Von Jürgen Heimann
Bedauerlicherweise zeigten sich nur zwei Eschenburger Gemeindevertreter interessiert. Der Vorsitzende des Parlaments und ein CDU-Abgeordneter, der bei der anstehenden Bürgermeisterwahl als unabhängiger Kandidat antritt. Dabei hätten die anderen 29 Abgeordneten hier ebenfalls noch eine Menge dazu lernen können, wenn auch vielleicht zerknirscht und mit Tränen in den Augen. Jury Bazarov, der, rechnet man den natürlich nicht anwesenden Titelverteidiger hinzu, dritte Bewerber um den Chefsessel im Rathaus, hätte sich da eigentlich ganz entspannt zurücklehnen können, weil er in dieser Sache eine weiße Weste hat. Er tat es aber nicht und suchte, wie auch Parlaments-Chef Hans-Otto Hermann, im Anschluss an die Veranstaltung den Austausch mit den Betroffenen. Willi Heß, ein exponiertes Mitglied der landesweit operierenden Interessengemeinschaft zur Abschaffung der Straßenbeiträge in Hessen, hat der Eschenburger Kommunalpolitik am vergangenen Samstag im Hirzenhainer Dorfgemeinschaftshaus gehörig die Leviten gelesen, ein ziemlich mieses Zeugnis ausgestellt und ihr einen Spiegel vorgehalten. Die Damen und Herren Volksvertreter in Abwesenheit kamen dabei nicht besonders gut weg.
Anlass der öffentlichen Veranstaltungen waren die überzogenen Ausbaupläne der Gemeinde für die kleine Anliegerstraße „Unterm Klein-Loh“ in Hirzenhain. Alle Fraktionen hatten seinerzeit für den Ausbau des kümmerlich kleinen Wegs (280 Meter Länge) zur „Stadtautobahn“ gestimmt. Er soll auf fünf Meter verbreitert und mit einem Gehsteig versehen werden. Dabei rollen hier pro Tag vielleicht vier Fahrzeuge. Fußgängerverkehr findet so gut wie nicht statt. Aber egal: Hier gilt nicht das, was der Noch-Bürgermeister Mantra-haft in einem anderen Zusammenhang wiederholt: „Wer die Musik bestellt, der zahlt“. Eher ist es umgekehrt. Die wenigen Anlieger sollen für die überdimensionierten Ausbaupläne gerade stehen und finanziell bluten. Bis zu 44.000 Euro an Beiträgen werden für sie fällig. Das kann niemand von ihnen stemmen, ohne sich und ihre Kinder auf Jahrzehnte hinaus zu verschulden.
Der Referent aus Heuchelheim, der sich seit vielen Jahren mit dem Beitragsthema auseinander setzt, ließ kein gutes Haar am Vorgehen der Gemeindeverwaltung. Im Vorfeld war das Projekt von ihr so gut wie überhaupt nicht kommuniziert worden. Erst aus der Zeitung hatten die Betroffenen erfahren müssen, was auf sie zukommt. Und als sie dann endlich zu einer „Anhörung“ eingeladen worden waren, mochten die Verantwortlichen gar nicht hören, was diese zu sagen hatten. Die Maßnahme, so wurde ihnen zu verstehen gegeben, sei in Details nicht verhandelbar. So verfuhr der Fürst früher mit seinen Untertanen. In einem demokratischen Gemeinwesen sollte so etwas aber obsolet sein. Gut, in Eschenburg und Hirzenhain gehen die Uhren halt etwas anders.
Eine ziemlich unrühmliche Rolle in diesem Prozess scheint der hiesige Ortsbeirat gespielt zu haben. Das jedenfalls wurde in einem Gespräch zwischen Bürgerinitiative „Unterm Klein-Loh“ und Repräsentanten aus Verwaltung, Bauamt und Parlamentsfraktionen am Montag dieser Woche deutlich. Ihnen, und das bestätigten mehrere Mitglieder der Runde, hatte der Ortsbeirat nämlich suggeriert, die Anwohner seien mit dem Straßenausbau vollumfänglich einverstanden. Was glatt gelogen war. Möglicherweise hat dieser Umstand auch noch rechtliche und disziplinarische Folgen. Weil sich die Gemeindevertreter, die ja eigentlich nominal Herr des Verfahrens sind, getäuscht und hinters Licht geführt sehen.
Viel heraus kam bei dem Meeting im Rathaus Eibelshausen trotzdem nicht. Immerhin scheint die Phalanx der Ausbau-Befürworter langsam zu erodieren. Vertreter von SPD, CDU und FWG signalisierten, das Projekt auf den Prüfstand stellen und erst einmal aussetzen zu wollen. So lange jedenfalls, bis die offenen Fragen in diesem Zusammenhang geklärt sind. Und offene Fragen gibt es reichlich.
Bis heute liegt den Anwohnern keine schlüssige Kalkulation für diese Maßnahme vor, obwohl sie eine solche schriftlich und nachdrücklich beim Gemeindevorstand angefordert hatten. Willi Heß hatte in seinem Vortrag anhand vorliegender Zahlen dargelegt, dass es dabei nicht mit rechten Dingen zugegangen sein kann. Die undurchsichtigen Berechnungsgrundlagen hielten einer fachlichen Überprüfung nicht stand. Zeitgleich mit dem Straßenausbau soll der angeblich marode, oder zumindest zu gering dimensionierte Kanal erneuert werden. Wenn dessen Durchmesser zu klein ist, wer bitteschön hat das denn zu verantworten? Die Zahl der Hausanschlüsse nämlich hat sich seit Jahren nicht erhöht. Oder drücken die Hausbewohner neuerdings 25 mal häufiger auf die Klospülung als früher?
Der Aushub für Kanalarbeiten muss naturgemäß deutlich tiefer erfolgen als wenn lediglich die Fahrbahn saniert werden muss. Die höheren Kosten dafür, die eigentlich die Gemeinde zu tragen hätte, werden aber nicht gesondert ausgewiesen sondern sollen den Anwohnern unauffällig mit aufs Auge gedrückt werden. Gleiches könnte für die Verlegung des Glasfaserkabels gelten. Auch selbiges muss unter die Erde. Sind die anteiligen Kosten dafür aufgeschlüsselt worden und in die Kalkulation eingeflossen? Letztere wird von der Gemeinde unter Verschluss und geheim gehalten wie ein Staatsgeheimnis. Die Gemeindevertretung könnte deren Offenlegung beschließen und fordern. Ein Fachanwalt, den die BI einzuschalten gedenkt, wird das definitiv tun. Und die Betroffenen haben in ihrer verzweifelten Situation inzwischen keinerlei „Hemmungen“ mehr, das Verwaltungsgericht einzuschalten und anzurufen. Und dann könnte es, muss aber nicht, für einige der Protagonisten in diesem Schmierendrama peinlich werden. Schaun‘ mer mal.