Rotorman's Blog


Kommunalaufsicht zwischen Krähen,
Verdrehungen, Büroschlaf und Tiefenrecherche

Mit Riesenschritten geht der Ausbau der Straße „Unterm Klein-Loh“ zum Pracht-Boulevard seiner Vollendung entgegen. Die Kosten dafür spielen keine Rolle. Die bezahlen sowieso die Anwohner.

Von Jürgen Heimann

Mit der lapidaren und „nüchternen“, während der jüngsten Bauausschuss-Sitzung gelieferten Info des Eschenburger Bürgermeisters, die Kommunalaufsicht des Lahn-Dill-Kreises hätte die Beschwerde der Hirzenhainer Bürgerinitiative „Unterm Klein-Loh“ gegen die Gemeindeverwaltung abgewiesen, ist der Fall natürlich noch längst nicht ausgestanden. Mit diesem Vorgang werden sich die Verwaltungsgerichte noch zu beschäftigen haben. Die Anwohner der kleinen Anliegerstraße hatten zahlreiche Verfahrensfehler im Zuge der Ausbauplanung sowie eine undurchsichtige Kostenkalkulation bemängelt. Bis 45.000 Euro an Ausbaubeiträgen sollen einzelne von ihnen für die ihrer Meinung nach völlig überdimensionierte Luxussanierung des Weges berappen.

Sie fühlen sich außerdem von der Konrad-Administration unter Druck gesetzt, um nicht zu sagen genötigt bzw. erpresst. Weil man ihnen deutlich geringere Kosten in Aussicht gestellt hätte, sofern sie, wie von der Gemeinde gewünscht, einen Teil ihrer an die Straße angrenzenden Grundstücke an diese verkaufen würden. Die Gemeinde möchte dort ein Anschlussbaugebiet ausweisen. Die Anrainer weigern sich aber, die von ihnen teils als Gartengebiet genutzten Parzellen zu veräußern. Dies aber auch, um sich die schöne Aussicht, wegen der sie ihr Wohneigentum in diesem Bereich ja ursprünglich erworben haben, nicht verhageln zu lassen.

Stand der Dinge: Der Straßenausbau ist fast abgeschlossen. Die Strecke könnte nun locker mit jeder städtischen Hauptverkehrsader konkurrieren. Vier Autos pro Tag, die hier rollen, und null Fußgängerverkehr haben halt ihren Preis. Und den müssen die Anwohner bezahlen. Gegen das rigorose Vorgehen der Gemeindeverwaltung hatten sie Beschwerde bei der Kommunalaufsicht des Lahn -Dill-Kreises eingelegt. Auch deshalb, weil sie sich mangelhaft informiert fühlten und über die tatsächlichen Kosten, die auf sie zukommen würden, im Unklaren gelassen worden seien. Gemeindeverwaltung, Ortsbeirat und Bauausschuss, hatten sich geweigert, mit den Betroffenen über Art und Umfang des Projektes zu diskutieren. Dass dieses in Angriff genommen werden sollte, hatten sie erst einem Zeitungsbericht entnehmen müssen. Nach wie vor im Raum steht auch der immer noch nicht widerlegte Vorwurf, die Gemeindegremien hätten dem Ausbau nur deshalb zugestimmt, weil der Ortsbeirat signalisiert habe, die Anwohner würden diesen voll unterstützen und gutheißen. Was, wenn dem wirklich so war, glatt gelogen wäre. Eine entsprechende Protokollnotiz über besagte Ortsbeirats-Sitzung gibt es allerdings nicht.

Dass sie mit ihren Problemen und Sorgen bei der Kommunalaufsicht Gehör finden würden, war eigentlich von vornherein ausgeschlossen. Weil sich diese „Stabsstelle“ eben nun mal in erster Linie den Städten und Gemeinden in ihrem Einzugsbereich verpflichtet fühlt, nicht aber den Bürgern. Dies hatte deren Leiter, Verwaltungsdirektor Strack-Schmalor schon in seiner Bestätigung des von der BI verschickten Schreibens unmissverständlich zum Ausdruck gebracht. Ihm sei, und dabei berief sich der Mann explizit auf Paragraph 135 der Hessischen Gemeindeordnung (HGO), vor allem und in erster Linie daran gelegen, die Entschlusskraft, den Handlungsspielraum und die Verantwortlichkeit der kommunalen Gremien nicht zu beeinträchtigen. Punkt! Weil dies dem Schutze der kommunalen Selbstverwaltung diene, die ein hohes Gut innerhalb unseres Rechtssystems darstelle.

Spätestens da hätte auch dem größten Optimisten unter den Beschwerdeführern klar gewesen sein müssen, dass sie seitens dieser Kreisabteilung nichts zu erwarten hätten. Und so kam es denn auch. Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus. Die Kommunalaufsicht beschränkte sich bei ihrer „Prüfung“ denn auch darauf, zu schauen, ob die Ausbauplanung und der ihr vorangegangenen Prozesse mit der gültigen Gemeindesatzung deckungsgleich sei. War sie voll umfänglich, wie Strack-Schmalor das Ergebnis seiner umfangreichen Recherche zusammenfasste. Diese, also die Recherche, beschränkte sich, wie dem Schreiben an die Bürgerinitiative zu entnehmen ist, wohl lediglich auch auf einen (oder halt auch mehrere) Telefonanruf(e) im Eschenburger Rathaus. Frage: „Treffen die Vorwürfe der Anwohner zu?“. Antwort: „Natürlich nicht!“ Fazit: „Dann habt Ihr rechtgemäß gehandelt“. So einfach ist das!

Für ein Dezernat wie die Kommunalaufsicht, angesichts deren offiziellen Namens wir ja schon vor Ehrfurcht erstarren, und für die der Steuerzahler allein an Personalkosten jährlich zigtausende. Euro hinblättert, ist dieses (un-)begründete Ermittlungsresultat ziemlich dünn und fadenscheinig. Deren Chef, besagter Verwaltungsdirektor, hat die langwierigen Untersuchungen natürlich nicht selbst geführt, sondern an eine untergebene Hilfskraft delegiert. Das war in diesem Fall ein Herr namens Rene Kauferstein. Und dieser Knabe hat es sich bei der ihm übertragenen Aufgabe ziemlich einfach gemacht. Nachfragen? Hinterfragen? Mit Betroffenen reden? Fakten prüfen? Vorwürfe be- oder widerlegen? Oder sich persönlich ein Bild direkt vor Ort zu machen?

Wo kämen wir denn da hin? Das wäre wirklich zu viel verlangt. Leute, vom bequemen Bürosessel lässt sich solches doch viel bequemer regeln. Zumal dann, wenn auch noch der Feierabend-Gong in Hörweite ist. Und auf der Höhe der Zeit scheint der Mann, der Aussagen der BI so lange verdreht, bis sie ihm ins argumentatorische Konzept passen, ebenfalls nicht zu sein. Wider besseres Wissen (oder vielleicht weiß er das auch tatsächlich nicht besser) behauptet der Beamte im Brustton der Überzeugung, dass Städte und Gemeinden per Ukas des Innenministeriums vom Juni 2018 verpflichtet seien, Straßenausbaubeiträge zu erheben. Das ist schon mal Kokolores. Schon das Datum stimmt hier nicht. Es gab einmal einen sogenannten “Herbsterlass” vom 3. März 2014, aus dem man hätte ableiten können, dass defizitären Kommunen Straßenausbaubeiträge nicht abschaffen dürften. Selbiger wurde aber mit dem Finanzplanungserlass für das Haushaltsjahr 2020 (offizieller Titel: „Kommunale Finanzplanung und Haushalts- und Wirtschaftsführung bis 2023“) vom 16. Dezember 2019 aufgehoben. Unter Teil II., Ziffer 8. des Erlasses ist der Aufhebungstext zu finden. Veröffentlicht im Staatsanzeiger am 19.12.2019. Was Herr Kauferstein aber wohl während seines Büroschlafes nicht mitbekommen hat. Vielleicht sollte unser Landrat dem Kollegen mal eine Fortbildung spendieren.

Die generelle Abschaffung der Straßenausbaubeiträge ist übrigens auch eine zentrale Forderung der Bürgerinitiative „Unterm Klein-Loh“. Sie weiß sich damit auf einer Linie mit der landesweit operierenden Arbeitsgemeinschaft für ein „Straßenbeitragsfreies Hessen“, der mittlerweile fast hundert Bürgerinitiativen  angehören.

Was hängen bleibt ist der Eindruck, dass Bürger bei vermeintlich demokratisch legitimierten Institutionen kein Gehör (mehr) finden. Dass sie von selbstherrlichen Bürokraten, die sie auch noch selbst alimentieren, für dumm verkauft oder nicht ernst genommen werden. Man muss sich da doch nicht wundern, wenn sich immer mehr Menschen von den jahrzehntelang verbindlichen gesellschaftlich und demokratischen Prozessabläufen angeekelt fühlen, um sich dann sich ab- und radikalen Rattenfängern zuzuwenden. Macht ruhig so weiter.

Print Friendly, PDF & Email

Kommentare sind geschlossen.