Rotorman's Blog

Als es Persilscheine regnete und Hanna
Reitsch in Hirzenhain ein Baby bekam

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Die Landung des „Weißen Riesen“ in Hirzenhain war 1953 eine kleine Sensation. Bis dato hatten viele Persil nur mit Wäschewaschen assoziiert, nicht mit Hubschraubern. Foto: SFC-Archiv

Das Teil würde auch heute noch auffallen – oder schon wieder. Erinnert von der Silhouette her ein klein wenig an eine Mosaikjungfer oder Gefleckte Heidelibelle. Daher auch der Name: „Dragonfly“, der englische Begriff für Libelle. Und eine solche, wenn auch etwas stattlicher dimensioniert und stärker motorisiert als ihre schillernden Entsprechungen aus dem Naturreich, war, in Folge staunend umringt, in Hirzenhain gelandet. Ein ebenso imposanter wie aus heutiger Sicht skurriler Hubschrauber des britischen Herstellers Westland. In Foren oder sozialen Netzwerken poppen ja immer mal wieder alte Fotos auf, die irgendwem beim Kramen im Archiv zufällig in die Hände gefallen sind. Meist lässt sich deren Urheber nicht mehr zweifelsfrei feststellen. Das gilt mitunter auch für das dem Motiv zu Grunde liegende Ereignis. Aber im Fall des „fliegenden Drachens“ ist es offenkundig. Und hier  ist die Geschichte dazu.
Die Ankunft der „Alpha-Juliet-Oscar-Romeo” mit der englischen Kennung war damals, lang, lang (nämlich 62 Jahre) ist’s her, eine kleine Sensation. Laut knatternd war der imposante Drehflügler an diesem sonnigen Septembersamstag des Jahres 1953 aus süd-westlicher Richtung kommend heranrotiert. Um dann erst einmal, eher er sich zur Landung entschloss, in bester Angebermanier nur wenige Meter über dem Boden  zu hoovern. Da war das Plateau vor der Segelflughalle am Eiershäuser Hang im Nu blank gefegt. Apropos Hoover. So heißt, nach dem 31. US-Präsidenten Herbert  benannt, auch die, freilich erst viel später errichtete neue Grundschule des Dorfes. Die Namensgebung war auch eine symbolische Geste des Dankes für die unbezahlbare Unterstützung durch eine amerikanische Pioniereinheit bei der Anlage des als Sonderlandeplatz klassifizierten und 1966 eingeweihten Fluggeländes an der L3044. Herbert-Hoover-Schulen gibt es aber auch in Berlin, Stuttgart und Freiberg.

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Jede Menge Persilscheine an Bord: Die Henkel-Libelle gratuliert zum Geburtstag. Sieht zwar nach mehr aus, aber neben dem Piloten fanden nur noch drei Passagiere in der Kabine Platz. Und ein solcher war begehrt. Foto: SFC-Archiv

Zurück zum mehr als doppelt mannshohen Helikopter mit dem für heutige Augen doch recht  gewöhnungsbedürftigen Design. Übrigens ein153 km/h „schneller“ und von einem  548 PS starken Alvis Leonides-Sternmotor angetriebener britischer Lizenzbau. Das Muster basierte auf dem amerikanischen Sikorsky S-51. Zwischen 1947 und 1959 bauten die Tommies in ihrem Werk in Yeovil 155 Stück davon, überwiegend für militärische Zwecke, aber auch für den zivilen Einsatz. Letzterer Fertigungslinie entstammte die Hirzenhainer Möhrenraspel .Die fast 18 Meter lange Maschine war, kaum dass die Rotoren zum Stillstand gekommen, von Menschentrauben umringt. Der Pilot, ein britischer Major namens  Bradley, genoss die Aufmerksamkeit, die ihm und seinem weißfarbenen Oschi zu Teil wurde, sichtlich.

Ein Flugtag (fast)  ohne Brumm und Knatter

Mann und Maschine waren quasi als Headbanger für den am nächsten Tag anberaumten Flugtag gelistet, nachdem Kunstflug-Ikone Albert Falderbaum kurzfristig hatte absagen müssen. Das Line-up der Veranstaltung, die anlässlich des 30-jährigen Bestehens des Segelfliegerclubs HiHai stattfand, war gemessen an den Dimensionen heutiger Airshows, wie beispielsweise auch jener, die am letzten Augustwochenende dieses Jahres in Breitscheid über die Bühne geht, bescheiden und überschaubar. Drei „Babys“, eine Mü 13, ein Kranich, eine ES 43 und eine Metall-„Grille“. Damit hatte es sich. Brummen und knattern tat außer dem Heli nix. Motorflugzeuge waren damals noch ziemlich rar.

Segelflugzeug mit Raketenantrieb

Für damalige Verhältnisse dennoch ein stattliches Aufgebot, zumal das Publikum in diesen Jahren mit aerotischer Kost nicht gerade überfüttert wurde. Geschätzte 2500 Besucher aus allen Teilen der Bundesrepublik und sogar aus dem benachbarten Ausland wussten das Angebot, das unter Beteiligung von Kameraden aus dem Rheinland und Westfalen umgesetzt wurde, deshalb auch sehr wohl zu würdigen. Der legendäre Segelflugpionier Wolf Hirth, damals Präsident des Deutschen Aero-Clubs, sowie Generalsekretär Fritz-Stamer, nach dem später die zentrale DAeC-Jugendausbildungstätte auf der ehemaligen Grube Amalie in Hirzenhain benannt wurde, zählten zu den Ehrengästen. Stamer war ja derjenige, der im Juni 1929 als erster Mensch Flüge mit einem raketenbetriebenen Segelflugzeug des Typs  „RRG Ente“ gewagt hatte. Über den Widerspruch, den die Bezeichnung „raketenbetriebenes Segelflugzeug“ beinhaltet, müsste man mal allerdings mal bei anderer Gelegenheit meditieren.

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Niederkunft: Hanna Reitsch, Deutschlands erfolgreichste Rekordfliegerin, bekam in Hirzenhain ein“ Baby“, leihweise. Anlässlich der Internationalen Segelflugwoche drehte die große, kleine Frau 1951 in der auf den Namen „HiHai“ getauften Grunau-Konstruktion ein paar luftige Runden über dem Dorf. Foto: Archiv

Vereinsvorsitzender war im Jubiläumsjahr 1953 übrigens der aus dem Nachbarort Lixfeld stammende Lehrer Wilhelm Mittler, der 1923, im Jahr der Vereinsgründung, zu den Männern der ersten Stunde gehört hatte. Als  SFC-Geschäftsführer fungierte Ansgar  Hermann, der spätere Bundesjugendleiter des DAeC. Der Flugbetrieb erfolgte sowohl am und über dem „Nord-West-Hang“, von dem sich ein so einzigartiger Ausblick ins (Dietzhölz-)Tal bietet, als auch auf der damaligen Viehweide, die 13 Jahre später zu einem regulären Flugplatz mutieren sollte (siehe oben). Am Hang, wo zwei Jahre zuvor unter immenser öffentlicher Beachtung der erste offizielle Segelflugzeugstart in Deutschland  nach dem 2. Weltkrieg erfolgt war, war Muskelkraft gefragt. Die Flugzeuge wurden per Gummiseil nach oben „katapultiert“. Auf der Viehweide hingegen kam eine Motorwinde zum Einsatz.

Blühend weiße Westen für die Unterwelt

Der auffällige „Persil“-Heli war den Gastgebern Dank „Vitamin B“ durch den Düsseldorfer Waschmittelhersteller Henkel kostenlos zur Verfügung gestellt worden. Die Weißmacher nutzten selbigen, wie auch einen zweiten von den Engländern gecharterten Helikopter dieses Typs in diesen Jahren zu Werbezwecken. Und das war auch durch die Lackierung auf den ersten Blick ersichtlich. Den Slogan „Persil bleibt Persil“ hatten die rheinischen Weichspüler noch aus dem Jahr 1913 in die Neuzeit herüber gerettet. Er war in den Dekaden zuvor immer mal leicht variiert worden, von „Such‘ nicht viel, nimm Persil“ über „Persil für alle Wäsche“ bis „Nur Persil ist 100 % Persil“. Die Knatterkiste, die neben dem Piloten drei Passagieren Platz bot, unternahm auch Rundflüge nach Dillenburg und Herborn. Unterwegs wurden , so etwas wäre heute undenkbar, Tausende von Reklame-Flugblättern abgeworfen –  Persilscheine. Sie hätten in ihrer ursprünglichen Wortbedeutung ausgereicht, der gesamten, vereinigten Unterwelt Hessens sowie allen Vergangenheitsbelasteten eine reine, weiße Weste zu verpassen.

Als der „weiße Riese“ noch ein Zwerg war

Ob die Hirzenhainer Hausfrauen-Community in Folge und zwecks Reinigung der familiären Klamotten verstärkt auf das Henkel’sche Produkt setzte, ist historisch nicht belegt, aber anzunehmen. Zumal es zu dieser Zeit noch an Alternativen fehlte. Der „Weiße Riese“ und der aus derselben Pulverschmiede geschlüpfte „Mr. X“ von „Dixan“ waren ja noch gar nicht geboren. Auch Omo („Porentiefe Reinheit für Ihre gesamte Wäsche) und Johanna König, Ariels Powerwaschfrau „Klementine“, tauchten erst viel später an der Sauberfront auf. Die (undendliche) Geschichte des Segelflieger-Clubs HiHai steht hier: http://sfc-hihai.de/geschichte/

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Nix für Weicheier: Oben (und seitlich) ohne in eisiger Winterluft mit dem Schulgleiter ins Tal. Da sollte man sich warm anziehen! Foto: Archiv

Die Firma Henkel hatte schon immer ein Näschen für ausgefallene, spektakuläre Werbung. Sie schickte beispielsweise als eine der ersten „Himmelschreiber“ in die Luft, die den Schriftzug „Persil“ mit Paraffin-Nebel unter die Wolken malten. Und auf effektvolle Hubschrauber-Stunts setzte man auch in den Folgejahren immer mal gerne wieder. Beispielsweise beim Dreh für die Megaperl-Kampagne 2001 am Brandenburger Tor mit zwei  Bell 205, der zivilen Version des Teppichklopfers Bell UH 1D:

http://www.youtube.com/watch?v=JW_U4emRIJs

Hubschrauber, die auf den Magen schlagen

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Darauf einen Magenbitter! Die Firma Underberg hatte in den frühen 50-er Jahren einen knuffigen Helikopter zu Werbezwecken im Einsatz. Er ähnelte vom Design her entfernt einem ihrer klassischen Kräuterschnapsfläschchen. Postkarten davon sind heute noch unter Sammlern heiß begehrt.

Auf den Trichter, die Rotoren zwecks Umsatzsteigerung kreisen zu lassen, war in den 50er Jahren auch schon die Firma Underberg gekommen, der die Internationale der Brenner und Suffkis ja auch so Gehaltvolles wie Asbach urälter, Metaxa oder, Nastrovie, Moskovskaya-Vodka verdankt. Die Rheinberger erregten mit einem kleinen fliegenden Salzstreuer, einem HC Helibaby Typ 102 Aufsehen. Vom Design her ähnelte die modifizierte Version dieses tschechischen Leichthubschraubers (Hersteller: Aero Vodochody Narodni Podnik), den es wahlweise mit einem 83 oder sogar 115 PS 4 Zylinder Boxermotor gab, einem dieser klassischen Underberg-Fläschchen. Allerdings legte die Postkarten-veredelte Knatterschachtel mit ihrer Reichweite von gerade mal 175 Kilometern ein derart  asoziales Flugverhalten an den Tag, dass der Pilot nach der Landung jeweils mindestens einen der beworbenen Kräuterbitter kippen musste, um seinen Magen wieder zu beruhigen. Eine Therapie von garantierter Durchschlagskraft. Etwaige Passagiere benötigten die dreifache Dosis. Danach ging es ihnen deutlich besser. Womit zugleich die Wirksamkeit des Produktes anschaulich bewiesen war. Zum Wohl!

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Die Heeresflieger kamen in den 60er Jahren mir ihren Alouette II regelmäßig in Hirzenhain vorbei, und wenn es nur für eine Tasse Kaffee war. Für die Kinder des Dorfs stets ein großes Ereignis. Foto: Archiv

Kaffeefahrt“ mit der Alouette II

Da machte die Alouette II der Heeresflieger schon einen honorigeren Eindruck. Zu letzteren unterhielten die Hirzenhainer enge Kontakte, die nicht zuletzt darauf gründeten, dass einer der Ihren zur Truppe gehörte und in Fritzlar stationiert war. Er und seine Kameraden kamen denn auch in den frühen 60-er Jahren ab und zu mit ihren „Lerchen“ auf einen Kaffee vorbei. „Lerche“ ist die deutsche Übersetzung von „Alouette“, einem in vielen Ländern der Welt eingesetzten Erfolgsmodell des französischen Herstellerkonsortiums Aérospatiale. Charakteristisch für diesen Klassiker sind die vollverglaste Kanzel sowie der in Stahlrohrgerüstbauweise gefertigte Rumpf und der Heckausleger. Allein 267 Exemplare dieses Gasturbinentriebwerklers waren bei der Bundeswehr im Einsatz. Bundesgrenzschutz und Polizei setzten ebenfalls auf dieses Modell.
Und als der SFC dann zehn Jahre nach dem Besuch der Persil-Waschmaschine sein 40-Jähriges beging, waren die Heeresflieger, Ehrensache, natürlich mit großem Gefolge präsent, unter anderem mit mehreren „Bananen“, wie die Piasecki H-21 ob ihres gekrümmten Rumpfes, der auffällige Ähnlichkeit mit dem gelben Affenbrot aufwies, genannt wurde. Neben „Flying Banana“ war der Spitzname „Army Mule“ (Armee-Maultier) für diese außergewöhnliche, auch unter dem Beinamen „Shawnee“ bekannte Ganzmetall-Konstruktion gebräuchlich. Die Besatzung bestand aus zwei Mann. Die Maschine konnte im Transportbetrieb 20 Soldaten befördern.

Zwischen Ayatollah Khomeini und Guildo Horn

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Unvergessen: Die „Alpha-Mike“ aus Burbach. Dirk Rammelsberg drehte mir ihr, die Kanzel voller Passsagiere, so manch luftige Runde über dem Ort. Selbst so unterschiedliche Charaktere wie Ayatollah Khomeini und Piep-Piep Guildo Horn hatten schon darin Platz genommen. Foto: Archiv

Dagegen wirkte die schnittige AS 350 Écureuil (franz. Eichhörnchen) , wie sie ab den frühen 90er Jahren immer mal wieder am Himmel Hirzenhains oder über dem nahegelegen Bottenhorn aufzutauchen pflegte, schon deutlich fescher. Dirk Rammelsbergs „Alpha-Mike“, wenngleich aus Nordrhein-Westfalen (Burbach) kommend, war im Lahn-Dill-Kreis bekannt wie der sprichwörtliche bunte Hund. Dabei beschränkte sich die Lackierung des Eurocopters – der erste Hubschrauber-Typ von Aérospatiale, der am Fließband hergestellt wurde – auf die Farben Weiß und Pink. Nach ihrem Einstand beim großen Fliegerfestival anno 1992 war die flotte Hummel mehr oder weniger Stammgast im Eschenburger Höhendorf. Viele hundert Menschen haben mir ihr die Heimat von oben erkundet. Aber in ihrer komfortablen, fünf Passagiere fassenden Kanzel saßen schon so unterschiedliche Charaktere wie Ayatollah Khomeini, Guildo Horn und die Rolling Stones. Das jedoch ist eine ganz andere Geschichte.

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