Von Jürgen Heimann
Ablästern, in kleinen Dosen mit Häme angereichert, muss ab und zu drin sein. Auch am Arbeitsplatz. Zumal kaum etwas mehr Spaß macht, als über Kollegen/-innen herzuziehen. Und das geschieht ja nicht grundlos. Während in ausgewiesenen Lärmbereichen des Unternehmens das Tragen eines Gehörschutzes verpflichtend vorgeschrieben ist, sind Mitarbeiter außerhalb davon einer anderen, viel perfideren Spielart von Geräuschterror schutz- und hilflos ausgeliefert. Da gibt es überwiegend im weiblichen Spektrum verortete Belegschaftsangehörige, die stöckeln auf ihren grundsätzlich nagelbewehrten und Hartleder verstärkten Absätzen durch und über die Flure, dass es bis in die entzündeten Zahnwurzeln nachhallt. Besonders in hellhörigen, nach oben und unten hin nicht gedämmten Büro-Containern kann sich dieser Tack-Tack-Terror bis zur chronischen Psychose auswachsen. Seine Schweine erkennt das ausgeschlafene Bäuerchen schließlich an ihrem Gang…
Ob im Stakkato-Schritt zur Toilette, in die Kaffeeküche oder einfach zum Schwatz nach nebenan, es knallt und schallt Nerv tötend. Vor allem dann, wenn sich der Fußboden gegen jedwede Schwingung resistent zeigt und mit voller Unnachgiebigkeit dagegen hält. Man/frau kann das Echo durch gekonnte Gewichtsverlagerung noch verstärken, wenngleich dies aber eher der Optik geschuldet zu sein scheint. Die Ladies, zumindest einige unter ihnen, sind ja bis heute der felsenfesten Überzeugung, es sähe besonders aufreizend und sexy aus, wenn sie wie angestochene Erdhörnchen auf Chrystal Meth durch die Pampa kreiseln, Sidestep-Hüftschwung wie auf einem von Francesco Schettino gesteuerten krängenden Bananendampfer aus Burkina Faso bei Windstärke 10 inklusive.
Das haben sie sich irgendwann mal bei Heidi Dumms Casting-Komödie “Germanys Next Toptrottel(ine)” abgeschaut, aber da irgendwie etwas falsch verstanden. Zumindest geht die Adaption meistens fürchterlich in die Hose bzw. den Rock. Dagegen nimmt sich eine dieselbetriebene, nur noch auf zwei Zylindern operierende Rüttelplatte zum Verdichten asphaltierter Streuobstwiesen wie das filigrane Schweben einer Kolibri-Feder aus.
Und jetzt verstehe ich auch, warum das Pflegepersonal in Krankenhäusern und anderen medizinischen Versuchsanstalten dazu verdonnert ist, diese gummierten Clogs und Sandalen aus dem Haute-Couture-Labor von Birkenstock zu tragen. Nicht auszuhalten, wenn die Karbolmäuschen und -mäuseriche alle auf High-Heels über die Klinik-Flure stöckeln würden. Da würde selbst der friedfertigste Turbo-Rekonvaleszent zum Stier und der Testosteron geschwängerte, feldverwebelte Gesichts-Günter aus Zimmer 44 a liefe Amok – auf Schlappen oder Filzpantoffeln.
Schon eine einzige mit den richtigen Gehwerkzeugen ausgestattete Tusse kann mit relativ geringem körperlichen Einsatz akustisch locker die Stampede einer durchgeknallten Bisonherde in den Schatten stellen.Das Großraumbüro tobt vor Begeisterung. Hallo, ich bin die Claire Grube. Häääh? Was ist das überhaupt für ein Name??? Claire Grube! Da hätten damals selbst beim schläfrigsten Bürokraten-Penner im Einwohnermeldeamt alle Alarmglocken läuten müssen. Sonst ist dieser intellektuelle Tiefflieger nämlich viel kleinlicher und pendantischer. Mein Kumpel, ein passionierter Turnier-Florist (war schon mal deutscher Juniorenmeister in der Aufsteigerklasse für Nitrat-gedüngte Korbblütler) hatte sich mit seiner Namensvorschlag jedenfalls nicht durchsetzen können. Er hätte seinen Erstgeborenen gerne “Tulpen-Heini” getauft, was prompt und strikt abgelehnt wurde. Was er bis heute nicht verstehen kann. Denn es gibt doch andererseits auch den Namen Rose-Marie…. Und daran stört sich niemand.
Die kritische Masse beginnt unter dem Kinn
Absatz. Zurück zu selbigem. Also, Frau Grube, die von allen nur “Miss Raten” gerufen wird, hat mehr Haare auf den Zähnen als alle ihre männlichen Kollegen zusammen auf dem Kopf. Nach ihr habe ich auch mein erstes Magengeschwür benannt. Gegen sie ist der Krawall-Output eines marschierenden und ins Manöver ziehenden Panzergrenadierbataillons der Appenzeller Special Forces ein Sch…Dreck. Die Jungs in Dreck-Oliv sehen zwar noch bescheuerter aus als die Kollegin, müffeln dafür aber (zumindest von Weitem) nicht so nach Chanel (No. 5). Und das mit der Gleichschritt, links, zwo, links zwo, haben die trabenden Alm-Öhis auch viel besser drauf. Clair hat eine Figur wie eine Hundehütte: In jeder Ecke einen Knochen. Die weiß sie aber unter einer kapitalen Isolier- und Dämmschicht gut zu verstecken. Anders ausgedrückt: Bei ihr beginnt die kritische Masse bereits unterhalb des Kinns. Wäre sie ein Auto, hätte es bestimmt schon längst eine Rückrufaktion gegeben. Neulich hat die Dame allen Ernstes in die Runde gefragt, ob wir sie zu dick fänden? Antwort: Och, jedes gute Stück Fleisch hat auch einen Fettrand….
Zwischen Stepp- und Depp-Tanz
Bei ihr könnte es sich durchaus um eine verunglückte Reinkarnation von Ginger Rogers handeln. Aber bei ihr heißt das auch nicht Stepp-Tanz, sondern Depp-Tanz. Auch braucht die Gute, um ein Percussion-Inferno zu entfachen, keine die Trittgeräusche verstärkenden Metallplättchen unter den Hufen. Solche hat sie stattdessen als Piercing an der Backe, was natürlich das Risiko beinhaltet, dass das Mädel nach starken, anhaltenden Regenfällen anfängt zu rosten. Und ich dachte dann immer, dass sei ein besonders raffiniert aufgetragenes Rouge. Damit sieht sie aus wie eine lebende Reklame für vollendete Totenstarre. Was nebenbei bemerkt auch über für ihre beiden Sitznachbarinnen Heide Witzka und Marie Huana gilt.
Im Gegensatz zu Pferden, die über ein Repertoire von maximal fünf verschiedenen Gangarten verfügen (können), hat Frau Grube nur eine drauf. Das ist eine krude Mischung aus “Slow Gait”, gerissenem “Tölt” und gestoßenem “Rack”, wobei die Übergänge zwischen den einzelnen Phasen aber nicht so fließend sind. Die Tempovarianz im oder zwischen Schritt und Galopp ist jedoch ziemlich hoch und dynamisch.
Abrupte Stopps in abstrakter Bruchdissonanz
Das Bewegungsmuster orientiert sich von seiner asyncronen Rhythmik her am vierphasigen Zweiertakt, beginnend mit einer diagonalen Zweibeinstützphase vorne links, an der sich dann eine laterale rechts anschließt. Wobei es durchaus auch noch Verschiebungen in der Fußfolge geben kann. Das ist aber tagesformabhängig. Zudem ist die Dame stets bestrebt, zur Kadenzierung kurze, abrupte Stopps in ihre Bewegungsabläufe einbauen. Ein synkopiertes, jähes Innehalten an der Schwelle zur diametralen und eher abstrakt gehaltenen Bruchdissonanz.
Zum Duschen in die Autowaschstrasse
Nicht nur akustisch ähnelt ihr Bewegungsvokabular dem eines Rosses. Auch optisch (von hinten) gleicht sich die dunkelhaarige Bürosteppenschönheit immer mehr dem Bild an, das ein Brauereigaul beim Ziehen eines Wagens voller Bierfässer bietet. Die Kuppen beider Wesen ähneln sich in ihrer perspektivischen Ausdehnung auf frappante Art und Weise. Wenn der Dimensionszuwachs in dem bisherigen Tempo anhält – er tut das proportional zum Blätterschwund des Abreißkalenders – muss Lady Klapperabsatz künftig alle sechs Monate die Konfektionsgröße ihrer Garderobe korrigieren – nach oben. Und geht zum Duschen in die Autowaschstraße. Die Post hat ihr schon mal vorsorglich eine eigene Postleitzahl zugewiesen.
Um diesen Hauch von Korpulenz zu kaschieren, trug das Mädel neulich einen weiten, schreiend geblümten Rock. Als selbiger durch eine unbedachte Körperbewegung nach oben rutschte, traten sich tiefe Gräben und Untiefen auf. Alle anderen im Raum glaubten, es mit Schlaglöchern zu tu zu haben. Doch das Ganze entpuppte sich als Cellulitis im fortgeschrittenen Stadium.
Wie erst jetzt herausgekommen ist, heißt Clair gar nicht Grube, sondern Olga. Olga Kalaschnikova. So steht es in ihrem Pass. Der graue Star war der einzige Promi in ihrer Familie, die aus einer zwischen Kaspischem Meer und Altaigebirge gelegenen Präsidialrepublik stammt, die sich genau in der Mitte Eurasiens befindet. Wenn das Mädel, das auf alten Fotos immer viel jünger aussieht als heute, also, wenn das Mädel das Büro betritt, schnellt die Raumtemperatur nach oben. Aber nicht, weil das so ein heißer Feger ist. Ihr ist nur ständig kalt. Deshalb müssen prompt alle Fenster geschlossen und die Heizungsthermostate nach oben gedreht werden. Die Klimaanlage bekommt dann wieder mal einen freien Tag.
Olga erinnert nicht nur von ihrer Physiognomie her entfernt an Reptil. Auch die Regelung ihrer körpereigenen Temperaturhaushaltes muss ähnlichen Gesetzmäßigkeiten folgen wie bei Schlangen und Eidechsen. Und bei Fischen. Ich glaube, so etwas nennt man/frau “wechselwarm”. Oder war’s “wechselarm”? Wie auch immer: Schuppen hat sie natürlich auch!
Vergorene Stutenmilch am FKK-Strand des Balchasees
Ihr gutturales Herumgenöle – vielleicht handelt es sich auch lediglich um Brunftschreie – geht durch Mark und Bein. Das ist bei ihr genetisch bedingt. Damit haben ihre Ahnen, als sie noch als Jäger, Fallensteller und Unternehmensberater für semiprofessioneller Savannenäuber durch die Kaspische Senke torkelten, in grauer Vorzeit die lästigen Sumpfschildkröten vom FKK-Strand des Balchasees gelockt, um diese in Folge mit albinen Saiga-Antilopen zu kreuzen. Dabei heraus kam, wenn alles gut ging, so eine Art gelb und längsgestreiftes Rüsselschwein mit Kniehkehlen an der Vorderseite. Ausgebeint lieferte diese Kreatur den Grundstoff für das kasachische Nationalgericht “Beschbarmak”. Dabei gibt’s ”Plow”, einen ungenießbaren Reismischmach, der mit vergorener Stutenmilch runtergespült wird. Aber wir schweifen vom Mittagstisch davon.
Karneval und Hokkaido-Tai-Chi
Neuerdings versucht die Schnepfe zusätzlich Elemente des “Tennessee Walk Horsing” in ihren Gang zu integrieren. Diese Gangart beinhaltet neben einer viertaktigen Grundausauslegung auch akzentuierte Ausdruckselemente wie Kopfnicken und Zähneklicken. Das hat, zumindest aus kernevalistsicher Sicht, durchaus Stil, vor allem dann, wenn man/frau das zusätzlich noch mit dem Hokkaido-Tai-Chi entlehnten Fragmenten kombiniert. Das daraus resultierende Bewegungsvokabular ähnelt in seiner Summe jener Choreographie, mit der der Epileptiker überraschend (und unfreiwillig) den Breakdance-Wettbewerb in der Dorf-Disco gewonnen hatte. Dabei hatte er sich an der Theke nur eine Cola holen wollen….
Theorie-choreographisch hätten wir das jetzt unter den Füßen. Aber wenigstens schnaubt und wiehert Clair Grube nicht. Das ist eher mein Part…