Rotorman's Blog

Miez, Miez: „Schlummerle“, „Peterle“ und
Co. als gnadenlose Vogeljäger im Garten

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Auf dem Weg an die Vogelfront im Garten: Da ist der Tisch reich gedeckt – auch wenn „man“ eigentlich satt ist. Foto: Siegbert Werner

Ein Thema, bei dem man sich nur den Mund verbrennen kann. Nicht nur, weil es so komplex und vielschichtig ist, sondern vor allem deshalb, weil es ganz unterschiedliche Interessens-Bereiche tangiert, innerhalb derer die Sicht der Dinge meist mehr und sehr emotional, denn rational geprägt ist: Es geht um die Jagd, die unsere herumstreunenden, geliebten, teils auch verhätschelten Stubentiger tagtäglich draußen vor Tür und Katzenklappe in der Singvogelwelt veranstalten. Und es geht darum, was das in finaler Konsequenz für die Population der Gefiederten bedeutet.
8,2 Millionen Miezen (die geschätzten zwei Millionen verwilderten Samtpfoten mal außen vor gelassen) schnurren einer Statistik des Industrieverbands Heimtierbedarf zufolge bundesweit in Häusern und Wohnungen herum, weshalb man sie ja auch Hauskatzen nennt. Aber sie tun es nicht nur dort. Was ihre LIeblinge draußen auf der Pirsch anrichten, das ganze Ausmaß dessen bekommen Herrchen oder Frauchen in den seltensten Fällen mit. Ab und an schleppen „Schlummerle“, „Peterle“ und Co., vom Freigang zurückkehrend, zwar mal stolz eine zerfetze Amsel an (und wollen dann gelobt werden), aber solches gilt dann, bis zum Beweis des Gegenteils, erst einmal als Kollateralschaden. Ist aber wohl nur das Spitzlein des Eisberges. Bedauerlich, aber nicht zu ändern. So sind sie halt, diese Mausis. Sie gehorchen ja nicht der Not, sondern folgen nur ihrem eigenen (Jagd-)Triebe. Und oft genug wollen sie ja auch nur spielen – mit ihrer Beute. Was für letztere meist ziemlich ungesund und lebensverkürzend ist.

200 Milo. Vögel im Jahr fallen Hauskatzen in die Pfoten

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Frühstück für Tiffany: Hier hat es eine Kohlmeise erwischt. Foto: The Utrained Eye/
https://www.flickr.com/photos/theuntrainedeye/3051529498

Im vergangenen Jahr war in der Zeitschrift „Nature Communications“ eine viel beachtete Studie veröffentlicht worden. Sie versuchte zu schätzen, wie viele Vögel und andere Kleintiere weltweit jährlich von Hauskatzen getötet werden. Ergebnis: die unvorstellbar große Zahl von 1,4 bis 3,7 Milliarden. Die errechneten Zahlenwerte auf die Kopfzahl der in Deutschland gehaltenen Katzen (8,2 Mio.) umgelegt, fallen denen pro Jahr etwa 200 Millionen Piepmätze in die Pfoten und zum Opfer. Das wären im Durchschnitt  etwa 25 Stück pro Katze. Da können wir die Risikofaktoren Windräder und Straßenverkehr getrost außer Acht lassen. Und die reinen Wildkatzen, von denen es höchsten 5.000 Exemplare in Deutschlands Wäldern gibt, sowieso.

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Wenige Tage alte Nestlinge nach dem Überraschungsbesuch einer kaum von Hunger getriebenen Katze. Foto: Jessica Lucia/https://www.flickr.com/photos/theloushe/5708341430

Da gibt es nix zu beschönigen und auch nichts zu verharmlosen: Frei herumlaufende Katzen, nicht nur die verwilderten, sondern auch die satten und gut gefütterten, stellen eine große Gefahr für Vögel und somit auch für deren Bestände dar. Das gilt ebenso für Reptilien, Amphibien, Eichhörnchen, Fledermäuse und andere Kleinlebewesen. Da beißt die Maus keinen Faden ab, selbst wenn die Katze natürlich (und das  in einem noch größeren Ausmaße) auch die Maus beißt. Die Killer töten alles, was kleiner ist als sie, auch wenn sie die Beute dann meist liegen lassen. Das Problem ist seit langem bekannt, wird aber kaum diskutiert – vielleicht auch deshalb, weil Katzen hierzulande eine ziemlich starke Lobby haben. Da ist der Aufschrei der Empörung quasi vorprogrammiert und der „Shit-Storm“ diesseits und jenseits der digitalen Welt so sicher wie das Amen in der Kirche. . .
Ein mir bekannter und sehr engagierter Naturschützer wollte sich deshalb auch öffentlich nicht dazu  äußern, weil  er in dieser Frage schon genügend Stress mit seinem „lieben“ Nachbarn gehabt hätte und habe. Andererseits sind sich die ornithologischen Interessenvertretungen auch alles andere als einig, welcher Stellenwert diesem Thema wirklich beizumessen ist.

„Mauzis“ Jagdfieber ist nicht der Grund für den Artenschwund

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Katzen sind Lauerjäger. Sie warten stundenlang und geduldig auf ihre Chance, um dann blitzschnell zuzuschlagen. Foto: Siegbert Werner

Nur, um das einmal klar zu stellen: Katzen zum Sündenbock dafür machen zu wollen, dass der Vogelbestand in seiner ursprünglichen Vielfalt hierzulande in den vergangenen Jahren drastisch dezimiert worden ist, wäre zu kurz gegriffen. An dieser fatalen Entwicklung ist einzig und allein der Mensch schuld. Er hat den Lebensraum und die Nahrungsquellen der Zwitscher- und Krächzfraktion immer weiter beschnitten und eingeengt – durch Zersiedlung, Rodung, Abholzung, die Anlage von Monokulturen, landwirtschaftliche Industrialisierung und Pestizideinsatz. So ist eine „einzigartige,  plattgewalzte, betonversiegelte, Schweinegülle-getränkte, Sagrotan-berieselte und mit Autobahnen durchzogenen Kulturlandschaft“ entstanden, wie es ein Forumsschreiber bei Spiegel-online plastisch und treffend formuliert hat.
Drauf pflegen auch die traditionellen Tier-, Vogel- und Naturschutzverbände immer gebetsmühlenhaft zu verweisen. Durchaus zu Recht. Aber die Hatz, die die allenfalls teildomestizierten Garfields, Toms und Kittys auf die Fiederlinge veranstalten, kommt jetzt noch on-Top, wenngleich selbige im Ranking der Deutsche Ornithologischen Gesellschaft für die Gründe des dramatischen Rückgangs von Feldvögeln verschämt und erst auf Platz neun auftaucht, verborgen unter der Umschreibung „Bedrohung durch nachtaktive Raubsäuger“, zu denen die Miezen ja auch gehören.
Der gemeine Katzenhalter will es vielleicht gar nicht wissen, welche Dramen und Tragödien sich dahingehend täglich in seinem Garten oder nicht weit davon entfernt abspielen. Oder er macht sich keine Gedanken darüber. Oft wird das mit der Bemerkung „so ist das nun mal in der Natur“ abgetan – und fertig. Zumal die Massaker, die die Malteser, einige unserer beliebten südeuropäischen Nachbarn sowie die Ägypter Jahr für Jahr unter Zugvögeln anrichten, um sie dann in ihre Kochtöpfe wandern zu lassen, ja noch mal eine ganz andere Dimension erreichen.

Stubentiger sind die beliebtesten Haustiere der Deutschen

Katzen sind des Deutschen beliebtestes Haustier und stellen einen Milliardenmarkt für die Heimtierindustrie dar. Man findet sie statistisch in 16,3 Prozent aller Haushalte. Dass sie süß, intelligent, vielleicht anschmiegsam, stolz, unabhängig und eigenwillig sind, mal bei Seite gelassen. Sie sind meist auch billig. Katzenbabys kann man schon für 20 EUR erstehen, und, wenn die erwachsenen Exemplare irgendwann mal lästige werden sollten, für 0 Euro an der nächsten Autobahnraststätte wieder aussetzen. Diese Tiere machen, im Vergleich zum Hund, auch wenig(er) Arbeit, verlangen nicht nach regelmäßigen Gassi-Runden, kommen sehr gut alleine zurecht und sind somit gerade auch für Berufstätige das ideale Haustier – und für andere auch Sozialkontaktersatz und /oder knuffiges Spielzeug.
Die Tatsache, dass für sie keine Katzensteuer fällig wird (die Forderung nach Einführung einer solchen wird jedoch lauter) und es keines separaten Abschlusses einer Haftpflichtversicherung für sie bedarf, kommt noch hinzu. Das sind Faktoren, die der immensen Verbreitung der Hauskatze sicherlich Vorschub geleistet haben.

Keine Bedeutung als Regulativ in der Natur

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So clever unsere Miezen auch sind, lesen können sie nicht. Und deshalb tun sie sich auf ihren Beutezügen nicht nur in Hausgärten, sondern auch schon mal in ausgewiesenen Naturschutzgebieten um. Foto: Siegbert Werner

Mindestens im gleichen Maße ist ihre Bedeutung als notwendiges Regulativ innerhalb des Naturhaushaltes gesunken. Es bedarf keiner Katzen, um das biologische Gleichweicht aufrecht zu erhalten. Sie sind ja ein eher künstliches Phänomen. Mäuse jagen tun auch andere. Aber Katzen können mitunter auch zu Futter-Konkurrenten anderer Beutegreifer werden. Dazu zählen Greifvögel, Eulen, Füchse und Rabenvögel, deren Nahrungsangebot dadurch sinkt. Die Auswirkungen sind letztlich aber noch nicht durch Studien belegt.
Kein Katzenbesitzer und –freund wird mir jedoch weismachen können und wollen, er habe sich nur deshalb ein solches Tier angeschafft, damit es schädliche Nager und andere vorschnell als „Kroppzeugs“ diffamierte Kreaturen in seinem Umfeld dezimiert. Ihre tatsächliche Funktion reduziert sich zumeist auf die einer „Schmusekatze“ – unter Inkaufnahme der erwähnten Nachteile und Auswirkungen auf die Vogelwelt. Und die sind nun mal nicht zu leugnen. Einfache Formel: Je höher die Dichte frei herumlaufender Katzen in einem Siedlungsgebiet, desto geringer die Zahl der dort noch vorkommenden Bodenbrüter (z.B.  Laubsänger, Goldammer, Rotkehlchen, Lerchen) bzw. Busch- und Heckenbrüter (Grasmücken, Zaunkönig, Drossel, Heckenbraunelle, Grünfink und Dompfaff). Und diese geschickten, lautlosen Jäger machen ja keinen Unterschied, ob es sich bei ihrer Beute um in ihrem Bestand gefährdete oder stabile Arten handelt. Und dass es nur kranke Vögel sind, die von ihnen erlegt werden, ist leider nur ein Gerücht.

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Da hat auch das Bimmelchen nichts geholfen. Für den Piepmatz wurde es zum Todesglöckchen. Foto: Uli Herrmann/https://www.flickr.com/photos/uherrmann/5054229319/

Andererseits, kein schlechter Witz, gibt es im Internet diverse Foren, in denen sich Katzenhalter, man mag es nicht glauben, mit der Zahl der von ihren Fellnasen eliminierten Fiederlingen brüsten und sich so gegenseitig hochschaukeln. Diese Menschen (was für Menschen sind das eigentlich?) sind noch stolz darauf, was ihre Muschis da anstellen. Je erfolgreicher der vierbeinige Desperado, umso mehr Glanz fällt auf den Besitzer – glaubt dieser zumindest. Arme Kreaturen! Aber das sind Ausnahmen. Die meisten Katzeneigner reagieren, darauf angesprochen, schon betroffen, um aber sogleich achselzuckend zu signalisieren, daran nichts ändern zu können (oder zu wollen?). Und es sind ja auch keineswegs alle „Hausikatzis“, denen der Killerinstinkt das tägliche Verhalten diktiert. Mit zunehmendem Alter werden auch sie, in Ehren ergraut, analog zu den Menschen, bequemer und ruhiger. Aber so ein Jungspund im Saft und Kraft seiner jungen/jüngeren Jahre kann da schon erhebliches Unheil anrichten – und tut das auch.

Aber die Katzen als solche sind ja auch nicht dafür verantwortlich zu machen. Sie folgen nur ihrem Instinkt, sind also keineswegs per se und von vornherein böse. Die Verantwortung für das, was sie tun und anrichten, trägt der Mensch, der sich diese Tiere zugelegt hat. Rechtlich gesehen ist der Eigentümer dafür verantwortlich, was seine Mieze beim Freigang anrichtet. Er muss sicherstellen, dass kein einziges Individuum einer geschützten Art durch sein “Eigentum” zu Schaden kommt beziehungsweise getötet wird. Zu Erinnerung: Sämtliche Wildvögel stehen unter Schutz. Somit, argumentiert beispielsweise die Wildvogelhilfe, mache sich ein Katzenbesitzer rein theoretisch strafbar, sobald sein Haustier in der Natur einen Wildvogel verletzt oder tötet. Aber hier ist das Papier geduldiger als bei anderen Gesetzestexten. Wo kein Kläger, da kein Richter. In der Praxis achtet niemand darauf, ob eine Katze einen Wildvogel tötet. Deshalb kommt es auch so gut wie nie zu einer strafrechtlichen Verfolgung des Halters.

Haus- oder Stubenarrest während der Brutsaison

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Wildkatzen haben als Beutgreifer auf die Vogelwelt keine Auswirkungen. Es gibt maximal 50.000 davon in Deutschland. Ihnen gegenüber stehen 8,2 Millionen Hauskatzen. Foto: Helmut Weller

Was kann letzterer also tun? Vielleicht einer der Minimalforderungen zahlreicher Tierschutz-Organisationen zu entsprechen, seine Lieblinge wenigstens in der Brut- und Aufzuchtzeit mit Haus- bzw. Stubenarrest zu belegen. Das schadet denen überhaupt nicht und verschafft den gefiederten Eltern während dieser für sie ohnehin stressreichen Phase Luft und Erleichterung. Glöckchen um den Hals sind ein eher untaugliches Mittel. Damit lassen sich allenfalls erfahrene Altvögel rechtzeitig warnen, kranke, junge oder noch nicht flügge Vögel haben auch so keine Chance. Und für die Katze mit ihrem feinen ausgeprägten Gehör ist ein solcher Bimmel-Schmuck zudem die reinste Tortur.

Weitergehende Forderungen sind die nach einem generellen Freilaufverbot für Katzen. Wenn, dann nur in umzäunten, ausbruchssicheren Bereichen. Außerhalb davon Leinenzwang. Auch über eine generelle Registrierungs-, Chip- und Kastrationspflicht wird diskutiert. Somit ließe sich jede verwilderte Katze einem Eigentümer zuordnen und eine unkontrollierte Vermehrung eindämmen. In zahlreichen deutschen Städten gibt es so etwas bereits. Aber man muss ja jetzt nicht gleich so übertreiben wie die niedersächsische Samtgemeinde Zeven. „Jetzt hat die Stadt (…) reagiert und eine Kastrations- und Kennzeichnungspflicht für alle Katzenhalter verabschiedetet – mit sofortiger Wirkung“, stand unlängst in der dortigen Zeitung.

Diskussion über Katzensteuer

Und dann ertönt auch immer wieder der Ruf nach einer Katzensteuer. Für eine solche plädiert beispielsweise auch der renommierte Ornithologe Prof. Peter Berthold, der ehemalige Leiter der Vogelwarte Radolfzell. Katzenhalter sollten eine ökologische Ausgleichssteuer als Entschädigung dafür zahlen, dass deren mehr oder weniger kleinen Streuner jährlich Millionen Vögel und Kleintiere reißen. Natürlich müssten die Einnahmen aus einer solchen Steuer dann auch irgendwie den Tieren zu Gute kommen, in dem man sie etwa in den Aufbau vogelschutzrelevanter Strukturen im Ortsbereich, wie beispielsweise Blumenstreifenmit samentragenden Pflanzen, die Pflege von Heckenstreifen und die Pflanzung von Obstbäume investiert.
Möglich, dass nicht alle diesbezüglichen Vorschläge sinnvoll oder realisierbar sind. Aber man/frau sollte sie zumindest einmal in Erwägung ziehen und darüber diskutieren – sachlich.

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Wildkatzen sind scheu und leben zurückgezogen: Nur ganz, ganz selten gelingt es, ein Exemplar vor die Linse zu bekommen. Und hierbei handelt es sich noch um ein von Menschen aufgezogenes Tier. Foto: Helmut Weller

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