Sie sind nützlich, faszinierend, geschickt und wendig. Es gibt allein in Deutschland tausend verschiedene Arten. Weltweit noch mindestens 50 Mal mehr. Nein, wir reden hier nicht von Wäsche-,Zentrier-Leuchterspinnen oder dem Schrottgreifer gleichen Namens. Sondern von deren lebenden Entsprechungen auf acht Beinen. Spinnen. Und ohne jetzt hier herum spinnen zu wollen: Wer die mal mehr, mal weniger großen Tierchen aus Unwissenheit oder Igitt-Gründen zerquetscht, der spinnt! Und das ist nicht nur die Meinung ausgewiesener Arachnologen. Entwicklungsgeschichtlich haben die Krabbeltiere uns Menschen zig-Millionen Jahre voraus. Dass es sie immer noch gibt, beweist: Sie sind ein Erfolgsmodell der Natur. Andererseits verfügt kaum eine Kreatur auf diesem Planeten über ein derart ausgeprägtes Ekelpotential, zumindest in den Augen vieler, glücklicherweise aber nicht aller. (Auf der Sympathie-Skala nach unten können vielleicht die Schlangen gerade noch mithalten). Dabei sind die quirligen Tiere alles andere als “Bäh” oder gar gefährlich. Im Gegenteil. Gäbe es sie nicht, wir würden im Ungeziefer ersticken. Sie machen Jagd auf Fliegen, Stechmücken und Silberfischchen. (Wobei letztere ja eigentlich auch harmlos und unschädlich sind. Aber das ist ein anderes Thema).
Hamster sind knuddeliger, aber die drehen auch am Rad
Insofern erfüllen die Tiere auch eine wichtige Funktion als Hauspolizei. Wer das verkennt und lieber mit dem Pantoffel oder anderen Schlagmichtot-Instrumenten draufhaut statt nachzudenken, handelt kontraproduktiv und gegen seine eigenen Interessen. Gut, die Viehcher haben ob ihrer Physiognomie nicht unbedingt den ästhetischen Reiz eines knuddeligen Goldhamsters. Wobei Schönheit ja oft genug im Auge des Betrachters liegt. Aber dafür leisten sie (für uns) auch mehr, als es diese kleinen, am (Lauf-)Rad drehenden Nager in ihren Käfigen je tun könnten. Aber wär käme andererseits auch auf die Schnapsidee, eine fette Wolfsspinne herzen und knutschen zu wollen? Da hört der Spaß aber auf.
Die Achtbeiner sind auf Brautschau
In diesen Herbsttagen sind besonders viele Spinnen in den Häusern unterwegs. Die in der Regel etwas größeren Männchen wandeln auf Freiersfüßen und sind auf der Suche nach einer Partnerin, um sich fortzupflanzen. Sie können zwar durchaus auch draußen überleben, doch gegen ein warmes Plätzchen ist auch nix einzuwenden. Vor allem dann, wenn sich daselbst ein dunkler Winkel findet, aus dessen Schutz heraus sich fette Beute machen lässt und man so gut über und durch den Winter kommt. Hauswinkelspinnen und die Zitterspinne beispielsweise fühlen sich in Gebäuden ausgesprochen wohl, Zebraspringspinnen und Kreuzspinnen eher weniger. Sie sind nicht ans Leben im Inneren angepasst und sterben spätestens, wenn die Heizperiode beginnt: Dann sinkt die Luftfeuchtigkeit und die Krabbler vertrocknen.
Den meisten Menschen graust es irgendwie vor den langbeinigen Tieren, deren Gehwerkzeuge oft auch noch nicht mal epiliert sind. Das geht ja schon mal gar nicht. Die dichtbehaarten Gehgestelle erhöhen den Grad der Abneigung noch einmal um ein Vielfaches. Woher nun stammen aber diese, vorsichtig ausgedrückt,Vorbehalte gegenüber Spinnen, die sich bis zu einer (Arachno-)Phobie auswachsen können? Eine solche kann in ihrer extremen Ausprägung sogar so weit führen, dass Betroffene es noch nicht einmal über sich bringen, ein Buch zu berühren, in dem Spinnen abgebildet sind. Geschweige denn, ein solches zu lesen.
Ekel und Furcht vor Spinnen sind, sagen Psychologen, größtenteils anerzogen. Nachgewiesen ist, dass die Wahrscheinlichkeit einer Phobie dann besonders groß ist, wenn mindestens ein Elternteil Angst vor Spinnen hat. (Das ist bei meinen Töchtern übrigens auch so. Aber das haben die erwiesenermaßen nicht vom Papa!) Ja und die sinnfreien Trash-Schocker, in denen achtbeinige Riesenmonster ganze Städte zerbröseln, sind auch nicht gerade dazu angetan, das miese Image dieser Wesen aufzupolieren.
Diese Ängste sind zwar real, aber eben auch irrational. Spinnen sind harmlos. Und wenn sie doch mal zubeißen, beispielsweise, weil sie sich in die Enge getrieben fühlen, vermögen ihre Kauwerkzeuge die menschliche Haut kaum zu durchdringen, geschweige denn anzukratzen. Bienen beispielsweise sind viel, viel giftiger! Aber sie haben halt auch eine bessere PR.
Aber was tun, wenn sich diese Geschöpfe in den eigenen vier Wänden ausbreiten, als ob die Bude ihnen gehöre? Eine Hausfrau wird, allein schon aus Sorge um ihren guten Ruf als solche, Spinnweben in Ecken und an der Decke kaum tolerieren. Und wenn die Schwiegermutter zu Besuch ist und sich ausgerechnet während des Kaffetrinkens eine kapitale Wolfsspinne direkt neben dieser von der Decke abseilt, ist das der Reputation der Hausherrin auch nicht unbedingt förderlich. Das gilt natürlich in gleichem Umfang für die Syphonspinne, die in der Badewanne zu relaxen pflegt.
Gut, man/frau braucht sich von den Viechern nicht gleich auf der Nase herum tanzen lassen, sollte ihnen schon Grenzen aufzeigen und klar machen, wer hier der Boss ist. Aber gleich plattmachen, das muss wirklich nicht sein. Kleiner Tipp zur Vorbeugung: Lavendelduft mögen die Achtbeiner überhaupt nicht. Aber zu glauben, man könne sie auf Dauer aussperren und fernhalten, ist ein Trugschluss. Das spinnenfreie Haus gibt es nicht. Irgendein Schlupf- und Einstiegsloch finden die immer.
Platzverweis auf die schonende Art
Wenn schon Platzverweis, dann auf die schonende Art. Einmach- oder Trinkglas über dieses Etwas stülpen und dann vorsichtig ein Stück Papier oder Pappe (zum Beispiel eine Postkarte) zwischen Wand und Glas schieben. So kann man die Spinne lebend ins Freie transportieren, ohne sie dafür berühren zu müssen. Allerdings lässt es sich bei dieser Methode nicht vermeiden, den Tierchen (ziemlich) nahe kommen, was nicht jedermanns Sache ist. Für die Übervorsichtigen und-ängstlichen bietet der Fachhandel spezielle “Insektengreifer”. Der “Spider Catcher” beispielsweise hat einen 65 Zentimeter langen Stiel, so dass man mit ihm die Spinne fangen und aussetzen kann und trotzdem immer ausreichend Abstand hält. Apropos Aussetzen: Die Tiere sind nicht doof. Deshalb mindestens 20 Meter weit wegtragen, sonst finden sie “nach Hause” zurück.
Als geniale Baumeister unerreicht
Spinnen sind, und das lässt sich wieder während des Altweibersommers draußen in der Natur eindrucksvoll beobachten, geniale Baumeister. Die Fäden, aus denen sie ihre kunstvollen Netze fertigen, sind viermal stärker belastbarer als Stahl. Ohne zu zerreißen, lassen sie sich auf ihre dreifache Länge dehnen. Und mit ihren sechs Spinndrüsen kann die Gartenkreuzspinne beispielsweise sieben verschiedene, aus bis zu 600 Einzelfäden bestehende Fadentypen herstellen, von stabil bis elastisch über klebrig bis trocken. Bis dato hat es kein Ingenieur oder Chemiker dieser Welt geschafft, dieses Wunder-Material zu kopieren.
Die Kreuzspinne trug ihr namensgebendes Emblem schon auf dem Rücken spazieren, da sind die nach diesem Zeichen benannten Ritter noch auf dem Schaukelpferd durchs Nirvana galoppiert. Und sie hat das Prinzip des Recycelns bereits Millionen von Jahren bevor die aufgeklärten Ökos von heute überhaupt wussten, wie man das buchstabiert, angewandt. Ihr kunstvolles Radnetz dient zum Beutefang und zum Wohnen. Wird es nicht mehr gebraucht, frisst die umweltbewusste Spinne es einfach auf. Das Material wird beim nächsten Projekt wiederverwendet.