Rotorman's Blog

Vom rätselhaften Tod und der
postmortalen Odyssee eines Grimbarts

Dachse sind faszinierende Geschöpfe Die Tierrechtsorganisation PETA fordert seit langem ein ganzjähriges Jagdverbot. In der Abschuss-Saison 2017/18 sind den deutschen Nimrods 75.000 Exemplare dieser Erdmarder zum Opfer gefallen. Foto: pixabay

 

Von Jürgen Heimann

Ein toter Dachs sorgt derzeit für Aufregung und Verwirrung. In den Zeitungen und den sozialen Medien. Unter Tierschützern und  Jägern, unter Befürwortern und Gegnern der Jagd.  Und er sorgt für Empörung, Wut, Spekulationen, Hass und Anfeindungen. Je nachdem, auf welcher Seite des Grabens die Beteiligten stehen. Die Ausgangssituation: Ein Naturfotograf hatte den Kadaver des Beutegreifers am Sonntag, den 5. Mai, entdeckt. Auf einer Kirrung (Lockfutterplatz) in der Waldgemarkung von Steffenberg-Oberhörlen. Der Kopf des Tieres fehlte. Der Körper auf  der rechten Seite war blutverschmiert.

Als die von dem Zeugen verständigte Polizei in Begleitung des Jagdpächters am Fundort eintraf, war das „Corpus delicti“ verschwunden.  Es fanden sich lediglich noch Spuren von Blut und Fellreste. Einmal angenommen, dass es sich hier nicht um einen spektakulären Fall von Wiederauferstehung gehandelt hat, wer hat dann die Spuren getilgt? Wer könnte ein Interesse an so etwas haben? Mer was es net!

PETA fordert ganzjähriges Jagdverbvot

Weiter in  der Chronologie: Die Tierrechtsorganisation PETA stellte in Folge bei der Staatsanwaltschaft in Marburg Strafanzeige  gegen Unbekannt. Wegen Verstoßes gegen das Tierschutzgesetz und das Bundesjagdgesetz. Außerdem reichte der Verband bei der Jagdaufsicht des Landkreises Marburg-Biedenkopf eine Ordnungswidrigkeitsanzeige ein. Begründung: Dachse dürfen in Hessen vom 1. November bis Ende Juli nicht bejagt werden. Dies vor allem deshalb, um den Nachwuchs vor dem Verhungern zu schützen. Diese Gefahr besteht, sollten die Elterntiere etwas zustoßen.

Das und die erneuerte PETA-Forderung, die Jagd auf  die Grimbarts ganzjährig zu verbieten (im Jagdjahr 2017/18 fielen den Nimrods bundesweit 75.000 Exemplarer dieser Erdmarder zum Opfer), heizte die Diskussion erst richtig an. Für die einen war klar, dass nur ein  Jäger für die frevelhafte Tat in Frage kommen kann. Andere unterstellten dem Zeugen, das Ganze inszeniert  und das Tier womöglich selbst getötet zu haben. Um den Verdacht auf die Weidleute zu lenken. In den sozialen Medien gab es der absurden Thesen in dieser Preislage noch mehr.

Nach Wildunfall von Aasfresser verschleppt?

In die teils absurd geführte Debatte platzte die Polizei mit der Nachricht eines so nicht erwarteten Ermittlungserfolgs hinein. Der Fall sollte eine völlig überraschende, wenn nicht spektakuläre Wende nehmen. Jäger, so Polizeipressesprecher Guido Rehr, hätten damit jedenfalls nichts zu tun. Der Dachs, so die Ordnungshüter, sei nämlich Opfer eines Wildunfalls geworden. Ein Auto habe ihn erfasst, das Tier sei im Straßengraben verendet. Zugetragen haben soll sich das Ganze auf der Landesstraße 3331 zwischen Oberdieten und Oberhörlen.

Kopf ab! Dieser Dachs soll Opfer eines Verkehrsunfalls geworden sein. Er wurde zwei Kilometer von der vemeintlichen Unfallstelle entfernt gefunden – auf einer Kirrung. Die Polizei glaubt, ein Aasfresser habe den Kadaver so weit bis dorthin geschleppt – ohne sich dann an ihm gütlich zu tun. Aber unabhängig davon: Ein Tier, das zum Zeitpunkt, an dem diese Aufnahme gemacht wurde, seit drei Tagen tot gewesen sein soll, sieht anders aus. Erst recht, nachdem es von einem Auto erfasst worden ist.

Und jetzt kommt’s: Der Kadaver sei dann von Aasfressern verschleppt und an jene Stelle gezerrt worden, an der es der Fotograf letztlich fand. Dass sich auf totes Fleisch spezialisierte Wildtiere so verhalten würden, sei ja bekannt, sagte der sachkundige Beamte. Muss sich wohl um ein ziemlich kapitales Exemplar gehandelt haben. Wir reden jetzt nicht von dem Beamten, sondern von dem unheimlichen Aasfresser. Welcher Spezies er auch immer zugeordnet werden könnte.

Plötzlich kein Appetit mehr?

Wenn man sich die Gemarkungskarte anschaut,  wird man feststellen, dass zwischen dem Unfall- und dem Fundort gut und gerne zwei Kilometer liegen. Dass war seitens des unbekannten Aasfressers dann schon eine reife Leistung. Dass er seine Beute dann nach all den Mühen, die ein solche Unterfangen erfordert, ausgerechnet auf einer Kirrung abgelegt hat, ohne sich daran zu vergreifen, sollte man ihm hoch anrechnen. Vielleicht war ihm unterwegs aber auch nur der Appetit vergangen.

An dem Kadaver fanden sich keine  Biss- oder Schleifspuren, die von so einem weiten „Transport“ hätten herrühren können. Er war, so der Fotograf, relativ „frisch“ und sauber und hätte nie und nimmer zwölf Stunden so dort gelegen haben können. Muss er wohl aber, wenn die Darstellung der Polizei stimmt. Wie erwähnt, war das tote Tier am 5. Mai von dem fotografierenden Zeugen entdeckt worden, während sich der Wildunfall, auf den die blau Uniformierten verweisen, einem Protokolleintrag zufolge bereits in der Nacht zum 3. Mai ereignet haben soll. Allerdings habe sich der Unfallfahrer erst Anfang der darauffolgenden Woche gemeldet, also am 6. bzw. 7. Mai.  Zu einem Zeitpunkt, als der Fall bereits publik war und für Aufhebens gesorgt hatte. Andererseits: Ein unabhängiger Zeuge will bereits am Morgen des 2. Mai an besagter Straßenstelle einen verunfallten Dachs gesehen haben.  Ähmm…

Vielleicht hatte der verunglückte Dachs mit seinem tot auf der Kirrung entdeckten Artgenossen, dessen Verletzungen so gar nicht ins Raster (eines unter die Räder geratenen Tiers) passen wollten, auch gar nichts zu tun. Möglicherweise war es ein ganz anderer. Was aber immer noch nicht erklären würde, warum und auf welche Weise er sich in Luft augelöst hat, bevor die Polizei erschien, um seine Reste zu begutachten. Hatte da eventuell noch eine dritte Partei ihre Hand im Spiel? Oder haben wir es mit zwei Aasfressern zu tun? Während sich einer von ihnen am Unfallort bediente, machte der andere auf dem Futterlockplatz reinen Tisch. Was dann aber wiederum die Frage aufwerfen würde, wie sein Frühstück dort hin gekommen ist und wie und durch wen es zu Tode kam.

Ich weiß nicht. Irgendetwas an der Sache kommt mir nicht ganz geheuer vor….

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