Rotorman's Blog

Ein Selbstläufer: Auch das sechste
Pontifikat der Päpstin war ein Triumph

Die „Pontifexe“ und ihr Lover: Mark Seibert verkörperte wie bereits im vergangenen Jahr den furchtlosen Markgraf Gerold. Isabel Trinkhaus war kurzfristig als Nr. 1 eingesprungen und lieferte als Titelheldin einen überzeugenden Job ab. Foto: Spotlight

Von Jürgen Heimann

Inzwischen ist auch das sechste Pontifikat der Frau auf dem Heiligen Stuhl abgehakt. Und wie die vorangegangenen war auch diese auf nur knapp einen Monat bemessene Amtszeit ein Triumphzug. „Die Päpstin“, inzwischen schon ein Klassiker der Fuldaer Musicalmacher, ist ein Selbstläufer. Weshalb es auch nicht nötig war, gegenüber der letztjährigen Fassung an irgendwelchen Rädchen zu schrauben. So wie es war und ist, ist es nun mal gut. Punkt! Was das Publikum übrigens genauso sieht. Es bescherte den Hausherrn des im Schlosstheater untergebrachten Lateranpalastes wiederum Auslastungsquoten von fast hundert Prozent. Noch Fragen?

Dabei war der Fuldaer Musicalsommer 2019 kurz vor dem offiziellen Start noch von einer ziemlich schlechten Nachricht überschattet worden. Sabrina Weckerlin, seit Jahren eine feste Größe im Osthessischen und auch diesmal wieder als Titelheldin gebucht, hatte aus gesundheitlichen Gründen für die gesamte Saison absagen müssen. Was leider auch für ihren geplanten Einsatz als „Alrun“ beim Open-Air-Spektakel von „Bonifatius“ (22. bis 28. August auf dem Domplatz) gilt. Das Schwarzwaldmädel, das zu den begnadetsten Talenten der deutschen Musicalszene zählt, genießt in der Bischofsstadt längst Heimvorteil und war hier bisher in nahezu allen Produktionen der Spotlight-Musical GmbH zu sehen. Warum das so ist, veranschaulicht das folgende Video aus dem Jahr 2011. Damals feierte die Päpstin Welturaufführung. Sabrina Weckerlin singt „Das bin ich“:


Woww!

Herausforderung und Chance für Isabel Trinkhaus

In Isabel Trinkaus fand sich adäquater Ersatz. Die Karlsruherin hatte hier zwar bereits 2014 und 2015 als Johanna-Cover auf der Bühne gestandenund sollte das eigentlich auch diesmal wieder viermal tun, doch wurde nun gleich eine komplette Spielzeit daraus. Eine echte Herausforderung. Aber auch eine große Chance. Die Künstlerin nutzte sie weidlich und machte einen bestechenden Job. Von einigen kleinen, der Aufregung geschuldeten, aber zu vernachlässigenden Verhasplern während der Premiere einmal abgesehen, schwamm sich die Aktrice schnell frei und wuchs mit und an ihrer Aufgabe. Dalmatik, Pallium, Mitra und  weiße Soutane standen ihr gut zu Gesicht. Was, nebenbei bemerkt, samt und sonders auch auf Anke Fiedler zutraf. Mit dem stimmgewaltigen und ausdrucksstarken Berlinerin Wirbelwind als Zweitbesetzung konnte gar nichts mehr schief gehen.

Showdown bei der „Cäsarin von Rom“ (Larissa Windegger): In ihrem Etablissement verkehren Kardinäle und Senatoren. Foto: Spotlight

Die Storyline des auf dem gleichnamigen Weltbestsellervon Donna W. Cross basierenden Stücks (Regie: Christoph Jilo) dürfte hinlänglich bekannt sein. Schenken wir uns die Inhaltsangabe. Wie die Tochter eines tumben, gewalttätigen Dorfpfarrers (Andreas Lichtenberger) und einer sächsischen Heidin (Caroline Zins) als Mädchen in der von Männern dominierten Welt des 9. Jahrhunderts zum Oberhaupt der katholischen Weltkirche aufsteigen konnte, wird  anschaulich, packend und mitreißend erzählt. Begleitet und vorangetrieben von einer Musik, die als eigene, in sich geschlossene Hitparade daher kommt. Das fängt bei „Wehrlos“ an hört bei „Das bin ich“ oder dem „Einsamen Gewand“ noch lange nicht auf. Komponist Dennis Martin, der gemeinsam mit dem Regisseur auch für Liedtexte und das Libretto verantwortlich zeichnete, hat ein Händchen dafür, historische, literarische Stoffe durch Ohrwürmer zu veredeln, und zwar mit mal balladesk, mal opulent gestrickten Melodien, die nach dem Schlussvorhang noch lange nachwirken und sich in die Gehörgänge krallen. (Da darf man echt gespannt sein, welche Klangperlen er für Robin Hood aus dem Hut zaubert,  der ja im nächsten Jahr im Fuldaer Sherwood Forrest den Flitzebogen spannen soll. Als Co-Komponistist ist da kein Geringerer als Chris de Burgh mit im Boot.

Starke Darstellerriege: Spielfreudig und temperamentvoll

Reinhard Brussmann verleiht der Figur des gütigen Gelehrten Aeskulapius Profil und Gewicht. Er bringt den Klosterschülern das kleine Einmaleins bei. Foto: Spotlight

Zur Umsetzung des vom Tschechischen National Symphony Orchester eingespielten Materials bedarf es natürlich auch des entsprechenden Personals. Und daran herrscht in Fulda kein Mangel. Die Darstellerriege ist stark, spielfreudig und ambitioniert. Mit Mark Seibert hatten die Verantwortlichen dem weiblichen Pontifex wiederum einen Lover und Beschützer ohne Furcht und Tadel zur Seite gestellt. Der Frankfurter hatte dem Marktgrafen Gerold bereits in der vorhergehenden  Spielzeit Profil verliehen und war auch diesmal zu Recht erste Wahl. Dem stimmstarken 1,89 Meter großen Recken kauft man den mutigen und charakterfesten Ritter in jeder Sekunde seines wuchtigen und nachhaltigen Spiels ab. Ein anspruchsvoller Part, dem auch der als Cover gesetzte Dennis Henschel gerecht werden konnte.

Bei der Päpstin sind es aber vor allem auch die Charaktere  aus der vermeintlich zweiten Reihe der Geschichte, die Akzente setzen können – und es in der Regel auch tun. Bestes Beispiel dafür: Reinhard Brussmann. Das Musical-Urgestein aus Österreich hatte das Rollenprofil  des  weisen und gütigen Gelehrten Aeskulapius schon 2018  durch Bühnenpräsenz, Stimmpower und packendes Agieren deutlich aufgewertet und knüpfte nun nahtlos an diese herausragende Leistung an. Und wenn der Mann demnächst als Missionar Bonifatius auf dem Domplatz die Donar-Eicher fällt, dürfte er noch mal eine Schippe drauf legen. Das ist schließlich die Rolle seines Lebens. Wir freuen uns darauf.

Ein Bösewicht sammelt Pluspunkte

Christian Schöne (rechts) ist als Fiesling Anastasius unerreicht. Sein intriganter Daddy Arsenius (Leon van Leeuwenberg) möchte ihn „zum Wohle der Familie“ auf den Papstsessel hieven. Doch da sitzt schon Johanna. Foto: Spotlight

Und da wäre noch jemand, dessen authentisches Spiel stets als Pluspunkt auf der Habenseite zu Buche schlägt: Christian Schöne. Wie einst der Däne Kristian Vetter offenbar auf fiese Typen spezialisiert, kann dem gebürtigen Usinger keiner das Wasser reichen,  wenn es darum geht, skriptkonform mit zweifelhaften und anrüchigen Methoden dem eigenen Vorteil hinterher zu jagen. Zum klassischen Bösewicht und durchtriebenen Widerling entwickelt sich Schöne aber erst mit Fortschreiten der Handlung. Und spielt dann virtuos auf der Klaviatur der Tücke, Verschlagenheit, Arglist und Intrige. Als Anastasius, der „zum Wohle der Familie“ und auf Betreiben seines Daddys Arsenius (stark: Leon van Leeuwenberg) selbst gerne Papst werden möchte, es aber niemals schafft,  ist der im Zivilleben so sympathische und zurückhaltende Künstler die Idealbesetzung.

Orgien im Namen des Herrn

Päpstin Johanna in ihrem „Einsamen Gewand“. Isabel Trinkhaus machte als kurzfristig für Sabrina Weckerlin eingesprungene Titelheldin eine hervorragende Figur. Foto: Spotlight

Aus  ganz anderem charakterlichen Holz geschnitzt sind die Figuren des Rabanus und des Fulgentius, beide in Personalunion durch Lutz Standop verkörpert. Ersterer ist der Prior des Klosters in Fulda und Vertrauter der sich als Junge getarnten Johanna. Sein eindringliches „Hinter hohen Klostermauern“ gerät fast zum Showstopper. Einem solchen recht nahe kommt auch das fulminante und temperamentvolle „Im Namen des Herrn“, das Standop zuvor, diesmal allerdings als Bischof von Dorstadt, mit seinem feierfreudigen und fleischlichen Genüssen nicht abgeneigtem Gefolge angestimmt hatte. Der Ensemblesong „Ewiges Rom“ bewegt sich ebenfalls in dieser Liga. Und wenn Marioza (Larisse Windegger) in ihrem Etablissement als „Cäsarin von Rom“  Hof hält, liegen ihr die Männer zu Füßen,  Kardinäle ebenso wie Senatoren.

Dass die Päpstin, die ja in den vergangenen Jahren ja auch schon an anderen deutschen Spielorten reüssiert hatte, nach diesem Durchgang für immer da verschwinden wird, wohin sie die offizielle katholische Amtskirche wünscht, nämlich in der Versenkung, ist nicht zu befürchten. Wie heißt es doch so schön? Was gut ist, kommt wieder. Ab 10. August bis 1. September ist das Stück erst einmal im Stuttgarter Theaterhaus zu sehen, danach, ab 30. November, im Füssener Festspielhaus. Ab 15. Dezember steht dann wieder Hameln auf dem Programm. Und davon einmal abgesehen hat Spotlight-Produzent Peter Scholz ja auch noch andere erprobte Hits im Portfolio. Vielleicht wird die Zeit auch irgendwann mal wieder reif für die Heilige Elisabeth. Schau’n mer mal…

Prior Rabanus (Lutz Standop/rechts) kennt das Geheimnis von Johanna, verrät sie aber nicht. Sein „Hinter hohe Klostermauern“ gehört mit zu den schönsten Liedern der Inszenierung. Foto: Spotlight

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