Von Jürgen Heimann
Als in (Un-)Ehren vergreist und ergrauter Spät-Rentner mit Frustrationshintergrund kommt man zwangsläufig rum in seiner kleinen Welt. Jedenfalls dann, wenn im engeren familiären Dunstkreis erlebnishungrige Enkelkids im Vor-Kindergartenalter auf Unterhaltung und Action bestehen. Da sind dann erst einmal Spielplätze, die ja eigens für diesen Zweck angelegt wurden, erste Wahl. Da kann man /frau die Kleinen ohne größeres eigenes Zutun über längere Zeit bespaßen. In der Regel. Doch nicht überall. Es gibt schon unrühmliche Ausnahmen.
Inzwischen kenne ich die einschlägigen Spielstätten im Umkreis von sagen wir 20 Kilometern alle mit Vornamen. Angesichts mancher dieser Einrichtungen geht einem auch als Erwachsener das Herz auf. Weil sie halt mit viel Phantasie und Ideenreichtum nach neuesten erlebnispädagogischen Erkenntnissen angelegt und gestaltet sind und entsprechend gepflegt werden. Mal mit mehr, mal mit gezügelter Kreativität.
Andere hingegen fallen da deutlich ab. Da gibt es dann Abzüge in der B-Note. Am untersten Ende der Skala, dort, wo die rote Laterne besonders grell leuchtet, findet sich der „Abenteuerpark“ am Hirzenhainer Segelfliegerhang, eingegrenzt von der Straße gleichen Namens und der Straße „Zum Kurzbeul“. Wer nicht schon von Hause aus zu (leichten) Depressionen neigt, hier kriegt er sie garantiert. Die wiederholt mit der goldenen Zitrone ausgezeichnete Anlage ist an Tristesse und Trostlosigkeit nicht zu über- bzw. zu unterbieten.
Seit gefühlt einem halben Jahrhundert unverändert, gibt es hier Spielspaß mit radikal angezogener Handbremse. Da muss man als Junior schon recht verzweifelt sein, um daselbst Freude entwickeln zu können. Planungen und Umsetzung rühren aus einer Zeit, als Vogelnestschaukeln, Nestkreisel, verschachtelte Turmanlagen, koordinierende Balanciergeräte schwebende Wabenester, Slacklines, Hängelaufbrücken und Hamsterrollen noch nicht erfunden waren.
O.K., das mit dem seit 50 Jahren Unverändert-Sein stimmt so nicht ganz. Das große Abwasserrohr aus Beton, in dem wir uns früher vor den Blicken argwöhnischer Erwachsener versteckten, um in selbigem ungestört und heimlich rauchen zu können, gibt es in dieser Gestalt so (leider) nicht mehr. Dafür lädt ein hellblaues, am Fuße einer Kletterwand platziertes windschiefes Etwas mit nicht ganz klar definierter Funktion zum Raten ein. Soll man etwa darauf schaukeln können, oder handelt es sich um ein dadaistisches Dekor-Element? Die kleine Wippschaukel im Motorrad-Design hingegen scheint zumindest etwas neueren Datums zu sein, während sich ein betagter Anwohner dunkel daran zu erinnern glaubt, auf einer der beiden rostigen Kettenschaukeln schon als Vorkonfirmand der Erdanziehung getrotzt zu haben. Und genau dieses Erlebniselement steht sinnbildlich für das ganze Ausmaß der auf dem gesamten Gelände vorherrschenden Trostlosigkeit.
Die Rutschbahnpartie endet in einem versifften Sandbecken, in dem Generationen von Wuffis und Waldis ihre flüssigen und feststofflichen Verdauungsextrakte hinterlassen haben. Apropos: Für Hunde und Katzen scheint der Ort wesentlich attraktiver zu sein als für seine eigentliche Zielgruppe, die Kinder. Auch wenn man die kackenden und pinkelnden Vierbeiner hier offiziell nicht so gerne sieht. Ein eindrucksvolles Verbotsschild zeigt einen sich gerade den Darm entleerenden Kläffer. Das Icon ist wie auf einem Sperrschild mit einem roten Querbalken durchgestrichen. Ob sich eventuell freilaufende Exemplare der Gattung Wuff und Wau davon aber beeindrucken lassen, sei mal dahingestellt.
Andernorts ist es Standard, die Spielplätze mit einem massiven Metallzaun gegen ungebetene Besucher dieser Art zu sichern. Oder halt abends auch abzuschließen, damit sich alkoholisierte Rowdies hier nicht zu nächtlicher Stunde breit machen, sich die Hucke weiter voll hauen und ein Meer von Glasscherben zertrümmerter Bier- und Fuselflaschen hinterlassen. In die später nichtsahnende Kinder hineintappen. In Hirzenhain hat man von solchen eigentlich selbstverständlichen Sicherungsvorkehrungen noch nie etwas gehört. Was aber nicht unbedingt den Bewohnern dieses renitenten Bergdorfs anzulasten ist. Die Unterhaltungspflicht liegt bei der Gemeinde Eschenburg, im Rathaus. Aber dort pflegt man offenbar andere und dringendere Baustellen. Und den gewählten Hirzenhainer Kommunalpolitikern direkt vor Ort scheint dieses Thema komplett am Arsch vorbei zu gehen. Seitenstreifenmarkierungen auf dem Verbindungsweg zum Bahnhof sind sicherlich wichtiger. Immerhin hat der Ortsbeirat nach einer jüngst stattgefundenen Besichtigung moniert, dass die Bank einer kleinen, bescheidenen Sitzgruppe für das erwachsene Begleitpersonal marode wäre und die Farbe am Mast des Basketballkorbes abblättere. Andere Sorgen hat man in diesem Gremium offenbar nicht.
Ach ja, das olympiareife, an die Straße zum Kurzbeul angrenzende Basketball-Feld. Wo andernorts gelenkschonende Schwingböden mit Kunststoffbelag die selbstverständliche Regel sind, dominiert hier die Beton- und Asphalt-Fraktion. Heißt: Wer hier mal im Eifer des Spielgefechtes unglücklich ausrutscht oder fällt, findet sich in „Jim’s“ Praxis wieder, der unseres unverdrossen und wacker die Stellung haltenden Dorf-Arztes. Heile heile Gänschen… Unser „kleiner Bürgermeister“, der Ortsvorsteher, könnte die obige Zustandsbeschreibung bestätigen. Wenn er denn wollte. Er wohnt direkt vis-à-vis.
Man darf getrost und mit verbundenen Augen auf irgendeinen Punkt der mittelhessischen Landkarte tippen: In jedem anderen Ort gibt es schönere, attraktivere und kreativer gestaltete Kinderspielplätze als im Segelfliegerdorf. Darauf verwette ich meine kümmerliche Rente. Aber man braucht gar nicht in die Ferne schweifen. Schon in Frechenhausen, Gönnern, Übernthal, Nanzenbach oder Niederscheld finden sich Anlagen, die die im Höhendorf ziemlich alt aussehen lassen (was sie ja auch ist) und um Längen besser, schöner und findiger gestaltet sind als diese.
Es scheint eine Frage der Prioritätensetzung zu sein. Welchen Stellenwert genießen hier bei uns in Hirzenhain die Kinder, die ja (noch) nicht als Wähler bedeutsam sind? Offenbar gar keinen. Sonst hätte doch, verdammt noch mal, schon vor Jahrzehnten irgendein kommunaler Polit-Stratege aufschreien und aufstehen müssen, und zwar mit dem Ziel, das alles andere als kindgerechte Schandmal am Segelfliegerhang zu optimieren. Aber wen juckt’s?
Völlig kritiklos und unreflektiert hat auch unser geschätzter Ortsbeirat das abgedrehte und vom Diktat der Einnahmeverbesserung geleitete Ansinnen der Gemeindeverwaltung durchgewunken und akzeptiert, auf dem zentral gelegenen Kleingartengelände „Auf dem Löhchen“ vier kaninchenstallgroße Bauplätze auszuweisen. Auch weil das Areal kaum noch für Ackerbau und Viehzucht genutzt wird und zu versteppen droht. Stimmt ja auch. Allenfalls zehn Prozent der Fläche werden noch bewirtschaftet. Andererseits: Im Ortsteil Bahnhof gibt es Bauplätze in höchst attraktiver Lage zur Genüge. Ich persönlich könnte mir etwas Schöneres vorstellen, als meine Hütte auf dem Noch-Gartenland zu zimmern, wo man sich aus allen vier Himmelsrichtungen wie auf dem Präsentierteller fühlen dürfte. Aber das ist Ansichtssache. Als alteingesessener, und direkt betroffener Anlieger würde ich der Gemeinde Eschenburg bei gleichzeitiger Aufrichtung des Stinkefingers etwas husten, mir die traumhafte Aussicht auf den Hornberg vermasseln zu wollen. Deshalb auch weigern sich einige der Anrainer partout, ihre Parzellen für dieses hirnrissige Vorhaben herzugeben. Und das ist, hallo Klaus Wowereit, auch gut so. Damit steht und fällt aber auch der völlig verkorkste Plan unserer Rathausstrategen aus Eibelshausen. „Mir freue sich“, um den unvergessenen Horst Freimüller aus Herborn zu zitieren.
Das aber wäre doch einmal eine Aufgabe, ein Thema, bei dem die kommunalen Volksvertreter und ihre Verwaltungs-„Dienstleister“ im Rathaus einmal zeigen könnten, was in ihnen steckt. Statt sich hinter sattsam bekannten und formalen Bedenken zu verstecken, böte sich doch hier mal eine echte Chance, Ideenvielalt und Kreativität Raum zu geben. Nur mal rumgesponnen: Warum den noch von einigen wenigen bewirtschafteten Teil des Geländes nicht ausmessen und auf dem verbleibenden und deutlich größeren Areal eine generationsübergreifende Freizeitanlage, ein Treff- und Verweilpunkt für jung und alt zu gestalten? Mit einem Kinderspielplatz, der diesen Namen wirklich auch verdient, vielleicht einem Skater-Parcours, mit (später vielleicht einmal Schatten spendenden) Bäumen, einer kleinen Bühne für kulturelle, folkloristische Darbietungen, durchaus auch einem Grillplatz, Sonnensegeln und Pavillons, die sich für gastronomische Angebote nutzen ließen?
Ich höre schon das Totschlagsargument: Dafür ist kein Geld da. Dabei gibt es für derlei Projekte diverse Fördertöpfe, die man halt nur anzapfen muss. Die wunderschöne Nanzenbacher Anlage ist auch aus einem solchen mitfinanziert worden. Wo ein Wille, da auch ein Weg. Fehlt er, also der Wille, nutzt die best ausgebauteste Autobahn auch nix. Andererseits: Unser Förderverein sitzt ja nicht erst seit der 750-Jahr-Feier mit ihren üppig sprudelnden Einnahmen auf einem großen, dicken Sack Euros. Von denen bis heute nicht klar ist, was man damit anzustellen gedenkt. Immerhin hat man davon schon ein knappes Dutzend grüner Plastikgießkannen für den Friedhof gesponsert, wie entsprechende Aufkleber darauf verkünden. Daraus kommen die Tropfen auf die heißen Steine. Jetzt könnten sich die Damen und Herren in Sachen „Freizeitanlage auf dem Löhchen“ an die Spitze einer noch gar nicht existenten Bewegung stellen. Es wäre eine gute, sinnvolle Investition, eine in die Zukunft und die unserer Kinder und Enkelkinder. Worauf wartet man?