Von Jürgen Heimann
Wäre ich ein Fuchs und somit auch so schlau, ich würde nach Luxemburg auswandern. In dem beschaulichen nur 2.586 Quadratkilometer kleinen Großherzogtum ginge es mir gut. Ich könnte unbehelligt durch die Pampa streifen, ohne befürchten zu müssen, dass mir in jedem Augenblick Blei um die Lauscher fliegt oder ich in eine dieser fiesen Schlagfallen tappe, um erst nach Tagen jämmerlich zu verrecken. Auch meine Alte und die Kiddies wären vor mörderischen Nachstellungen sicher, dürften ihr Leben genießen und hätten keine Angst mehr davor, dass irgendein blutrünstiger, krummbeiniger Jagdwaldi Hausfriedensbruch begeht und ihre bauliche Idylle stört. Und im Gegenzug, weil eine Pfote ja schließlich die andere wäscht, verbreiten wir dann natürlich auch keine Krankheiten und Seuchen wie beispielsweise Tollwut, vermehren uns nicht unkontrolliert und lassen Niederwild und Bodenbrüter weitestgehend in Frieden.
Ab und an müssen wir uns als passionierte Beutegreifer zur Abwechslung natürlich auch mal an einem Fasan, einem Kaninchen, einem Auerhuhn oder einer Ente gütlich tun. Man gönnt sich ja sonst nix. Nur Mäuse zu vertilgen ist auf Dauer doch etwas eintönig und obendrein, wie mein Ernährungsberater sagt, ungesund, weil halt zu einseitig und damit unausgewogen. Aber, großes Reineke-Ehrenwort: Das geschieht alles in Maßen, ohne dass die Nahrungsquellen, aus denen wir unsere Leckerlis schöpfen und rekrutieren, in Bestandsgefahr geraten. Natürlich bleibt ein ungesichertes, nach allen Seiten hin offenes Hühnergehege eine Versuchung, der wir selbst dann nicht widerstehen können. Das ist ja auch wie eine Einladung zum Festessen. Die Menschen gehen schließlich auch nicht achtlos an einem Stand mit Freibier vorbei.
Meine Verwandtschaft ist zu beneiden
Meine Cousins im Ösling und im Lothringer Stufenland halten das genauso und sind glücklich. Die haben es sogar hingekriegt, zu einem friedlichen Nebeneinander mit den Menschen zu finden. Und deshalb will ich auch dahin. Gut, oder eher nicht gut, auch unter den Zweibeinern dort gibt es nach wie vor bewaffnete Kräfte, die mir und meinesgleichen nicht besonders gut gesonnen sind. Die würden meiner Verwandtschaft daselbst eher heute als morgen komplett und flächendeckend den Garaus machen. Aber: Sie dürfen es nicht (mehr)! Tattaa! Die Regierung hat den feindlichen Truppen die Flintenläufe verbogen und ihnen strikt untersagt, uns ins Visier zu nehmen.
Warten auf den Weltuntergang
Und, meine Damen und Herren, ob Sie’s glauben oder nicht, kein einziges von den schießwütigen Oberbefehlshabern im Vorfeld der beispielhaften Schutzmaßnahme skizziertes Katastrophen-Szenario ist tatsächlich eingetroffen. Das war nix als Panikmache. Dort im idyllischen Westen geht weder alles den Bach hinunter noch sind Zivilisation und Volksgesundheit bedroht. Alles im grünen Bereich. Der von uns angeschobene Weltuntergang muss noch etwas warten.
Das Schengen-Abkommen hat ja auch für unsereins vieles einfacher gemacht. Deshalb wechsele ich demnächst mal schnell auf die andere Seite der Grenzte und schaue, um die Lage zu peilen, bei meinem Schwager in Ettelbrück vorbei und besuche anschließend die Fuchs-Oma in Mersch. Das klang gut, was sie letztens getwittert hat. Prima Nachrichten. Die Regierung von Luxemburg hat, wie versprochen, das im April 2015 erlassene Fuchsjagdverbot um ein weiteres Jahr verlängert. Weil, ich zitiere den zuständigen Staatssekretär aus dem Nachhaltigkeitsministerium, “es keinerlei Gründe gibt, das bestehende Reglement zu überdenken bzw. abzuändern”. Chapeau!
Gericht ließ die Jägerlobby abblitzen
Bei den Jägern und einigen Bauern ist das Heulen und Zähneklappern jetzt groß, auch wenn sich Camille Gira, der Staatssekretär, den Widerstand klein- und schönredet. Die Agrarökonomen und Pirschgänger hatten ja über den hiesigen Jagdverband „Fédération Saint-Hubert“ noch im Juni dieses Jahres versucht, die Maßnahme per Verwaltungsgerichtsbeschluss zu kippen. Aber die richtenden Juristen haben denen den Stinkefinger gezeigt. Sie, wie die Regierenden, sind resistent gegen die durchsichtigen Versuche der einflussreichen Jägerlobby, die nur ihren Abschussinteressen Geltung verschaffen will. Sie bleiben in der Spur und sind entschlossen, die Belange von Natur- und Tierschutz in ihrer Gesetzgebung angemessen zu berücksichtigen. Und zwar um Wildtiere wie uns vor ungerechtfertigten Nachstellungen zu bewahren. Bei Facebook würde ich jetzt den “Gefällt-mir”-Button drücken und die Seite des Nachhaltigkeitsministeriums liken. Aber ich habe mein Login-Passwort vergessen.
Wir posieren fürs Familienalbum
Die Familienfotos hier hat übrigens unser humanoider Nachnamensvetter Mirko gemacht. Das ist ein gern gesehener Haus- und Baufreund und macht sich unsere Sache zu eigen. Nachdem der Mann im Wittgensteiner Land mit seiner Nikon nicht mehr auf Hirsche zielen darf, stellen wir uns ihm gerne als Models für das ein oder andere Shooting zur Verfügung. Vertrauen gegen Vertrauen. Doch die Situation in den germanischen Revieren ist für unsereins sonst keine gesunde. Hier knallen die Nimrods Jahr für Jahr so viele Kollegen ab, wie Luxemburg Einwohner hat. Über 500.000. Das ist ein verdammt hoher Preis, den unser Volk da entrichten muss. Und zwar einzig und allein deshalb, damit die Schützen ihren Spaß haben.
Wenn der Fuchsbandwurm Lotto spielt
Es gibt keinen einzigen vernünftigen Rechtfertigungsgrund für ein solches Blutbad. Die (fadenscheinigen) Argumente, die angeblich dafür sprechen, basieren samt und sonders auf unseriösem Jägerlatein. Reden wir erst gar nicht von der Tollwut. Seit Jahren hat es in Deutschland keinen einzigen Fall gegeben, bei dem wir Schaum vor der Schnauze gehabt hätten. Der nach uns benannte Fuchsbandwurm zählt zu den seltensten Parasitosen Europas. Eine Ansteckung ist geringer als ein Sechser im Lotto, ob nun mit oder ohne Zusatzzahl. Und die Räude dürfte im Zeitalter der modernen Medizin ebenfalls kein ernsthaftes Problem mehr darstellen.
Drohende Überpopulation? Dass ich nicht lache bzw. heule! Wenn man uns Wildhunde nicht massenweise abknallt, leben wir sexuell enthaltsamer. In unseren stabilen Familiengemeinschaften findet echte Geburtenbeschränkung statt. Hier bekommt nur die (dienst-)älteste Fähe Nachwuchs. Greift der grünberockte Homo sapiens mit Flinten und Fallen in dieses System ein, müssen wir, um die Verluste auszugleichen, halt mehr rammeln. Dann bekommt fast jede unserer Ladies, ob attraktiv oder nicht, Junge. Meist doppelt so viele wie zu Friedenszeiten. Da sind Zwillinge, Drillinge oder auch mal Vierlinge im Mittel. Knallt es jedoch an allen Ecken und Enden, schlüpfen auch schon mal acht Welpen aus dem Mutterbauch. Wird die Luft zu bleihaltig, gehen wir andernorts in Deckung und suchen uns ein neues Revier. Theoretisch könnten wir durch diesen erzwungenen Standortwechsel nebenbei auch all diese Krankheiten weiter verbreiten, die zu haben man uns fälschlicherweise immer nachsagt.
Wir Buschschwänzigen müssen zusammen halten
Ich verstehe den blinden Hass gegenüber uns Buschschwänzigen einfach nicht. Wir sind keine Gefahr für den Artenschutz; die, die (auch) uns unerbittlich jagen, aber schon. Sie sehen in uns Beutekonkurrenten, dabei wildern wir unter ihrer Zielgruppe weitaus maßvoller als sie selbst es tun. Und einen dieser geschützten Feldhasen beispielsweise, von denen die Lodenmäntler Jahr für Jahr 200.000 Stück meucheln, kriegen wir allenfalls mal auf den Teller, wenn dieser geschwächelt hat. Ein gesunder, voll im Saft stehender Mümmelmann ist ansonsten viel zu schnell für uns, Von ihm sehen wir meist nur noch die Rücklichter. Deshalb lassen wir die Krallen von ihm, schonen unsere Kräfte und stellen stattdessen lediglich kranken und schwachen Exemplaren nach. Damit leisten wir einen wichtigen Beitrag zur Naturhygiene. Meistes kommen jedoch Mäuse auf den Tisch, die in der Landwirtschaft Schäden in Millionenhöhe anrichten. Durchschnittlich 3.000 solcher Nager verspeist jeder von uns im Jahr. Deshalb sind wir nützlich. Jäger aber nicht! Halali!