Von Jürgen Heimann
Die Dinger sehen eigentlich aus wie ganz normale Flugzeuge. Also, links und rechts je eine Tragfläche, Leitwerk hinten, Prop vorne, Cockpit für zwei Mann /oder Frau. Also das übliche Programm. Diese Luftfahrzeuge sind zwar etwas hochbeinig, aber ansonsten, wenn man einmal von den extrem dünnen Flügelprofilen absieht, auf den ersten Blick eigentlich nix Besonderes. Auf den zweiten allerdings schon. Für Außenstehende erst mal eine schnittig designte Sportmaschine wie jede andere auch. Und doch haben es diese Brummer in sich. Da wären die verborgenen, inneren Werte, die diese Konstruktionen für anspruchsvolle Piloten so attraktiv machen.
Ein knappes Dutzend davon hatte sich – Familientreffen – unlängst und von vielen Besuchern bestaunt für ein langes Wochenende auf der Lipper Höhe breit gemacht. Wir sprechen hier von Glasair-Flugzeugen, die, nomen est omen, tatsächlich aus Glas bestehen, wenn auch aus Fieberglas. Genauer gesagt aus in Vinylesterharz getränktem Fieberglas. Aus diesem “Holz” sind andere Aero-Boliden aber auch geschnitzt.
Es gibt mehrere Besonderheiten, die diese himmlischen Kisten für sich reklamieren können. Da wäre einmal die Tatsache, dass es sich um sogenannte “Homebuild”-Flugzeuge handelt, wie man sie eben nicht bei jedem Flugzeughersteller um die Ecke kaufen kann. Vor den Erfolg haben die Götter ja bekanntlich den Schweiß gesetzt. Und so ist es auch hier. Der künftige Eigner muss sich sein Vehikel selbst zusammen bauen, die Bauteile sind nur teilgefertigt. Das reduziert den potentiellen Interessenkreis schon mal vorn vornherein um die Fraktion der doppelten Linkshänder. Ein solch ambitioniertes Vorhaben braucht auch seine Zeit und ist nicht mal eben in vier fünf Wochen über die Bühne. Es sei denn, man/frau hat das Glück, ein möglichst preiswertes, schon komplett fertig gebautes und zugelassenes Modell auf dem “Gebrauchtwagenmarkt” zu entdecken.
Jenen, die nicht auf solche Quellen zurückgreifen können und deshalb getreu der Devise “Selbst ist der Mann” verfahren, wird eine immense Eigenleistung abverlangt. Es ist ja nicht so, dass sich jeder mal nebenbei in der Garage ein Fluggerät zusammenbasteln darf, um damit in Folge in die Luft zu gehen.
Vom harten Los der „Homebuilder“
Damit, ein paar Einzelteile zusammen zu stecken, ist es nicht getan. “Homebuilder” müssen ein aufwendiges Genehmigungs- und Fertigungsverfahren durchlaufen. Sie haben eine Unmenge an Festigkeitsberechnungen sowie viele Dutzende weitere Nachweise zu erbringen. Der Hersteller gibt die technischen Daten und Flugleistungen zwar vor, doch sind das zunächst nur Prospektwerte. Einen erheblichen Teil der erforderlichen Berechnungen leistet der Selbstbauer.
Im Laufe der Maßnahme gibt es behördlicherseits im Rahmen fest definierter Projekt-Gates regelmäßig Checks. Erst wenn alle Vorgaben erfüllt sind, kann der nächste Bauabschnitt in Angriff genommen werden. Auch wenn der Vogel schließlich flügge scheint, ist das Ziel, die Zulassung, noch in weiter Ferne. Erst nach diversen Roll- und Bremstests, die alle penibel dokumentiert werden müssen, darf die praktische “Lufterprobung” beginnen. Dabei müssen unterschiedliche Profile und Verfahren erprobt und geflogen sowie eine Fülle von Leistungsparametern und -standards vermessen werden. Das erforderte eine Unzahl an Starts und Flugstunden. Parallel dazu wird immer wieder geprüft und dokumentiert. Wer dieses Prozedere erfolgreich durchlaufen hat, darf sich “von” schreiben. Sich den Traum vom Fliegen zu erfüllen, kann mitunter ziemlich nervenaufreibend und zeitintensiv sein.
Rennpferde der Lüfte mit großem Spaßfaktor
Die US-amerikanische Glasair-Aviation ist übrigens weltweit der größte Hersteller von Selbstbauflugzeugen. Aktuelle Zahlen liegen war nicht vor, aber bis 2006 hatte das Unternehmen global über 2.500 Flugzeugkits unterschiedlichster Modellvarianten vertickt. Da gibt es inzwischen auch die “Sportsman”, die der ambitionierte Heimwerker angeblich in vierzehn Tagen zusammenfügen kann. Und da ist der ultraleichte “Merlin LSA”, ein kecker kleiner Hochdecker. Aber es sind und waren die eigentlichen, “Glasair” genannten Namensgeber der Baureihen 2 und 3, die den Erfolg des Herstellers erst begründet haben. Das sind echte Rennpferde der Lüfte mit werksseitig garantiertem Spaßfaktor. Diese waren es, die auf bei der Konferenz der Boliden auf Siegerland den Ton angaben.
Solide, kompakt, chic und bärenstark
Trotz ihres globalen Markterfolgs sind Maschinen dieses Typs Raritäten – zumindest in Europa. Es gibt hier im Abendland allenfalls zwei Dutzend davon, vielleicht ein paar mehr, vielleicht ein paar weniger. Die Tatsache, dass sie als Eigenbau daherkommen, sollte andererseits nicht über ihre tatsächliche Potenz hinwegtäuschen. Es sind ausgereifte, bis ins kleinste Detail durchdachte Unikate, an deren Leistungsfähigkeit kaum ein in Serie gefertigtes Flugzeug von der Stange heranreicht. Solide, kompakt, chic und bärenstark. Erfahrungsberichte von Piloten und einige luftige Eindrücke hier:
Teilnehmer aus ganz Deutschland, England und Österreich
Organisiert hatte dieses Treffen, zu dem Piloten aus ganz Deutschland, aus England und Österreich herbeigeeilt waren, Andy Brühl. Der Mann konnte schließlich einen Heimvorteil für sich beanspruchen. Er bzw. die von ihm geflogene Glasair 3 sind auf “EDGS” zu Hause. Wobei die Ziffer “3” sowohl die Baureihe, als auch die Pferdchen symbolisiert, die unter der Cowling wiehern. 300 PS scheuchen diesen rassigen weißen, wendigen Tiefdecker mit seinen gerade mal 7,1 Metern Spannweite auf bis zu 540 Stundenkilometer. Wenn der Mann auf die Tube drückt, können dem Passagier schon mal die Gesichtszüge entgleisen. Brühl ist auf vielen Flugtagen hierzulande ein gern gesehener und bestaunter Gast. Im vergangenen Jahr hatte man ihn auch auf der Airshow in Breitscheid erleben können. Und er ist, Ehrensache, selbstverständlich auch wieder in das Programm des großen Flughafentags am 4. September eingebunden.
Aber auf der Lippe ging es weniger um Bestmarken, Rekorde und Geschwindigkeiten. Das Treffen diente ausschließlich dem Erfahrungs- und Meinungsaustausch. Wo es beispielsweise dieses Ersatzteil günstig gibt, oder wer Rat in einer besonders heiklen Tüftlerangelegenheit weiß. Andererseits: Die Gelegenheit, eine ganze Armada dieser ihre Stärken ausspielenden Maschinen bei Demonstrationsflügen in der Luft zu bewundern, wäre zwar günstig gewesen, doch verbot sich dieses. Da gibt es Airport-Anrainer, die sind allergisch gegen Fluglärm….