnachten feiert. Foto: Hans-Martin Lenz

Long, long time ago, als die Wälder noch so dicht waren wie zu Zeiten Hänsels & Gretels, dienten sogenannte Holzwege dem Abtransport gefällter Bäume mittels Pferden oder Fuhrwerken. Zu irgendeinem sinnvollen Ziel führten sie selten, oder so gut wie nie, da sie stets dort endeten, wo das Holz geschlagen worden war. Wer auf eine solche Strecke geraten war, musste entweder umkehren oder sich durchs Gebüsch schlagen. Deren moderne und praktischere Variante sind die heutigen Forstwege, die immerhin meist zwei Punkte miteinander verbinden, und seien es lediglich zwei reguläre Waldwege.
Die metaphorische, seit dem frühen Mittelalter gebräuchliche Redewendung „Auf dem Holzweg sein“ beschreibt „ein nicht zielführendes Vorgehen und impliziert zugleich die Aufforderung, den Irrweg zu verlassen“. Die Frage, ob man auch auf dem rechten Holzweg sein kann, ist insofern rein philosophischer Natur. Und was wäre dann eigentlich mit dem linken Holzweg?
Gut, alles eine Frage der Navigation. Abgesehen davon gibt es ja auch noch eine sittliche, moralische und politische Komponente, für die der hölzerne Weg den Kopf hinhalten muss bzw. sinnbildlich herangezogen wird. Der Dichter Konrad von Haslau verstand ihn in seinem in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts verbrochenen Werk „Der Jüngling“ als Ergebnis einer falschen moralischen Richtungsentscheidung, die dem Pfad der Tugend diametral entgegengesetzt war. In einer Sittenpredigt des deutschen Predigers Johann Geiler von Kaysersberg (1445–1510) aus dem Jahr 1495 ist der Holzweg ein Ab- oder Irrweg, der von Gott weg und der direkt in die Hölle führt. Eine ziemlich heiße Meile also, quasi AC/DC’s vorweggenommener „Highway to Hell“. Auch der große Reformator, der Luther-Maddin, verwandte den Begriff sinngemäß wiederholt in seinen  „Tischreden“.

Dann lieber auf dem Nachhauseweg

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Viel Holz vor bzw. für die Hütte. Foto: Hans-Martin Lenz

Bei den ollen Ostpreußen, für die alle Wege nach Königsberg führten bzw. dort endeten, hatte dieser Holzweg noch eine andere Bedeutung. „Jener geit den Holtweg, de andre den Soltweg“ lautet eines ihrer kernigen und metaphorisch tiefenschürfenden Sprichwörter:  „Jener geht den Holzweg, der andere den Salzweg“. Hier wird der zu nichts führende Holzweg, auf dem die Erfolglosen wandelten, der Salzstraße gegenübergestellt, denn zu Zeiten der Hanse lag das Geld dort auf selbiger. Mit dem Salzhandel war viel Kohle zu machen.
Ob Holzweg, Waldweg, Irrweg oder Jakobsweg, mein Favorit ist und bleibt, da führt kein Weg dran vorbei,  der Nachhauseweg nach Feierabend. Umweg zur Stammkneipe inklusive. Wobei nicht der Weg dorthin, sondern der Tresen das  Ziel ist. Der Weg bis dahin mag zwar mühevoll und holprig sein, aber er ist  mit guten Vorsätzen gepflastert. Und wo ein Wille ist, da sind auch solche. Das Schlusswort hat Mao: Egal wie weit der Weg ist, man muss den ersten Schritt tun. So denn. Prost!

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