Rotorman's Blog

Deutschlands Superstar: Von Diddää Bohlen,
Einzellern und dem Schwarzen Schnurfüßer

Grasfrosch

Guggst Du! Der Grasfrosch ist der „Lurch der Jahres 2018“. Die Kerlchen, auch „Tau- oder Märzfrosch“ genannt, werden bis zu 11 Zentimeter lang Zigtausende von hnen kommen jährlich auf der Wanderung zu ihren Laichgewässern unter die Räder. Foto: Pixabay

Von Jürgen Heimann

Hat diesmal etwas gedauert, weil einige der Juroren nicht zu Potte kamen oder sich nicht entscheiden konnten. War wohl ‘ne schwierige Geburt. Aber inzwischen steht die Hitliste. Jene mit Tieren, Pflanzen, Bäumen, Blumen und Lebensräumen, die besonders interessant, schützenswert oder für das biologische Gleichgewicht wichtig sind. Nominiert werden die Kandidaten jährlich von zahlreichen Verbänden, Organisationen und Forschungsgruppen, die sich im weitesten Sinne mit Natur-, Landschafts- und Artenschutz befassen. Das führt dann zur Kür der Mikrobe, der Alge oder der Heilpflanze des Jahres. Oder der einer besonderen Gemüse- bzw. Apfelsorte, eines Insektes oder eines außergewöhnlichen Falters….

Der Pool, aus dem die Juroren schöpfen, ist unermesslich groß. Und von vielen der “Preisträger” mag Lieschen Müller noch nie im Leben etwas gehört haben. Oder wer weiß denn schon,  was ein Lactobazillus ist oder eine Tintinne? Auch beim Schwarzen Schnurfüßer muss der ein oder andere passen. Ebenso beim Klebsormidium. Im Zweifelsfall hilft da einem aber Google auf die Sprünge.

Ein Star, der wirklich gut singen kann

Man muss freilich gar nicht so tief einsteigen. Stare beispielsweise dürften  jedem bekannt sein. Wir reden jetzt nicht von den meist talent- und schmerzfreien Selbstdarstellern, die sich bei RTL von diesem unsäglichen Didäää Bohlen erzählen lassen müssen, dass Kunst von Können kommt. Lassen wir diesen Televisions-Proletarier also weiterhin nach jenen suchen, die auc h schon mal als  “Super-Talent” bezeichnet werden. Hier sind die Piepmätze gleichen Namens gemeint, die wirklich gut singen können – und nicht nur das:

Diese prächtigen  gepunkteten Schwarmflieger pflegen mitunter in Scharen aufzutreten. Doch der Eindruck täuscht. Die genialen Stimmenimitatoren sind deutschlandweit auf dem Rückzug. Deren Bestände sind in den vergangenen zwölf Jahren um 20 Prozent geschrumpft. Was einem Rückgang von 2,6 Millionen Brutpaaren entspricht. Um auf diesen fatalen Abwärtstrend aufmerksam zu machen, hat der Naturschutzbund (Nabu)  den kleinen schwarz schillernden Kerl auch zum “Vogel des Jahres 2018″ausgerufen. Unter den Wildtieren findet er seine Entsprechung in der Wildkatze, auf die sich die Deutsche Wildtierstiftung geeinigt hat. Aber das ist nur die Spitze des faunistisch-floristischen Eisbergs.

Ein Ehrenpreis für den Ehrenpreis

Wiesenchampignons

Der Wiesenchampignon ist der „Pilz des Jahres“, während der zur Familie der Wegerichgewächse gehörende Langblättrigen Ehrenpreis von der Loki Schmidt-Stiftung als Pflanze 2018 nominiert wurde. Fotos: Pixabay/ Christian Fischer CC BY-SA 3.0

Da kommt die Esskastanie als “Baum des Jahres” zu Ehren, während die Loki-Schmidt-Stiftung den  Langblättrigen Ehrenpreis im Fokus hatte, als es bei ihr um die “Blume 2018” ging. Diese krautige, zur Familie der Wegerichgewächse gehörende Pflanze ist besonders geschützt und wird auf der “Roten Liste” als bestandsgefährdet eingestuft. Sie wird bis zu 1,20 Meter hoch und fühlt sich vorzugsweise in Stromtälern zu Hause.

Um noch mal auf diese ominöse, von der Deutschen Gesellschaft für Protozoologie gesetzte “Tintinne” zurückzukommen.  Dabei handelt es sich mitnichten um die kleine Schwester des Tinnitus. Andererseits dürfte jeder schon einmal einem Exemplar beim Baden im Meer begegnet sein – ohne es freilich zu bemerken. Es handelt sich um mikroskopisch kleine Einzeller, die zu den Wimperntieren gerechnet werden.  Wer sich näher für diese außergewöhnlichen Minis interessiert, hier gibt es weiterführende Informationen.

Pendeln zwischen Leblosigkeit und Wachstum

Mit bloßem Auge erkennbar sind auch jene “Klebsomidium” genannten Grünalgen nicht, auf die die Phykologen der Deutschen Botanischen Gesellschaft so stehen. Die Dinger sind zehnmal dünner als ein Haar und gelten als Überlebenskünstler. Sie können, wie mein Kollege, zwischen Leblosigkeit und Wachstum hin und her wechseln und schaffen es dadurch, Orte zu besiedeln, an denen meist keine andere Pflanze mehr gedeihen und wachsen kann. Mehr über die “Alge des Jahres” hier:

Ein klein wenig stattlicher daher kommt das Altwürttemberger Pferd, das der Gesellschaft zur Erhaltung alter und gefährdeter Haustierrassen am Herzen liegt. Die mittelschweren Warmblüter werden sowohl im Reit- wie im Fahrsport eingesetzt, finden bzw. fanden aber auch in der Landwirtschaft Verwendung.

Stichling

Der dreistachelige Stichling (oben) zählt zwar zu den Fischen, hat aber keine Schuppen, sondern stattdessen sich dachziegelartig überlappende Knochenplatten. Der Schwarze Schnurfüßer (unten) verfügt über 100 Beinpaare und gilt als Rennpferd unter seinesgleichen. Die Höhlen- und Waldbodenbewohner, die bis zu 39 mm lang werden, erreichen Spitzengeschwindigkeiten von 25 mm pro Sekunde. Fotos: Pixabay/ Nabu

Ein paar Beine mehr als diese Gäulchen hat der Schwarze Schnurfüßer, das “Höhlentier des Jahres”.  Er gehört zwar zu den Tausendfüßern, aber ganz so viele Hufe haben diese nachtaktiven Wald- und Höhlenbewohner, die bis zu 39 Millimeter lang werden können,  allerdings doch nicht. Aber hundert zumeist weißfarbene Beinpaare sind ja auch nicht von schlechten Eltern. Vertreter dieser Spezies gelten als Lewis Hamiltons unter ihresgleichen. Als schnellste heimische Doppelfüßer erreichen sie eine Spitzengeschwindigkeit von 25 mm pro Sekunde.

Fette Spinnen, Champions und Champignons

Fettspinne-By André Karwath aka Aka (Own work) [CC BY-SA 2.5 (httpscreativecommons.orglicensesby-sa2.5)], via Wikimedia Commons

So adipös, wie ihr Name besagt, ist die Fettspinne eigentlich nicht. Duie Bezeichnung resultiert daraus, dass ihr Körper oft wie eine Speckschwarte glänzt .Diese Theklas haben eine ganz besondere Technik entwickelt, ihrer Buete habhaft zu werden. Foto: André Kawarth CC BY-SA 2.5

Als es um die Wahl eines neuen Champions ging, haben unsere Arachnologen der Fettspinne den Zuschlag erteilt. Der Name rührt weniger daher, dass diese Achtbeiner per se zu Übergewicht neigen, sondern resultiert daraus, dass ihre Körper wie eine Schwarte glänzen. Diese für den Menschen harmlosen und zur Familie der Haubennetzspinnen zählenden Theklas werden zwischen 4 und 8 mm groß und  fühlen sich vor allem in Gebäuden wohl. Zur Nahrungsbeschaffung haben sie eine interessante Technik entwickelt.

Ihre dreidimensionalen und nur auf den ersten Blick planlos und chaotisch angelegten Netze verdichten sich zu einer dichten Fangmatte, die in wenigen Zentimetern Höhe zwischen Spannseilen gewebt wird. Diese an der Unterseite mit Klebstoff versehenen Seile dienen dem hungrigen Weibchen gleichzeitig als Stolperfäden. Läuft Beute hinein, wird sie an den unter Spannung stehenden Fäden emporgehoben und bleibt dort hängen. Die Spinnen sind so in der Lage, selbst Beutetiere zu überwältigen, die wesentlich größer sind als sie selbst. Die werden eingewickelt, aber nicht betäubt, und später in Etappen ausgesaugt.

Was hätten wir noch zu bieten?  Die Neptunschnecke, das Weichtier des Jahres. Kommt ausschließlich im Meer vor, leidet daselbst aber unter der zunehmenden Verschmutzung. Im Nordpazifik werden diese Holländer der Ozeane, die ihr Haus immer im Schlepp haben, bis zu 20 Jahre alt. Bei den Engländern galt die Mitteldarmdrüse der Tiere einst als Delikatesse, in Nordeuropa wurden ihre Gehäuse als hängende Tranlampen zweckentfremdet.

Ein großer Fuchs, der fliegen kann

1-Grosser Fuchs

„The Big Fox“ machte als „Schmetterling des Jahres das Rennen. Der große Bruder des kleinen Fuchses bringt es auf eine Flügelspannweite von 55 Millimetern und ist im Gegensatz zu diesem etwas stumpfer gefärbt. Foto: Pixabay

Im Gegensatz zu seinem Namensvetter kann der (Große) Fuchs fliegen und findet sich auch nicht im Fadenkreuz der Jägerschaft. Trotzdem gilt diese Schmetterlingsart, die es auf eine Flügelspannweite von bis zu 55 Millimetern bringt, als gefährdet. Die Bestände dieser stattlichen Tagfalter mit ihren auffälligen orangefarbenen, schwarz- gelb-weiß-gemusterten Flügeloberseiten sind in den vergangenen Jahren zunehmend zurückgegangen. Dies auch durch die Intensivierungsmaßnahmen in der Land- und Forstwirtschaft sowie den verstärkten Biozid-Einsatz im Obst- und Gartenbau.

Auch wenn er, weil für Pfanne und Kochtopf zu mickrig,  nicht in das Beuteschema seiner Mitglieder passt, hat der Deutsche Angelfischerverband (DAFV) den Dreistachligen Stichling zum Geschuppten des Jahres ernannt. Dabei haben diese höchstens elf Zentimeter groß werdenden Fische gar keine Schuppen, sondern bilden stattdessen sich dachziegelartig überlappende Knochenplatten aus.  Namensgebend und besonders auffällig sind die drei (selten vier) aufstellbaren Stacheln vor der Rückenflosse. Das ist so eine Art Passivbewaffnung. Damit verschaffen sich diese Unterwasserbewohner vor allem während der Aufzuchtphase ihres Nachwuchses Respekt. Diesen Job besorgt “Er” übrigens ganz alleine. Frauchen wird nach dem Ablaichen nicht mehr gebraucht und des Feldes verwiesen. Um Platz für die nächste zu schaffen. Stichlinge neigen da zur Bigamie. Die Prozedur kann sich mehrmals wiederholen. Motto: Denke dran, schaff’ Nachwuchs ran.

Ein Helikopter-Papa mit drei Stacheln

Bei der Aufzucht der Kleinen ist Papa äußerst fürsorglich, stellt sich vor den Nesteingang und fächelt mit den Brustflossen ständig Frischwasser über das Gelege. Herausgefallene Eier werden prompt eingesammelt und zurück gebracht. Die jungen Stichlinge schlüpfen nach sieben bis zwölf Tagen und bleiben dann noch einige Tage im Nest. Bei ihren ersten Schwimmversuchen werden sie noch vom Vater wieder eingefangen und ins Nest zurückgebracht:

Bei den Insekten machte diesmal die Gemeine Skorpionsfliege das Rennen, bei der der Name noch das gefährlichste ist. Die Bezeichnung leitet sich von dem großen, auffällig über dem Hinterleib platzierten Kopulationsorgan der Männchen ab, das dem Stachel eines Skorpions ähnelt, aber keiner ist. Vertreter dieser Art sind sehr auffällig, nachgerade “exotisch” gezeichnet und ernähren sich von reifem  Obst, aber auch von toten oder verendenden Insekten und Wirbeltieren, ebenso von Kot, Blütennektar und Pollen.

1-Skorpionsfliege

Der Name ist am gefährlichsten. Die Skorpionsfliege. Die Bezeichnung leitet sich von dem großen, auffällig über dem Hinterleib platzierten Kopulationsorgan der Männchen ab, der dem Stachel eines Skorpions ähnelt. Foto: Pixabay

Nicht zu vergessen der “Lurch des Jahres”, dessen Wahl diesmal auf den Grasfrosch gefallen ist Bei den Fungis ließ der Wiesenchampignon die Konkurrenz hinter sich, während die Zwerglibelle in ihrer Klasse die Fühler vorne hatte. Die Gelbbindige Furchenbiene führt bei den wildlebenden Majas die Liste an, während zwischen Kraut und Gemüse die Steckrübe empor wuchert.

Ingwer-Bier bald auf Rezept? Eine Heilpflanze des Jahres gibt es natürlich auch. Das ist diesmal der Ingwer. Der verleiht Speisen nicht nur eine interessante würzige Note, sondern beinhaltet auf medizinischem Gebiet auch ein ziemlich weitgefasstes Wirkungsspektrum. Hilft bei Brechreiz und Reisekrankheit, fördert die Speichel-, Magensaft- und Gallensekretion und verhindert Völlegefühl nach üppigem Essen. Klinische Studien haben gezeigt, dass aus der Wurzel gewonnene Substanzen auch Schmerz reduzieren und daher bei rheumatischen Erkrankungen dienlich sind. Ferner wurden krampflösende und tumorhemmende Eigenschaften beobachtet. Vielleicht gibt’s Ingwer-Bier deshalb demnächst ja auch auf Rezept.

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Könnte es demnächst auf Rezept geben: Ingwer-Bier. Die Wurzel dieser Pflanze hat ein ziemlich weit gefasstes medizinisches Wirkungsspektrum, hilft bei Brechreiz, ist gut gegen rheumatische Erkrankungen und soll sogar Tumor hemmend sein. Foto: Pixabay

Hier die vollständige Liste aller „Jahreswesen“ 2018.

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