Von Jürgen Heimann
Mit Latein kennen sich die Heger mit dem grünen Abitur ja aus. Wir reden jetzt nicht von der Muttersprache eines Marcus Aurelius oder Lucius Annaeus Seneca. Die Werke dieser großen römischen Philosophen waren ja stets auch von Wahrhaftigkeit und Ehrlichkeit durchdrungen. Da muss man bei den Jägern und ihrem Latein schon gewisse Abstriche machen. Gilt auch, wenn sich die Lodenmantler in Deutsch artikulieren. Und wenn man ihnen in der Michel-Sprache mit Argumenten kommt, die nicht ins eigene ideologische Weltbild passen, hört der Spaß sofort auf. Kritik können die Hochsitz-Besteiger schon mal gleich gar nicht ab.
Die Medien sind in ihren Augen erst dann neutral und objektiv, wenn sie die „weidmännischen“ Positionen übernehmen und wiedergeben, ohne diese auf ihre Stichhaltigkeit hin abzuklopfen. Wenn sie sich zum willfährigen Instrument der Eigen-PR machen, werden sie gehätschelt, wagen es Journalisten hingegen, bestimmte Zusammenhänge kritisch zu hinterfragen, landen sie auf der „schwarzen“ Liste. Und die Färbung selbiger kann durchaus auch politisch interpretiert werden. Der WDR beispielsweise hat dahingehend einschlägige Erfahrungen gemacht. Die televisionären Rundfunker einer- und der Landesjagdverband NRW andererseits können nicht miteinander.
Nun gehört der Dachverband der Nimrods im größten deutschen Bundesland ja zu den krassesten und aggressivsten seiner (aussterbenden) Art auf Bundesebene. Auf Krawall gebürstet sind sie allerdings alle. Zumal dann, wenn die Gefahr besteht, die Politik könne an ihren (natürlich) historisch gewachsenen anachronistischen Privilegien kratzen. Aber die bewaffneten nordrheinischen Westfalen setzen dann, mit Schaum vor dem Mund (daran erkennt man bei einigen Tieren die Tollwut), immer noch einen drauf. Wir wollen ja hier nicht die von viel Laisser-faire durchdrungene Einstellung von LJV-Präses Ralph Müller-Schallenberg zum Thema Alkohol am Steuer, pardon, nee, stopp, zurück, zum Thema Alkohol an der Flinte geißeln. Auf jeden Fall mag der Funktionär in einem Schlückchen vor, während oder nach dem Pirschgang per se nix Verwerfliches sehen, im Gegensatz zum Bundesverwaltungsgericht. Wenn ein Drink auf den Waffenbesitzer nicht verhaltensbeeinflussend wirkt, warum nicht. So ein kleiner Aperitif vor dem finalen Abschuss kann ja durchaus auch stimulierend wirken und die (durchaus auch sexuelle) Lust im Angesicht des tierischen Todes immens steigern. Und das ist ja schließlich Sinn der Sache.
Alkohol ist aber nicht nur ein guter Freund der NRW-Schießer, sondern scheint in diesen zünftigen Kreisen weit verbreitet, akzeptiert, toleriert – und geliebt. Auch in Hessen. Gut, wenn, wie im Waldeck’schen passiert, ein betrunkener Nimrod auf der Heimfahrt von einer Treibjagd erst seinen Wagen in den Straßengraben setzt, um anschließend, von der Polizei seines Führerscheins „beraubt“, zu Hause seine beiden Jagdhunde zu erschießen (vermutlich weil er sie für Schwarzkittel gehalten hat), fällt das unter Kollateralschäden. Aber wenn der Vorsitzende des Jagdvereins Wetzlar die „lieben Kollegen“ im Vorfeld einer Demo gegen die Landesjagdverordnung in Wiesbaden inständig ersucht, nüchtern zu erscheinen, weil man ja schließlich einen guten Eindruck hinterlassen wolle, lässt das schon tief (ins Glas) blicken.
Tierschutz heißt, über 1 Million Mitgeschöpfe zu töten
Derselbe Landesjagdverband vergießt andererseits plakative (Krokodils-)Tränen, weil das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen seine Klage gegen das Umweltministerium, das ihm, frech aber auch, die Anerkennung als Tierschutzverein verweigert, abgewiesen hatte. Hallo?!! Jetzt muss man es sich mal auf dem Zielfernrohr zergehen lassen. Gemäß aktueller Statistik haben die grünuniformierten NRW-„Tierfreunde“ in der Jagdsaison 2014/2015 insgesamt 1.066.092 Mitgeschöpfen den Garaus gemacht und vom Diesseits ins Jenseits befördert. Überwiegend waren das ganz gefährliche Kreaturen: Rotwild, Feldhasen, Füchse, Waschbären, Wildschweine, Truthühner, Ringeltauben, Gänse, Enten, Graureiher, Habichte, Bussarde, Krähen, Hunde, Katzen, Waldschnepfen, und, und, und. Das sind übrigens die Zahlen, die der LJV Nordrhein-Westfalen, mit knapp 64.000 Mitgliedern der mit Abstand größte in Deutschland, an das Ministerium gemeldet hat. Lassen wir mal die optionale Dunkelziffer außen vor. Wenn diese Erfolgsbilanz zur Stabilisierung unseres Gemeinwesens, der Verteidigung der Zivilisation und des Erhalts des Gleichgewichtes in der Natur die Jäger nicht als Tierfreunde ausweist, was dann? Auf solch einen Einfall kann man nicht nur an frischer Luft kommen. Da muss schon mehr mit im Spiel gewesen sein. Siehe oben.
Apropos Landesjagdgesetz: Im Vorfeld der Verabschiedung hatte der Jagdverband im Frühjahr 2015 so viele Demonstranten auf die Straße gebracht wie kein anderer in Deutschland. Im März machten 15.000 Flintenmänner und -frauen vor dem Landtag in Düsseldorf dagegen Front. Hat zwar letztlich nix genutzt, aber es zählt der („gute“) Wille. Die Organisatoren stilisierten diesen Aufmarsch zu „einem Protest des gesamten ländlichen Raumes gegen eine Politik, die (…) zu einer deutlichen Verschlechterung für den Tier-, Natur- und Artenschutz führt“, hoch. Nur der Westdeutsche Rundfunk hat diesen „Kraftakt der Aufrechten und Besorgten“ wohl nicht angemessen gewürdigt und bejubelt.
Dessen Berichterstattung sei mangelhaft gewesen, rügten die Jäger. Sie sprachen gar von einem „journalistischen Fehltritt mit Ansage“. Und da man mit dieser Anstalt und einer bestimmten Journalistin schon in der Vergangenheit schlechte Erfahrungen gemacht habe, lehnten sie eine Interviewanfrage zum Thema “Neues Jagdgesetz” auch kategorisch und wortreich ab. Man/frau ist es nicht gewohnt, dass sich Journalisten kritisch mit ihren Thesen auseinander setzen. Medien, die die eigenen Pressemitteilungen 1:1 abdrucken (was die Regel und auch ein klein wenig das Ergebnis einer professionellen Öffentlichkeitsarbeit der Jäger ist), gelten hingegen als neutral und objektiv. Chance vertan, aber im Nachhinein gemeckert.
Der WDR hatte das Thema „Jagdrecht“ im Rahmen seiner Sendung „Tiere suchen ein Zuhause“ beleuchten wollen. Was er denn auch tat, ohne dass die Jagenden letztlich ihren Senf dazu gegeben hatten. Deshalb wohl auch sprachen letztere im Nachhinein davon, dass der Beitrag an Tendenziösität kaum zu überbieten gewesen wäre. Sie hatten es aber in der Hand, den ein oder anderen Punkt im eigenen Interessenssinne gerade zu rücken. Chance vertan. Den inkriminierten TV-Bericht gibt es hier:
Nun, dass man nicht gerne als „Subkultur“ vorgeführt wird, ist verständlich. Aber was bitteschön sind die Jäger dann, wenn nicht das? Eine Leitkultur bestimmt nicht, auch wenn sie sich selbst als Repräsentanten einer solchen sehen. Die organisierten Hobby-Töter sind und bleiben in Deutschland eine (schwindende) bewaffnete Minderheit. Ende des Jagdjahrs 2013/2014 gab es deutschlandweit 368.314 Jagdscheininhaber. Gemessen an der Gesamtbevölkerung nicht viel. Aber sie sind ziemlich effektiv und fordern einen hohen Blutzoll, unter Feld- und Waldbewohnern ebenso wie unter Menschen. Die durch seriöse Erhebungen gestützte Aussage, dass die Akzeptanz der Jäger innerhalb der Bevölkerung schwindet, hört man in Lodenkreisen natürlich auch nicht so gerne. Das Gegenteil zu behaupten, ist leicht.
Kein Sieg der Vernunft, sondern ein Täuschungsmanöver
Hätte man es bei entsprechenden „Richtigstellungen“ belassen, wäre der Flurschaden begrenzt gewesen. Aber man musste sich ja obendrein auch noch als wackeres Häuflein Unentwegter inszenieren, das sich selbst durch massive Proteste der Bevölkerung nicht von seinem Tun abbringen lässt. Wir erinnern uns: Anfang Februar des vergangenen Jahres sollte im äußersten Südwesten Nordrhein-Westfalens, im Kreis Euskirchen, eine große, Revier-übergreifende Fuchsjagd stattfinden. Die Begründung für diese konzertierte Aktion schöpfte aus dem sattsam-bekannten Blabla plakativen Blödsinns, das in Stichworten wie Sicherung der Volksgesundheit, Tollwut- und Staupe-Bekämpfung und Erhalt der Artenvielfalt seinen Niederschlag findet. Der Tierschutzverein Kall und Umgebung hatte binnen weniger Tage 21.730 Unterschriften gegen das geplante Massaker zusammengetragen. Es hagelte zudem Proteste aus dem gesamten Bundesgebiet. Die Jäger sagten die Tötungsorgie daraufhin (publikumswirksam) ab, auch nach Intervention von Natur- und Umweltminister Johannes Remmel. Großes Aufatmen. Doch Jagdgegner und Tierschützer hatten die Sektkorken damals verfrüht knallen lassen, um einen vermeintlichen Sieg der Vernunft und der Einsicht zu begießen.
Tierschutzvereins-Vorsitzender Markus Schmitz-Bongard hatte schon gleich in Skepsis gebadet und davor gewarnt, man dürfe nicht so naiv sein zu glauben, „dass das damit erledigt ist“. Wie Recht er behalten sollte! Monate später kam heraus, dass er, seine Vereinskollegen (und mit ihnen Tierschützer aus ganz Deutschland) sowie Administration und Landespolitik hinters Licht geführt worden waren. Im Rahmen seiner Replik auf den WDR-Fernsehbericht sah sich der Landesjagdverband nämlich veranlasst, auf seiner Internetseite den TV’lern genüsslich nachzuweisen, dass sie auch in diesem Punkt falsch gelegen hätten. In dem Beitrag war auch der „Fall“ Euskirchen und die Absage der Jagd erwähnt worden. Die habe aber entgegen der Darstellung im Fernsehen wie geplant stattgefunden. Man hätte lediglich auf das Auslegen der Strecke (die Zurschaustellung der Kadaver) verzichtet. Dies wohl, um keine schlafenden Hunde zu wecken. Offizielle Lesart: Man habe „Übergriffe durch militante Jagdgegner vermeiden“ wollen.
Philosophen, Bären, Wasser, Schnaps
Die Jäger haben der Öffentlichkeit einen Bären aufgebunden und sich selbst damit einen Bärendienst erwiesen. Nachhaltiger kann man die eigene Glaubwürdigkeit nicht erschüttern. Was ist von einer Lobby-Organisation zu halten, die Wasser predigt und Wein (meist aber Schnaps) säuft? Wenig! Dieses Täuschungsmanöver, das einzig und allein durch eigenes Zutun deshalb als solches enttarnt worden ist, weil übereifrige Jagdfunktionäre mit ihrer Medienschelte punkten wollten, wird ihnen nachhängen. Der LJV hat seine vermeintliche Honorigkeit einem Triumph geopfert, dessen Halbwertzeit noch nicht einmal an die eines Glases Jägermeister heranreicht. Und seinem Pressesprecher sei ein Studium der Schriften des ollen Anicius Manlius Torquatus Severinus Boëthius empfohlen. Wie hatte der römische Philosoph weiland (wenn auch in einem anderen Kontext) so treffend angemerkt: „Si tacuisses, philosophus mansisses!“ Für jene, die lediglich Jägerlatein als zweite Fremdsprache belegt hatten: Das heißt sinngemäß so viel wie „Hättest Du geschwiegen, wärst Du ein Philosoph geblieben“.