Wer sein müdes Haupt in ein Daunenkissen gräbt, sollte auf schlimmste Albträume gefasst sein. Solche, die dem Schlaf suchenden selbigen rauben, die ihm den Angstschweiß auf die Stirn treiben und in denen das Grauen riesengroß Gestalt annimmt. In diesen Horrorszenarien spielen Gänse eine entscheidende Rolle. Gänse, die jämmerlich schreien, denen die Federn bei lebendigem Leib ausgerissen werden, deren nackte Körper mit blutigen Striemen und Wunden übersäht sind. Gänse, denen die Flügel gebrochen und herausgerissene Fleischfetzen eben mal ohne Betäubung wieder angenäht werden, damit sie noch ein paar Wochen durch halten. Und dann beginnt die Tortur von vorne. Das Schreckliche daran: Das ist gar kein (Alb-)Traum, sondern bittere Wirklichkeit. Eine angenehme Nachtruhe allerseits!
Viele verschließen gerne die Augen vor dieser brutalen Realität, so wie es jener zu tun versucht, dem angesichts der schockierenden Bilder der selige Schummer hoffentlich versagt bleibt.
Aus Gänsedaunen hergestellte bzw. mit solchen gefütterte Produkte, seien es nun Kissen, Decken, Schlafsäcke oder Jacken/Mäntel, mögen ja besonders warm und vielleicht auch angenehm-flauschig sein, aber ihre gepeinigten Vorbesitzer zahlen einen verdammt hohen Preis dafür. Dafür, dass wir nicht frieren müssen. Und dafür, dass wir unsere Revuekörper in modisch-funktionalen Chic kleiden. Sie lassen ihre Federn für einen zweifelhaften Komfort, zu dem es längst adäquate synthetische und pflanzliche Alternativen gibt: PrimaLoft, Thinsulate oder Thermolite beispielsweise. Die aus Palmen gewonnene Pflanzenfaser Kapok, die so genannte „Pflanzendaune“, eignet sich hervorragend als Ersatz.
„Pusztarupf“: Die Ungarn haben das Perverse System perfektioniert
Man nennt dieses in der EU eigentlich verbotene Verfahren zur Gewinnung von Daunen „Harvesting“ oder auch “Lebendrupf”. Nomen est omen! Und dabei unterscheiden Täter und Abnehmer zwischen Erst-, Zweit-, Dritt- und Mutterrupf usw. Das ist auch eine Spezialität vor allem unserer ungarischen Partner, die dieses System unter der Bezeichnung “Pusztarupf” massen-industriell perfektioniert haben und es Jahr für Jahr an 300.000 Tieren praxisnah erproben. Aber auch die Polen (und die Russen) sind da wenig zimperlich, die Chinesen sowieso nicht.
Wer sich eigenhändig schon mal selbst ein Bart- oder Kopfhaar ausgerissen hat, bekommt eine vage Vorstellung davon, was das gepeinigte Federvieh dabei durchmacht. Zwischen acht und 20 Euro erzielen die Produzenten auf dem Markt derzeit für das Kilo Daunen; eine Gans bringt pro Rupf etwa 150 Gramm. Leute, die mathematisch nicht völlig mit dem nassen Handtuch gesalbt worden sind, können sich ausrechnen, wie viele Tiere für ihr (sicherlich teuer erkauftes) Wams ihre Federn haben lassen müssen. Mehrmaliges Rupfen steigert da natürlich den Profit ungemein, zumal Schlachtware durch den Einsatz von Maschinen eher beschädigt und mühsamer zu verarbeiten ist.
“Ernten” und Quälen im Akkord
“Geerntet” wird im Akkordverfahren. Sogenannte “Federbrigaden” fallen über die Gänse her und agieren dabei ziemlich effektiv – und rigoros. Die Aktivisten klemmen sich die Tiere häufig einfach kopfüber zwischen die Knie und reißen ihnen büschelweise das Federkleid aus. Wobei, siehe oben, den in Panik geratenen Wesen nicht selten die Schwingen gebrochen oder Hautlappen herausgerissen werden, die, man weiß sich ja zu helfen, anschließend mit Nadel und Faden und ohne Betäubung wieder angenäht werden. Oder man überlässt die völlig verängstigten Tiere mit offenen Wunden ihrem Schicksal. Die personalsparende Variante ist der sogenannte “Maschinenrupf”. Dabei wird eine (lebende) Gans an eine schnell rotierende Metallscheibe gehalten, die ihr die Federn aus der Haut reißt.
Und, machen wir uns nichts vor, auf deutschen Geflügel- bzw. Gänsefarmen ist solches zwar nicht gleich die Regel, aber die geflissentlich tolerierte Ausnahme. Und die Vorteile liegen auf der Gänseleber: Die Tiere können auf diese Weise, bevor sie endgültig erlöst werden, in ihrem kurzen Leben mehrmals gemolken, nee, pardon, gerupft werden. Zwischen vier- und sechsmal werden sie in Folge auf diese Weise “entkleidet”, bevor der Schlächter dem Martyrium ein Ende setzt. Wenn sie dann als leckerer Braten auf unserer weihnachtlichen Festtafel landen, haben sie das Schlimmste überstanden und hinter sich. Mit diesem Wissen schmeckt die Keule doch gleich viel bessere. Guten Appetit!
Und plötzlich haben alle die Mauser
Dieses Verfahren an lebenden Tieren ist in Deutschland zwar verboten, aber wo kein Kläger, da kein Richter. Außerdem hat die EU den “Produzenten” ein Schlupfloch gelassen, schönfärberisch “Mauserraufe” genannt. Haben die Gänse die Mauser, was dann kurioserweise meist und plötzlich bei allen Tieren eines Bestandes auf einmal der Fall ist, dürfen ihnen die Daunen schonend “abgekämmt“ bzw. „ausgestrichen“ werden. Haha! Der „Ertrag“ bei dieser Methode ist im Vergleich zum Radikalrupfen verschwindend klein. Warum sich mit dem Spatz begnügen, wenn es auch die Taube gibt? Kontrolliert wird das meist sowieso nicht. Dabei sind Gänse nicht nur äußerst liebenswerte, sondern auch kluge Tiere. Und haben sie einst nicht das Kapitol in Rom vor den anstürmenden Kelten gerettet? Das ist jetzt der Dank dafür.
Die Bilder und Videos, wie sie auch bei Youtube kursieren, sind aufwühlend und dokumentieren unfassbares Leiden. Vielleicht sollte man sich das vor der nächsten Shoppingtour mal anschauen. Könnte die Kaufentscheidung maßgeblich beeinflussen: http://www.youtube.com/watch?v=Bx8rCAQf04c Zugabe gefällig? http://www.youtube.com/watch?v=aam7dFk85Ig
Der einschlägige Handel wird zwar nicht müde zu beteuern, dass seine Produkte nur unter Verwendung von Daunen bereits toter Tiere hergestellt sind (“Totrupf”), doch bleibt er den Beweis dafür schuldig. Alle einschlägigen (Fantasie-)Siegel, die dieses bezeugen und belegen sollen, sind das Papier nicht wert, auf dem sie stehen.
Trübe Quellen, dunkle Vergangenheit
Untersuchungen der Stiftung Warentest haben keinen einzigen Fall zutage gefördert, in dem die sich die Verwertungskette lückenlos bis zum Erzeuger zurückverfolgen ließe. Irgendwann verliert sich die Spur im Trüben. Und der einschlägige Handel ist nicht bereit, seine Quellen offen zu legen und zu verifizieren. Und so lange muss der Verbraucher davon ausgehen, dass das Produkt, das er erwirbt, eine dunkle Vergangenheit hat. Eine solche hat es so oder so, auch oder erst Recht dann, wenn es “nur” als Gänsebraten “made in France”, Bulgarien, Ungarn oder Spanien daherkommt. Hat das Schicksal der Kreatur die undankbare Rolle einer Mast. bzw. Stopfgans zugedacht, leidet sie doppelt und dreifach. Aber das ist wieder ein ganz anderes, nicht minder entsetzliches Kapitel, das zeigt, zu welch unsäglicher Grausamkeit der sich als “Krone der Schöpfung” wähnende Mensch gegenüber seinen Mitgeschöpfen fähig ist.
Es gibt bessere und günstigere Alternativprodukte
Tierschutzorganisationen wie PETA, Vier Pfoten oder IFAW (International Fund for Animal Welfare) und andere laufen seit Jahren Sturm gegen die Praxis des “Lebendrupfs”. Immerhin ist eine Wende zum Guten dahingehend zu erkennen, dass immer mehr Verbraucher die zweifelhaften, vorgestrigen Daunenwaren links liegen lassen und zunehmend auf Alternativprodukte zurückgreifen. Diese, so Frank Schmidt, Fachreferent für Tiere in der Bekleidungsindustrie bei PETA Deutschland, seien in Punkto Verträglichkeit Pflege, Ökologie und Preis sowieso besser: „Moderne pflanzliche und synthetische Füllmaterialien sind wärmend, leicht, atmungsaktiv und vor allem unschlagbar preiswert”. Wer unter Hausstauballergie leide, sei mit einer synthetischen Hohlfaserfüllung am besten beraten, denn diese Bettwäsche lasse sich am einfachsten regelmäßig waschen und trocknen.
Also besteht eigentlich keine Notwendigkeit, auf Daunenprodukte zu setzen. Es sei denn, man/frau betrachtet das unter Status-Gesichtspunkten. So etwas soll es ja auch geben, und das ist ja noch viel kranker und perverser. Tiere nur deshalb zu opfern, weil ein Dödel/Dödelin meint, er müsse etwas darstellen. In China ist diese Einstellung weit verbreitet. Dort ist eine teure Daunenjacke auch irgendwie ein Statussymbol. Bei uns teilweise auch (noch)….