Rotorman's Blog

AirPower 2016: Die Musik spielt in Österreich
Der deutsche Michel klimpert am Katzentisch

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In Feiertagslaune: Über 300.000 Luftfahrtenthusiasten bevölkerten an zwei Tagen den Fliegerhorst Hinterstoisser im steierischen Zeltweg. Sie wurden Zeuge der größten und spannendsten Airshow Europas. Foto: Bundesheer/Daniel Trippolt

Von Jürgen Heimann

Gut, man/frau kann nicht auf allen Hochzeiten (gleichzeitig)  tanzen, aber nacheinander schon. Für aero-tische Hardcore-Fans ist es kein Problem, an einem Wochenende drei Flugveranstaltungen/-Tage abzuklappern, um dann auch noch in der ersten Reihe diesseits der Flightline zu stehen. Man muss die wenigen Feste halt feiern wie sie fallen. Ob Montabaur, Elz oder Betzdorf-Kirchen, die Luftfahrt-affine Klientel im Hessisch-Nordrhein-Westfälisch-Rheinland-Pfälzer Dreiländereck hatte am vergangenen Wochenende die Qual der Wahl und konnte endlich mal wieder aus dem Vollen schöpfen. Hier wie dort gaben die Veranstalter im Rahmen der vom Gesetzgeber eng gezogenen Grenzen alles, um dem Publikum spannende Einblicke in die faszinierende Welt der Fliegerei zu ermöglichen. Ihr Handlungsspielraum ist dahingehend aber ziemlich klein – weil solches eigentlich gar nicht erwünscht ist.

Da haben es unsere Nachbarn besser und zeigen uns mit schöner nachhaltiger Regelmäßigkeit, dass es auch anders geht. Jüngstes Beispiel: Die Airpower 2016 in der Steiermark. Was die Österreicher da aufbieten und abziehen, treibt den vor Neid erblassenden Aero-Enthusiasten im Michel-Land die Tränen in die Augen. Etliche tausend Fans aus Merkel-Country hatten denn auch die weite Anreise auf sich genommen, um das in zweijährigem Turnus stattfindende Spektakel, das als größte und spektakulärste Luftfahrtshow Europas gilt, live und vor Ort mit zu verfolgen. Sie durften sich am 2. und 3. September inmitten von mehr als 300.000 anderen Besuchern unter Gleichgesinnten fühlen.

Über 300.000 Besucher sahen spektakuläre Vorführungen

Bundesheer-FRecce-Harald Minich

Präzision in Vollendung: Die Frecce Tricolori aus Italien lieferten eine spektakuläre Show ab. Bei uns in Germanien stehen sie, wie andere Kunstflugstaffeln auch, auf dem Index. Foto: Bundesheer/Harald Minich

Der Publikumsandrang auf dem Fliegerhorst Hinterstoisser in Zeltweg ist ungebrochen, aber limitiert. Pro Veranstaltungstag dürfen sich zeitgleich nicht mehr als 150.000 Gäste auf dem Gelände aufhalten. Auf den ganzen Tag gerechnet liegt die Obergrenze bei 250.000 Menschen. Und die euphorisierte Menge bekam etwas zu sehen, aber hallo!! Sternstunden der Luftfahrt, der historischen wie der modernen, der zivilen wie der militärischen. Und das alles bei freiem Eintritt. Das Line-Up war erschlagend und fast unüberschaubar. 240 Fluggeräte aus 20 Nationen waren am Start oder im Static Display zu bewundern und bestritten an beiden Tagen ein 18-stündiges Programm vom Feinsten:  Ein Zusammenschnitt hier:

Mehr geht nicht! Paradiesische Zustände für Aero-Fans.

Die besten Kunstflugstaffeln der Welt zauberten ihre traumhaften Präzisionsmanöver an den Österreichischen Himmel. Darunter die Frecce Tricolori, die Patrouille de France, das Team Orlik  und die Patrulla Aguila. Da war es zu verschmerzen, dass die Turkish Stars, das Kunstflug-Team der Döner Air Force, kurzfristig abgesagt hatten – wegen der atmosphärischen Störungen, die derzeit zwischen Kebab-Putin, ihrem autokratischen Präsidenten, und dem zivilisierten Abendland herrschen.

Bundesheer-Saab 105OE-Horst-Group

Flotter Vierer mit Saab 105OE. 40 Exemplare dieses schwedischen Jet-Trainers hatten die österreichischen Luftstreitkräfte 1970 übernommen. Pilot und Co., sitzen in diesem Muster nebeneinander. In den Versionen ohne Schleudersitze finden sogar vier Personen im Cockpit Platz. Foto: Bundesheer/Horst-Gorup

Medienvertreter aus der ganzen Welt, darunter Kollegen aus Japan, Thailand und Peru, hatten sich akkreditiert und berichteten vom Ort des Geschehens. Das tat am ausgiebigsten der  Privat-Sender Servus-TV, und das nicht ganz uneigennützig. Die TV-Anstalt gehört zum Red Bull-Konzern, der wiederum als Mitveranstalter dieser Aero-Sause auftrat – zusammen mit dem Österreichischen Bundesheer und dem Land Steiermark. Die drei Partner teilen sich auch die Kosten in Höhe von 3,6 Millionen Euro brüderlich. Eine solche Koalition und Konstellation wäre hierzulande undenkbar. Aber die Arbeitsteilung erklärt auch das überdurchschnittliche Engagement der österreichischen Luftstreitkräfte, die alles in die friedliche Luftschlacht warfen, was sich bei drei nicht in irgendeinem Hangar versteckt hatte.

Uschis Air Force als Mauerblümchen

Dagegen ist die Präsenz, die Uschis Air Force bei Flugtagen in Deutschland zeigt bzw. zeigen darf, nachgerade peinlich bescheiden, um nicht zu sagen mickrig und beschämend. Da reicht es höchstens mal für einen SAR-Hubi, einen Sea Lynx der Marineflieger oder eine Transall. Und die Teile stehen dann meist im Static Display auch nur dumm herum, ohne zu fliegen. Da gilt es schon als revolutionäre Sensation, wenn, wie unlängst beim Flugfest in Ober-Mörlen geschehen, ein Tornado und zwei Eurofighter „zufällig“ zu einem braven Überflug am Horizont auftauchen. Was bestimmt viel „Vitamin B“ erfordert hat. Hoffentlich bekommen die verantwortlichen Commodores deswegen keinen Ärger.
Servus-TV berichtete in einem mehrstündigen Live-Stream vom Ort des Geschehens. Die komplette Sendung wurde inzwischen auch auf youtube eingestellt. Hier Teil 3:

Von einer Mega-Party wie der in Österreich können wir hierzulande allenfalls träumen. Solches  ist in der Alpenrepublik aber gesellschaftlicher und politischer Konsens, quasi Staatsräson, wenn man so will. Gut (oder, nicht gut), einige politische Splittergruppen opponieren auch bei den „Össis“ dagegen, aber die sind bedeutungslos. Die Sicherheitsstandards sind immens, aber sie geben so etwas durchaus her. Das setzt natürlich etwas guten (politischen) Willen voraus. An selbigem mangelt es im Geburtsland von Otto Lilienthal aber an allen Ecken und Enden. Dem ollen Ottochen würden gewissen Leute ja heute noch posthum die deutsche Staatsbürgerschaft entziehen, wenn das den möglich wäre.

Kein Außenstehender kann ermessen, welche bürokratischen Hindernis- und Spießrutenläufe das Ansinnen, eine Flugveranstaltung in Deutschland zu organisieren, bedingen. Und man wundert sich, dass es immer noch einige Unentwegte gibt, die sich so etwas antun und trotz der immer restriktiver werdenden Vorgaben solche Aktionen durchziehen. Da wird selbst der unverschämte Wunsch, anlässlich einer solchen Veranstaltung eine Pommesbude oder ein Dixi-Klo am Flugplatzrand platzieren zu dürfen, zu einer Frage der nationalen Sicherheit hochstilisiert. Da hört für die Damen und Herren in den auch „Flugverhinderungsbehörden“ genannten Luftfahrtdezernaten der Regierungspräsidien der Spaß auf. Aber die tun ja nur ihre Pflicht, wie sie nicht müde werden zu behaupten. Diese Sesselfurzer sind in der Tat lediglich administrative  Erfüllungsgehilfen, verbeamtete und pensionsberechtigte Büttel ministerieller, ideologisch indoktrinierter Gralshüter mit Dienstsitz in Wiesbaden und Berlin. Aber sie nehmen ihren Job sehr ernst.

Schwindlig strampeln im Hamsterad der Bürokratie

Bevor sich der erste Propeller dreht, haben sich die am Gängelband kleinmütiger, wichtigtuerischer Verwaltungsapparatschiks zappelnden Organisatoren im behördlichen Hamsterrad schwindlig gestrampelt und einen olympiareifen, von unzähligen Paragrafenhürden gespickten Genehmigungs- und Hindernisparcours bewältigt – oder auch nicht. . Immer dann, wenn sich Luftfahrer anschicken, ihr Hobby öffentlichkeitswirksam in Szene setzen zu wollen, laufen (nicht fliegen) unsere Beamten zu Höchstform auf, um eben das möglichst zu verhindern oder im Klein-Klein zu ersticken. Das ist politisch so gewollt. Es geht schließlich um die (nationale) Sicherheit – vordergründig und angeblich. Flugshows sind (seit Ramstein) Teufelswerk. Punkt! Und da hat sehr schnell sogar die ökologisch-korrekte Material-Konsistenz des  für die Absperrung eingesetzten Trassierbandes  Lackmustest-Charakter.

Da kann, selbst bei einer normalen Segelflugveranstaltung ohne Vorführung (aber mit Kinderhüpfburg und Softeis-Verkauf), der Standort des Müllcontainers zum entscheidenden Kriterium werden. Selbst bei einem harmlosen „Fly-In“, also einer Art Familientreffen gleich gesinnter Piloten, drehen die präsidialen Luftaufsichtler auf Geheiß oder mit Duldung ihrer Vorgesetzten in den übergeordneten Ministerien inzwischen total am Rad – und hin und wieder auch durch.

Unerreicht: Die Frecce Tricolori. Die Italiener lieferten die spekatuklärste Performance.

Piloten und Veranstalter, die erstere an und in den Himmel schicken, gelten per se als Hasardeure, denen die körperliche Unversehrtheit derer, die sie durch ihre Künste beindrucken wollen, scheißegal ist. Diese Denke hat sich in den Köpfen der meisten Entscheider zementiert. Und selbst wenn diese es wollten, könnten bzw. dürften sie nicht über ihren eigenen Schatten springen oder starten. Die Vorgaben und Auflagen, die den in den Regierungspräsidien angesiedelten Luftfahrtdezernaten von oben gemacht werden, lassen selbst wohlwollend gesonnenen Beamten keinen oder kaum Ermessensspieleraum. Sie riskieren Kopf, Kragen und Karriere, wenn sie mal Fünf gerade sein lassen. Meistens tun sie es sowieso nicht. In vielen Fällen habendie Burschen noch nicht einmal selbst einen Pilotenschein. Aber sie fühlen sich kraft Amtes wie die Kurfürsten – und führen sich auch so auf. Ausnahmen bestätigen die Regel. Schwöre einen deutschen Beamten auf ein Gesetzeswerk ein, spendiere ihm einen Packen Ausführungsbestimmungen und statte ihn mit etwas Ermessenspielraum aus – er passt in keinen Anzug mehr

Das ist die Situation in Germanien, das im Flugtag-Ozean eine Insel der Ahnungslosen ist, eine vom prallen Airshowleben umspülte und eben von jenem ausgeschlossene Enklave, bewohnt von einem administrativ klein und kurz gehaltenen Piloten-Prekariat. Wir sind, zumindest in dieser Hinsicht, ein entmündigtes Volk. Und fügen uns in unser Schicksal. Um es allegorisch auszudrücken: Während die TV-Zuschauer in Belgien, den Niederlanden, Großbritannien, Frankreich, Italien, der Türkei, Österreich oder der Schweiz zwischen 150 Fernsehsendern und mehr hin und her zappen können, sind bei uns nur das dritte Hessische Regionalprogramm und der Kinderkanal über die Dachantenne zu empfangen. Die Deutschen sitzen in dieser Hinsicht in den großen Konzerthallen, in denen die eigentliche Musik spielt, europa- und weltweit am Katzentisch.  Bei uns grüßt der Flieger längst nicht mehr die Sonne, sondern heult verzweifelt den Mond an.  Da bleibt nur der sehnsuchtsvolle Blick über die Grenzen – oder die Fahrt in Gefilde jenseits davon.

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