Rotorman's Blog

Trotz Ausfalls des Absetzflugzeugs
fast 10.000 Absprünge über der “Hub”

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Let the sunshine in: Tanz über den Wolken. Bei Vertikal-Tempo 250 wird die Choreografie zur echten Herausforderung. Foto: Marcel Leicher

Von Jürgen Heimann

Der Markt ist gehalten, die Saison rum. Für die Breitscheider Fallschirmsportler war es eine turbulente und so nicht vorausschaubare. Was sie dazu zwang, alle Pläne über den Haufen zu werfen. Wie heißt es doch so schön? Denn erstens kommt es anders, und zweitens als man denkt. Weil das Absetzflugzeug über Monate ausgefallen war, mussten die Skydiver auf fremdes Equipment zurückgreifen. Was die Kosten gewaltig nach oben trieb. Denn so eine Maschine gibt es als Charter nicht für einen Appel und ein Ei. Hinzu kamen sechsstellige Reparaturkosten für das hauseigene Fluggerät. Da war an den Bau des neuen Sprungzentrums, der für 2018 auf der Agenda gestanden hatte, nicht mehr zu denken. Aber aufgeschoben ist ja nicht aufgehoben. Eine kleine, nur  50 mal 50 Zentimeter große  Aussparung im Rumpf der schnittigen Cessna “Supervan” sollte sich finanziell als Fass ohne Boden entpuppen und ein  tiefes Loch in die Kasse reißen. Das Flugzeug hatten die Himmelssportler 2015 in Tansania erworben,  in einem 28-stündigen “Gewaltritt”  nach Deutschland überführt und dort nach einem Umbau in einer ostdeutschen Werft registrieren lassen.

Obwohl ihre eigene Cessna “Supervan” nur an wenigen Tagen im Einsatz war, verbuchten die Breitscheider Skydiver in der abgelaufenen Saison mit fast 10.000 Absprüngen ein neues Rekordergebnis. Das Chartern fremder Flugzeuge riss aber ein großes Loch in die Kasse. Foto: Marcel Leicher

Die Maschine war zuvor in Dar es Salam für Touristen- und Fotoflüge im Einsatz gewesen. Bei einer routinemäßigen Wartungsinspektion  fiel den Prüfern nun mit dreijähriger Zeitverzögerung auf, dass die einstige Kameraaussparung in den deutschen Zulassungspapieren gar nicht gelistet war. So etwas nachträglich zu korrigieren, wäre im normalen Leben ein Klacks gewesen. Nicht so in der Luftfahrt. In diesem sensiblen Verkehrsbereich türmt sich so etwas zum Problemgebirge auf. 120.000 Euro sollten Rückbau und nachträgliche Zulassung verschlingen. Ein Prozedere, das sich über viele Monate hinzog.  Um trotzdem einen ordnungsgemäßen Sprungbetrieb aufrechterhalten zu können, mussten fremde Flugzeuge angemietet werden. Der Spaß verschlang dann noch mal 80.000 Euro. Verdammt viel Geld für einen so kleinen Verein. Da lösten sich alle hochfliegenden Pläne vom  Bau des neuen Domizils in Luft auf.

Eine Flüstertüte namens “Whisky-Whisky”

Doch die “Whisky-Whisky” wurde während dieser Zeit nicht nur von den Fallschirmspringern vermisst. Auch viele Flugplatzanrainer mögen sich die “Flüstertüte” sehnlichst zurückgewünscht haben. Denn: Von seinen minimalen Geräuschemissionen her ist der Leisetreter von keinem anderen Flugzeug zu toppen. Alle anderen kommen deutlich lauter daher. Da hat sich die seinerzeitige Investition in den neu entwickelten und ziemlich teuren, aber äußerst effizienten 5-Blatt-Propeller schon gelohnt. Auch im Sinne einer guten Nachbarschaft.

Trotz dieser Widrigkeiten fuhren die ausstiegsfreudigen Freifaller in der Saison 2018 sportlich  ein Top-Ergebnis ein. 170 Exits fehlten ihnen bis zur Rekordmarke von 10.000 Absprüngen. Das waren so viele wie noch nie. 1.800 nach Adrenalin dürstende Passagiere vertrauten sich den Tandemmastern von Skydive Westerwald an und genossen bei Vertikal-Tempo 200 den Rausch des freien Falls. Und im himmlischen Klassenzimmer machten die Pauker Überstunden. Ausbildungsleiter Eric Postlack und sein Kollegium verhalfen 25 Schülern zur Lizenzreife.

Neu: Schule für Wingsuit-Piloten

Vogelmensch: Seit diesem Jahr gibt es in Breitscheid eine Schule für Wingsuiter. Diese Spielart der vertikalen und horizontalen Distanzüberbrückung gewinnt auch auf der “Hub” immer mehr Anhänger. Hier werden “Kittelflieger” aus ganz Deutschland ausgebildet. Foto: Skydive Westerwald

Viele Fortgeschrittene drückten derweil bei Ralph Grimm die Schulbank. Der Mann  ist Instructor und Gründer der Anfang des Jahres am Breitscheider Platz eröffneten  Ausbildungsstätte für “Kittelflieger”, die scherzhafte Bezeichnung für Wingsuit-Piloten. Das sind die, die ob ihres textilen Outfits aussehen wie Fledermäuse. Der besondere Zuschnitt der Flügelanzüge ermöglicht denen, die drin stecken, die Überbrückung großer horizontaler Distanzen. Erst wer mindestens 200 Einträge in seinem Sprungbuch nachweisen kann, wird, so will es der Gesetzgeber, zur Schulung in dieser Disziplin zugelassen. Teilnehmer aus ganz Deutschland ließen und lassen sich auf der “Hub” darin unterweisen. Die verschärfte Variante dieser Form der horizontal-vertikalen Distanzüberbrückung heißt “Speed-Skydiving”. Dabei gilt die gleiche Kleiderordnung. Die himmlischen Formel-1-Piloten erreichen im freien Fall Geschwindigkeiten von 500 Sachen und mehr.

Ab und an wird die Luft auch für erfahrene Parachuter ziemlich dünn. Beispielsweise bei Höhensprüngen aus 6.000 Metern. Solche High Altitude-Jumps sind ohne eine zusätzliche Sauerstoffversorgung allerdings nicht drin.

Chrissi Richter bei der Freefly-WM in Australien

Man kann das ja auch mal so sehen…. Foto: Marcel Leicher

Bei Weltrekorden, deutschen oder europäischen Meisterschaften sitzen die gut beschirmten Vertreter aus Breitscheid in der Regel in der ersten Reihe. Zahlreiche Titelgewinne und Bestmarken zeugen davon. In diesem Jahr hatte Chrissi Richter die SDWW-Farben wieder würdig vertreten – in  Australien. Mit seinem Deutschen Meister-Team “3 Fly” belegte er in der Freefly-Disziplin (Offene Klasse) den achten Rang. Der war teuer erkauft. Im Gegensatz zu an anderen Sportarten erhalten Fallschirmspringer für derlei Missionen keinerlei Verbandszuschüsse, sondern müssen alles aus eigener Tasche bestreiten.

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