Die postmoderne Arbeitswelt wird immer komplizierter – und verrückter. Auch, weil wir sie uns immer komplizierter und verrückter machen. Und dieses System ist selbstlaufend und seinem Wesen nach eine gigantische ABM-Maschinerie. Beflügelt vom universitären Zeitgeist moderner Wirtschafts- Management- und Ingenieurstheorien zimmern wir uns immer neue Strukturen und erdenken uns Abläufe, die sich nach außen (und innen) hin zwar in erster Linie und ausschließlich an dem Wohl des Unternehmens orientieren, tatsächlich aber nur dem Ego weniger dienen. Messbare, konkrete Resultate gibt es in den seltensten Fällen. Das ist wie bei einer Mitarbeiterkonferenz, die ja neudeutsch „Meeting“ heißt. Da gehen auch viele Leute hinein und es kommt wenig dabei heraus.
Arbeiter werden durch PR-Leute und Evaluierungsexperten ersetzt. Die bodenständigen Pragmatiker und Praktiker haben den jungen Wilden unter windigen Theoretikern längst das Feld überlassen. Letztere geben vor, frischen Wind, neue Ideen und revolutionäre Denkansätze in die an Überkommenem leidende Bude bringen zu wollen. Gut, diese Leute wissen vielleicht nicht, wie man eine Vierkantschraube richtig herum eindreht, geschweige denn sind sie in der Lage, eine Briefmarke unfallfrei aufzukleben. Aber: Sie vermögen diese komplexen Vorgänge auf atemberaubenden Powerpoint-Folien zum Leben zu erwecken, obwohl Powerpoint, wie sie nicht müde werden zu betonen, ja eigentlich total uncool sei.
Eine neue Generation von Führungskräften hat sich in den Unternehmen breit gemacht. Und es bleibt sich egal, ob selbige nun Gummibärchen, Unterlegscheiben für Babyschnuller, Flugzeugküchen oder Geschirrspültücher mit den Initialen von Prinz Charles herstellen. Produkt- und Fertigungskenntnisse sind nicht zwingend. Die Stärken dieser ganzen smarten „Head of’s“, „Fuck-Off’s und pickelgesichtigen, persönlichkeits-defizären Bonsai-Manager liegen woanders. Es wird nicht mehr gearbeitet, sondern über Arbeit geredet, bevorzugt in einem Meeting. Früher hieß das Konferenz. Aber von solchen kann es mittlerweile ja nicht mehr genug geben. Das hat längst inflationäre Züge angenommen. Da sitzt man/frau sich vis-a-vis am Schreibtisch gegenüber und könnte dieses oder jenes Problem mal eben zwischendurch auf kurze Distanz erörtern und lösen. Könnte! Stattdessen vereinbaren wir offiziell ein Treffen, Meeting oder „Würgshop“, per Einladungsfunktion, die jeder halbwegs vernünftige Mail-Client bietet, versteht sich. Vorteil: Der persönliche Terminkalender ist auch vom Chefe einsehbar. Je mehr Einträge sich dort befinden, umso wichtiger und unverzichtbarer der- oder diejenige welche. Macht sich auch gut für’s unternehmensinterne Personal-Ranking.
Selbstdarstellung: Rhetorik als Bluff
Das geschickte Reden über die Arbeit ist längst wichtiger als die Erledigung der Arbeit selbst. Im Grenzfall erschöpft sich die Tätigkeit gänzlich in der Selbstdarstellung. Rhetorik als Bluff. Das ist ein Pflichtfach. Alles eine Frage von selbstsicherem Auftreten und Selbstvermarktungsbegabung.
Angeberei zählt mehr als Leistung. Wohl jeder kennt einen typischen Vertreter dieser eigentlich überflüssigen Gattung aus seinem eigenen Umfeld. Und seltsam daherreden tun diese Leute obendrein. Sprachliches Suhlen zwischen Kick-off-Workshop, Nachhaltigkeitsdialog, Total Quality, Management Change und Performance. Ein verquaster Mix aus Anglizismen und verenglischtem Blabla-Deutsch. Da geht es im Neusprech des Managerismus um Evaluation, Feasibility, Governance, und Propability. Brainsharing mit dem Customer könnte die Topics, Key Points und Top Issues der High-Level-Performer doch ein wenig easier targeten, um einen Standstill am Point of Sale zu evaden. Oh Mann! Das alles ist keiner kranken Phantasie entsprungen, sondern berufliche Alltagsrealität. In vielen modernen, sich dem Fortschritt und der Innovation verpflichteten Unternehmen sülzen die Kollegen ausschließlich in solchen Kategorien. Und in unserer Firma gibt es inzwischen sogar einen “Creative Associate Chief Accountant-Manager-Assistant”. Den hat unsere findige Personalabteilung (heute heißt das allerdings “Human Ressources)” bei einem Subdivided E-Commerce Volatility Investment Provider abgeworben.
Ja und dann sind da noch die Jungs aus der Forschungsabteilung für transzendentes Abstrakt-Kaizen, die Herren Seitri, Seiton, Seiso, Seiketsu und Shitsuke. Bei letzterem wird der Nutzwert des Programms schon an der ersten Namenssilbe erkenntlich: Shit. Wir wir in alle den früheren Jahren ohne diese 5S-Apokalyptiker haben bestehen können, ist mir völlig schleierhaft.
Christoph Bartmann, Direktor des Goethe-Institutes in New York, hat dieses Tollhaus in seinem empfehlenswerten Buch “Leben im Büro – die schöne neue Welt der Angestellten” ebenso köstlich wie kenntnisreich beschrieben. Eine brillante Analyse unserer Gesellschaft. Bitter und böse: „Früher haben wir unseren Job erledigt, heute machen wir (in) Projekte, mit allem, was dazu gehört. Also Projektmanagement, Projektleitung, Projektfortschritts-Messung, Risiko-Analyse, Business-Case und, und und..“
Projektmanager, Lasagnen-Charts und Evaluierung
Die Berufsberaterin Uta Glaubitz hat die Entwicklung treffend wie folgt skizziert:
„Jahrtausendelang bedeutete Arbeit Viehzucht, Ackerbau, Bauen, Kochen, Schneidern und Handeln. Heute hat sich ein Überbau aus Management darüber gewölbt. Dort werden Ziele vereinbart und Prozesse aufgesetzt, dargestellt und evaluiert. Man entwickelt Teams (TEAM: T = Toll E = Ein A = Anderer M = Machts) beziehungsweise steuert Teambuildingprojekte und evaluiert Zielerreichungsprozesse. Die Evaluierung ist wieder ein Projekt, das einen Projektmanager braucht, so wie die Installierung eines guten Projektmanagements einen Facilitator“. Und dann benötigen wir natürlich auch zwingend noch Evaluationskompetenzentwickler und einen Risikomanagementtrainer.
Vor lauter Listen sehen wir Ecxel nicht mehr, all die grell-bunten Lasagnen-Charts, die sowieso keiner versteht, verstellen den Blick aufs Wesentliche. Das sind, wie ein schlauer Mann es formuliert hat, die Spätfolgen einer durch eine neue Sorte von Wanderpredigern propagierten Erlösungsreligion, die der Unternehmensberater.
Da wird’s einem ganz schwindelig. Entscheidend ist längst nicht mehr, was hinten herauskommt. Da irrte Helmut Saumagen Kohl seinerzeit aber gewaltig. Der Weg ist das Ziel, oder zumindest die Wegbeschreibung. Und ohne eine solche geht es nun mal nicht. Vor allem dann, wenn das Navi kaputt ist….
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