Von Jürgen Heimann
Gut, die Tommies haben Lisbeth, ihre Queen. Das ist die alte Frau mit den lustigen Hütchen. Im Ikea-Land sitzt Carl Gustaf auf dem Thron, und bei den Toreros besorgt den Job Felipe VI. Die Japse leisten sich mit Akihito sogar einen eigenen Kaiser. Dagegen wirken die Luxemburger mit ihrem Nassau-Henri nachgerade bescheiden. So heißt deren Großherzog. Aber selbst der wird mit “Königliche Hoheit” angeredet. Royalen Glanz reklamieren aber auch andere für sich. Beispielsweise die Bajuwaren. Dabei bedarf es des Verweises auf den Märchenkönig aus Schloss Neuschwanstein gar nicht, zumal der abgedrehte Ludwig sowieso schon seit 131 Jahren tot ist. Quicklebendig und putzmunter hingegen ist Alicia Summ. Die Mittelfränkin firmiert offiziell als “Deutsche Zuckerrübenkönigin” und gebietet als solche noch bis 2018 über ein süßes Millionenheer Saccarose liefernder pflanzlicher Untertanen.
Die Schleswig-Holsteiner halten mit ihrer “Nordischen Steckrübenkönigin” dagegen und warten sogar mit einer das Zepter schwingenden Pellkartoffelkönigin auf, während in Sachsen eine Nussknacker-Souveränin mit der Zange droht. Das ist aber nur die Spitze des schrägen monarchistischen Eisbergs. Die Liste an Majestäten und anderer und vergleichbar gestrickter Symbolfiguren ist lang. In keinem anderen Land Europas gibt es so viele gekrönte Häupter, Merkwürden und skurrile Exzellenzen wie bei uns.
Eine Hopfenqueen für trinkfeste Seppel
Unsere europäischen Nachbarn haben dahingehend wenig zu bieten, sieht man mal von Rosen- und Weinköniginnen ab. Ausnahmen: Die Biskuitprinzessin aus dem polnischen Jaroslaw und die Südtiroler Gewürzherrscherin. Und um noch einmal auf die Lederhosenfreaks jenseits des Weißwurstäquators zurück zu kommen: Die trinkfesten Seppels beugen ihre Knie natürlich auch vor einer Hopfenkönigin. Als solche wünscht aktuell Sabrina Schmalhofer aus Obersüßbach (21) ihren bierseligen Untertanen stets ein volles Glas. Während Larissa II gar nicht einmal so ge- und zerbrechlich wirkt, wie es ihr Titel vermuten lässt. Die 29-jährige Erzieherin ist amtierende bayerische Porzellankönigin. Eine gekrönte Weißwurst gibt es südlich des Mains natürlich auch. Als solche gibt sich Christin Herrmann aus Bodenmais die Ehre, während Bianca Traut aus Bad Waldsee in Baden-Württemberg als Braunvieh-Hoheit durch die Gegen muht. derweil gräbt Allessa Romani in Fallersleben auf dem Acker nach Pommes. Sie weiß schließlich, was sie ihrem Ruf als Niedersächsische Kartoffel-Exzellenz schuldig ist.
Noch mehr repräsentativen Glanz verströmt Patricia I, die amtierende Deutsche Nudelkönigin, die seit 2006 im anhaltinischen Steuden durch den Teigwolf gedreht wird. Wir reden hier nicht von Ulknudeln. Die Sachsen machen ihr in Riesa mit einer eigenen Makkaroni-Queen Konkurrenz. Die heißt Stephanie Müller. Von ihrer Vorgängerin kann man bei hood.de sogar ein “handsigniertes Autogramm” erstehen. Kostet nur 2,99 Euro. Ein echtes Schnäppchen.
Die Zahnkönigin hat die Krone auf dem Kopf, nicht im Mund
Ganz schon Biss hat (Dr.) Meike Müller, eine modelnde Karies-Therapeutin mit der Lizenz zum Bohren. Der steile Zahn aus Ingolstadt war früher mal Apfelprinzessin, hat dann jedoch die Seiten gewechselt. Die Frau kann aber immer noch kraftvoll zubeißen. Seit 2012 firmiert sie als offizielle Deutsche Zahnkönigin und repräsentiert die Zunft der Zahntechniker und Zahnmediziner. Sie trägt nur eine einzige Krone – auf dem Kopf, nicht im Mund. Blond wie sie ist auch Cornelia Wielow, die ebenfalls einen deutschlandweit einmaligen Titel trägt. Conny I macht als Schwanenkönigin im brandenburgischen Prenzlau einen langen Hals. Das Wappen der Uckermark-Kreisstadt zeigt einen dieser seine Flügel spreizenden großen weißen Entenvögel. Mein lieber Schwan! Aus dieser trostlosen und gottverlassenen Gegend stammt ja auch Angela Merkel, die Deutsche Nebelkönigin. Der Name deshalb, weil sich die politischen Visionen und Überzeugungen der Kanzlerin stets im taktischen Dunst der Unverbindlichkeit verlieren und, falls vorhanden, in diesem Smog noch nicht einmal schemenhaft zu erkennen sind.
Arielle aus dem Thüringer Meer
An welchen ozeanischen Gestaden freilich die Thüring’sche Meerjungfrau an Land gekrabbelt ist, bedarf einer Erklärung. Die dortige Saalekaskade gilt als größtes zusammenhängendes Stauseegebiet Deutschlands. Es wird auch “Thüringer Meer” genannt. Diana, die regionale Arielle-Ausgabe, vertritt vornehmlich die Stauseeregion Bleiloch-Hohenwarte. Eine gewisse Affinität zum feuchten Element sagt man auch der Unstrut-Nixe aus Roßleben im Kyffhäuserkreis nach, die jährlich anlässlich der Kirmes ein Bad in der Menge nimmt. Dann gibt es noch die Bördekönigin in Oschersleben und die Calbenser Bollenkönigin. Und im rheinland-pfälzischen Nastätten hält die Bienenkönigin Hof. Das ist eine karnevalistische Weiterentwicklung der gleichnamigen Figur aus dem Peter-Maffay-Musical “Tarantula & Willi”.
Die Hessen waren im Ranking der Bundesländer bislang etwas abgeschlagen und rangierten unter ferner liefen. Sie galten als ziemlich einfallslos, wobei es die Rheinhessischen Weinregentinnen auch nicht rausreißen konnten. Die kommen ja auch aus Rheinland-Pfalz. Da mussten sich die Nassauer dringend mal was einfallen lassen. Und sie holen auf. Im südhessischen Biblis pflegt man(n) seit einigen Jahren eine Gurkenkönigin zu krönen. Solche gibt es aber längst auch im Jerichower Land in Sachsen-Anhalt und im Spreewalddorf Lehnde. In Bayern sowieso. Und im Fernsehen. So hieß mal eine Folge des Polizeinotrufs 110. Gemein ist den Titelträgerinnen, dass sie, mit Ausnahme der gleichnamigen TV-Figur, meist schon etwas besser aussehen als der Name vermuten lässt. Bei der Perlenprinzessin vom Arendsee in Brandenburg ist es umgekehrt.
Raps, Schnaps und Heilwasser aus Bad Vilbel
Dann gibt es auch noch einen Quellenkönigin, und zwar im Hessischen Bad Vilbel. Und das bereits seit 2003. Aktuell macht Jasmin I als solche PR für die staatlich anerkannten, aus dem tiefen Inneren der Erde sprudelnden Hassia-Heilwässerchen. Ob die auch die Funktion eines Jungbrunnens erfüllen, müssen die nächsten Jahre bei ihr zeigen. Und die im Hessischen Bauernverband organisierten Agrarier sind mächtig stolz auf eine andere Erhabenheit. Seit zwölf Jahren inthronisieren sie eine Schnaps-, nee, stop, eine Rapsblütenkönigin. Als solche sitzt derzeit Katharina I auf dem Thron, und das noch bis 2018. In Mecklenburg-Vorpommern und auf Fehmarn sind solche Kreuzblütengewächs-Herrscherinnen auch längst etabliert.
Aufgabe dieser gekrönten Häupter ist es in erster Linie, Werbung für ein bestimmtes Produkt oder eine Region zu machen. Sie stehen dann als Symbol-, Gallions- oder Repräsentationsfiguren an der Spitze diverser, mehr oder weniger aufreizender Bewegungen. Wobei es (ihnen) nicht immer wirklich gelingt, tatsächlich auch eine gute Figur abzugeben – oder sich eben aufreizend zu bewegen. Aber das ist Geschmacks- und Ansichtssache. Gilt auch für die Bewertung angeblicher Schönheitsköniginnen. Entsprechende Wettbewerbe gibt es ja wie Blondinen am Strand von Arenal, und zwar landauf, landab. Angefangen auf der untersten provinziellen Ebene bis zum globalen World-Contest. Bei diesen Miss-Wahlen entscheiden in der Regel geifernde und sabbernde alte Herren mit Dioptrien-Defiziten darüber, welcher der über den Laufsteg stöckelnden knapp bekleideten Hübschen die meisten Points gebühren. Ein Mädel aus unserem Kaff ist unlängst zur “Missglückt” gekürt worden. Eine Punze aus der Kreisstadt schwingt als amtierende “Misslungen” das Zepter, während es Nachbarort ein Mädel sogar zur “Missraten” gebracht hat. Hier gibt es aber auch eine “Missgeburt”, eine “Misstrauisch” und eine “Missgelaunt”.
Deutschlands schönste Totengräberin
Inzwischen gibt es sogar eine “Miss Abschied”. Wirklich! Das ist angeblich Deutschlands attraktivste Totengräberin. Dieser Titel wurde 2016 zum zweiten Male vergeben. Ausgerichtet worden war die Kür vom Internetportal „Bestatter Preisvergleich“. Die Wahl der Jury fiel zuletzt auf die 31jährige Tatjana Geiser aus dem Schwarzwald. Sie hatte sich gegen 75 Kontrahentinnen durchsetzen können – auch weil sie, wie es in der Begründung der Jury hieß, nicht nur attraktiv sei und durch innere Werte überzeuge, sondern auch mit beiden Beinen im Leben stehe. Klingt im Kontext von Grablegungen schon etwas makaber. Da fällt ihren direkt betroffenen Klienten der Abschied von dieser Erde sicherlich gleich doppelt schwer. Die Nachfolgerin von Janchen klopft bereits ungeduldig auf den Sargdeckel. Ihr Name soll in den nächsten Tagen bekanntgegeben werden.
Hyper- oder radioaktiv? Ein Geigerzähler für Miss Nuclear
Aber es geht immer noch einen Tick abgedrehter. In Russland findet seit 2007 alle drei Jahre die Wahl der “Miss Atom” oder auch “Miss Nuclear” statt. Gewählt wird dabei die ansehnlichste Mitarbeiterin eines Reaktors. Erster Preis ist jeweils ein mit Diamanten besetzter Geigerzähler. Aktuell strahlt Jekaterina Bulgakowa (28) als amtierende Titelträgerin in die Kameras, wobei es, was die anschauliche Halbwertzeit der Lady angeht, unterschiedliche Prognosen gibt. Die Frau ist zwar nicht hyper-, aber vermutlich radioaktiv.
Um Längen am guten Geschmack vorbei zielt die Wahl der “Miss Landmine”, wie sie erstmals 2009 in Kambodscha ausgerufen, aber damals von der Regierung verboten worden war. Aktuell gibt es einen solchen Contest noch in Angola. Angeblich soll dadurch das Bewusstsein der Öffentlichkeit für das Leid von Explosionsopfern geschärft werden. Zu Wahl stellen dürfen sich nur Frauen, die durch Tretminen verkrüppelt wurden und Gliedmaßen verloren haben. Als Preise winken Prothesen. Geht’s noch?
„Miss Reptilium“ in der Bahnhofsmission
In Belgien wird seit einigen Jahren die attraktivste Obdachlose ausgeguckt. Die erfolgreichste Teilnehmerin darf für die Dauer eines Jahres all inclusive in der Bahnhofsmission wohnen. Außerdem winkt ein Saison-Abo für die Konzerte der Heilsarmee. Diese Frauen müssen aufgrund ihrer persönlichen Lebensumstände schon ziemlich hart im Nehmen sein, was erst recht für die “Miss Reptilium” gilt. Interessenverbände der Terrarienfreunde haben sich diese durchgeknallte Kür ausgedacht. Und dabei kommt es mehr auf strapazierfähige Horn- und Schuppenhäute denn auf eine entsprechende Orangen-Pelle an. Also bei den Tieren.
Skorpione, Vogelspinnen und Donald Trump
Um ihren Mut und ihre Unerschrockenheit zu demonstrieren, müssen die Titelaspirantinnen während des Contests Schlangen, Skorpione, Riesen-Tausendfüßer und Vogelspinnen knuddeln und es ertragen, dass diese Viecher auf ihren Revuebodys herumkriechen. Heavenly touch geht anders. Andererseits: Die Gewinnerinnen der Miss-Universum-Wahlen mussten in der Vergangenheit noch Schlimmeres durchstehen und waren einem deutlich höheren Ekelfaktor ausgesetzt. Für sie gab es neben der Krone und einer saftigen Geldprämie auch noch ein Busserl vom Veranstalter. Das anzuschmatzen war das Privileg eines Bauunternehmers und Immobilienmoguls, dem die Hälfte der den Wettbewerb veranstaltenden Miss-Universe-Organisation gehörte. Der Mann hieß Donald Trump.