Rotorman's Blog

Hessen fährt den Wildtierschutz massiv
zurück: Keine Gnade für die Waschbären

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Im Visier der Jäger und der Medien: Der Waschbär wird zum Volksfeind Nr. 1.

Von Jürgen Heimann

Es sieht schlecht aus für den Schupp. Er steht in diesen Tagen wieder mal mit dem Rücken zur Wand und sieht sich im Sperrfeuer einer hochgerüsteten Übermacht. Die Medien, allen voran das Intellektuellenblatt “BILD”, blasen zum finalen Sturmangriff auf den Waschbären, die gut geölte Propagandaabteilung des Deutschen Jagdverbandes liefert die Munition – in Form von uralten, aber in der Regel erfundenen Horrorgeschichten. Die werden dann in Folge auch von vermeintlich honorigen Medien ungeprüft übernommen. Die hanebüchenen Räuberpistolen sollen die die Gefährlichkeit der verfolgten Tiere unterstreichen. Viele Leser glauben sie. Weil ja auch einige exponierte Naturwissenschaftler, bzw. solche, die sich dafür halten, den gleichen Unsinn verbreiten. Und dann hat sich auch noch die Politik auf den Klein-Petz eingeschossen. Die schwarz-grünen Regierungskoalitionäre in Hessen beispielsweise wollen künftig auch keine Gnade mehr walten lassen.

Im Koalitionsvertrag von CDU und Grünen wird das Schicksal zigtausender junger Waschbären besiegelt. Die dürfen, anders als in der vorangegangenen Legislaturperiode, künftig wieder ohne zeitliche Begrenzung bejagt werden. Damit hat sich auch der Elternschutz während der Aufzucht der Jungen erledigt. Denn: Wenn der Nachwuchs ohne Einschränkungen abgeknallt werden darf, muss man ja auch auf die Eltern keine Rücksicht nehmen, die ja dann keine mehr sind. So einfach ist das. Für Füchse gelten bestimmte Schonzeiten nach wie vor, für Bären nicht.

Vor der Wahl klang alles ganz anders

Jagd eröffnet

Die Jagd auf den Waschbären ist eröffnet. In Hessen ist sie künftig uneingeschränkt das ganze Jahr möglich. Vor allem Jungtiere haben keine Gnade mehr zu erwarten.

Damit haben Al-Wazir, Hinz und Co (ohne zwingenden Grund) Positionen aufgegeben, die sie in den Jahren zuvor noch tapfer und unverdrossen gegen größte Widerstände verteidigt hatten. Um aber weiter bequem und gestärkt mitregieren zu können, warfen die Ökos Grundsätze über Bord – und entsprechende Wahlversprechen gleich mit. Um dem Koalitionspartner und der von diesem protegierten Lodenmantelfraktion eine Freude zu machen. Motto: Was gebe ich auf mein dummes Geschwätz von gestern?

Die neue 2015 beschlossene Hessische Jagdverordnung war, was den Wildtierschutz anging, zwar nicht perfekt, aber in weiten Teilen beispielhaft. Sie wird jetzt ausgehöhlt. Gerade weil insbesondere Vertreter der Grünen allen Anfeindungen zum Trotz bisher daran festgehalten hatten, machten viele Natur- und Tierfreunde beim jüngsten Urnengang ihr Kreuzchen bei ihnen. Sie fühlen sich jetzt bitter getäuscht und hinters Licht geführt. Und von der Bündnis 90-Partei kommen plötzlich auch ganz neue Töne: “Wir wollen die Zusammenarbeit mit der hessischen Jägerschaft intensivieren”. Und: “Die Jagd ist notwendig, um Wildbestände so zu regulieren, dass ein Miteinander zwischen Wald und Wild möglich ist”. Das klang bisher aber ganz anders, entspricht aber den gängigen Plattitüden, mit denen die bewaffneten Pirscher seit Generationen hausieren gehen und die sie bei jeder Gelegenheit als Rechtfertigung für ihr blutiges Weidwerk bemühen.

171.500 Kleinpetze getötet

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Die Bestie mit der Zorromaske. Seit Ende vergangenen Jahres gibt es, angestoßen von der Propagandaabteilung des Deutschen Jagdverbandes, ein neues mediales Kesseltreiben gegen diese Tiere. Weil sie angeblich das Gleichgewicht in der Natur bedrohen und seltenen Arten ausrotten. Foto: Pixabay

Der Deutsche Jagdverband hat, früher als sonst, seine aktuelle Streckenliste für das Jagdjahr 2017/2018 veröffentlicht. Ein  Dokument des Schreckens. Es weist 171.500 erlegte Waschbären aus, was einem Anstieg um 28 Prozent entspricht. Das bedeutet: 37.500 Waschbären mehr als in der Saison zuvor sind über die sprichwörtliche Klinge gesprungen. Die Zahlen sollen suggerieren, dass sich die Tiere explosionsartig vermehrt hätten, was das Abschussergebnis aber so nicht hergibt. Die Jäger haben lediglich exzessiver draufgehalten als sonst. Und sind trotzdem nicht in der Lage, die Ausbreitung dieser Tiere einzudämmen. Mit jagdlichen Mitteln, mit Schrot, Blei und Fallen, lässt sich das nicht bewerkstelligen. Es ist wissenschaftlich nachgewiesen, dass viele Tierarten, die sich einer intensiven Bejagung ausgesetzt sehen, die Verluste durch eine höhere Geburtenrate ausgleichen. Insofern ist die Jagd auch auf Waschbären völlig kontraproduktiv.

Nun behauptet die BILD,  die EU verlange ihre Ausrottung in Deutschland. Was völlig daneben ist. Die EU überlasst es vielmehr den einzelnen Staaten, wie diese die Ausbreitung invasiver Arten eindämmen. Und dabei muss nicht immer der gekrümmte Finger am Abzug die Ultima Ratio sein. Immunkastration wäre eine Alternative. Dafür hatten sich vor der Landtagswahl in Hessen auch die Grünen stark gemacht, wollen davon jetzt aber nichts mehr wissen.

In einigen Ländern gibt es bereits Kopfgeld

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In einigen Bundesländern gibt es bereits Kopfgeld für jeden erlegten Kleinpetz. Egal, ob er erst in Fallen festgesetzt wird und dann den Fangschuss erhält, oder sich gleich eine Kugel fängt.

Das Presseecho auf die jüngste Offensive der Jägerschaft treibt mitunter selbstsame Blüten. Noch hat der zum Volksfeind Nr. 1 ausgerufene  Problembär zwar keine kleinen Kinder gefressen oder hilflose Großmütter vergewaltig, aber das kann ja noch kommen. Die ihm zugedachte Buhmann-Rolle füllt er jedenfalls glänzend aus. Die “Bestie mit der Zorromaske” bedroht die Zivilisation – und das Gleichgewicht in der Natur sowieso. Also muss dieser Feind gnadenlos bekämpft werden. Und wer wäre dafür besser geeignet als unsere Jäger? Als Retter in der Not haben sie schon durchgeladen. In einigen Bundesländern wird ihr selbstloses und aufopferungsvolles Engagement bereits durch Prämien honoriert. Wäre doch toll für sie, wenn es solche Kopfgelder bundesweit gäbe.

Den “Verfressenen” den Krieg erklärt

01-Motiv-3aDa könnte sich beispielsweise auch ein gewisser Heinz Pyka das Taschengeld aufbessern. Der Mann lässt sich als “Stadtjäger von Hannover” in der Presse feiern und von Medienvertreter auf seinen Pirschgängen begleiten und filmen. Zu einem Teil seiner potentiellen Opfer hat er ein gestörtes Verhältnis. Zu  Waschbären allemal. Das sind für ihn die “Verfressenen”, die sich nicht nur an der seltenen Europäischen Sumpfschildkröte, von der weiter unten noch die Rede sein wird, gütlich tun. Sondern die auch andere gefährdete Reptilien und Amphibien wie Moorfrosch, Gelbbauchunke und Ringelnatter auf dem Kieker hätten. Aber auch Greif- und Singvögel, hier vor allem Bodenbrüter, seien vor dem geschickten Kletterer und Schwimmer nicht sicher.  Außer fahrenden Autos hätte er keine natürlichen Feinde. Aber glücklicherweise gibt es da ja ihn, Pyka.

Bemerkenswert ist, dass der taffe Knabe, der die Masch, das Stadion, die Grünanlagen, Friedhöfe und die City in Hannover von lästigem  “Kroppzeugs” befreit, dies eigenem Bekunden zufolge am liebsten mit Pfeil und Bogen tut. Was aber, man höre, lese und staune, gemäß §24 des Niedersächsischen Jagdgesetzes, verboten ist. So genau scheinen es gewisse Leute mit dem Buchstaben des Gesetzes halt nicht zu nehmen.

Faktenbiegen bis es passt

Journalisten machen sich bei dem aktuellen Kesseltreiben gegen den Waschbären zum willfährigen Instrument jener, die aus allzu durchsichtigen Gründen daran interessiert sind, bestimmte Tierarten zu dämonisieren. Sie übernehmen und transportieren undifferenzierte Meinungsbilder mit recht zweifelhaften Inhalten, ohne sich der Mühe zu unterziehen, die vermeintlichen Fakten auf ihre Stichhaltigkeit hin abzuklopfen. Weil das halt bequemer so ist.

Aber auch das Bundesamt für Naturschutz bläst, warum auch immer, in dieses Horn. Hier ist es ein gewisser Stefan Nehring, der in der Behörde in Sachen Deutungshoheit offenbar Narrenfreiheit genießt. Und da wäre auch jener oft zitierte Norbert Schneeweiß von der Naturschutzstation Rhinluch des Landesamtes für Umwelt Brandenburg. Ein heldenhafter Kämpfer für die Rettung der europäischen Sumpfschildkröte, der sich die Fakten so biegt, wie er sie gerade braucht. Beide Pseudo-Wissenschaftler müssen Zugang zu ziemlich gutem Stoff haben.

Franck Ribéry und die Sumpfschildkröten

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Die letzten Mohikaner: Im nördlichen Brandenburg leben in wie Fort Knox gesicherten Biotopen noch etwa 200 Europäische Sumpfschildkröten. Um den Bestand zu schützen, sollen Waschbären in ganz Deutschland noch exzessiver bejagt werden. Foto: Pixabay

Apropos Sumpfschildkröte: Von den gepanzerten Tierchen gibt es im nördlichen Brandenburg (und nur dort) gerade mal noch (oder schon wieder) 200 Exemplare. Im Jahre 2008 waren es noch hundert. Jetzt rechnen wir mal ein bisschen nach. Dennoch: Der Waschbär (und nur der) stelle aktuell eine massive und wachsende  Bedrohung für diese seltenen Tiere dar, deren Bestand kontinuierlich schrumpfe. Weshalb der Bär  bundesweit (!) noch vehementer als bisher bejagt werden müsse. Ist klar:  Wenn sich schon ein Prolo wie Franck Ribéry ins ferne Dubai bemüht, um sich ein vergoldetes Steak zwischen die Kiemen zu schieben,  warum sollten sich Heerscharen von Waschbären aus Hessen oder Rheinland-Pfalz  dann nicht auch auf die lange Reise nach Brandenburg machen, um mal an einer Sumpfschildkröte zu knabbern, delbst wenn die nicht mit Blattgold garniert ist. Was aber vergebliche Liebesmühe wäre. Die dortigen Kolonien sind durch Gitter und Elektrozäune gesichert wie Fort Knox. Da hat ein Kleinbär keine Chance. Gilt (mit Abstrichen) auch für  Füchse, Marderhunde, Dachse, Wildschweine, Fischotter, Biber, Greifvögel, Reiher, Störche, Möwen, Rabenvögel, Elster, Hechte und Welse. Auch das sind potentielle, natürliche Fressfeinde von Emys orbicularis. Was aber gerne verschwiegen wird. Schließlich kann und darf es nur einen Bösen geben.

Immer wieder gerne bemüht wird auch jene viele Jahre zurückliegende Begebenheit, die die Gefährlichkeit und Aggressivität der Waschbären eindrucksvoll unterstreicht. Da hatte einer der ihren doch wahrhaftig einen Jagdhund unter Wasser gedrückt und ertränkt. Der Täter wäre vor jedem weltlichen Gericht freigesprochen worden. Er hatte, von dem Wuffi am Uferrand angegriffen,  in Notwehr gehandelt.

 

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