Konkrete Angebote, zumindest solche, über die es sich zu reden lohne, liegen bis dato nicht auf dem Tisch. Sagt die IG Metall. Und deshalb erhöht die streitbare Gewerkschaft in der aktuellen Tarifauseinandersetzung den Druck im Kessel. Darin zischt und dampft es seit dem Beginn der Verhandlungen inzwischen schon etwas mehr. Am heutigen Freitag (20. Februar) traten bundesweit rund 45.000 Beschäftigte aus 220 Betrieben kurzzeitig in den Ausstand, um den Forderungen ihrer Interessensvertreter nach 5,5 Prozent mehr Entgelt, einer Bildungsteilzeit und eine verbesserten Altersteilzeit für die 3,7 Millionen Beschäftigten der Branche Nachdruck zu verleihen.
Bis kommenden Montag, an dem beide Seiten in Baden-Württemberg zur vielleicht alles entscheidenden Gesprächsrunde aufeinander treffen, dürften es noch ein paar mehr werden. Bleibt es bei den derzeit verhärteten Fronten, läuft alles auf eine Urabstimmung hinaus. Und dann droht nach Lage der Dinge ein längerer, unbefristeter Arbeitskampf, dessen Folgen momentan noch gar nicht absehbar sind, vor dem aber die Arbeitgeber mehr Angst haben als die Gewerkschaft. Deren Streikkassen sind gefüllt sind, sie weiß ihre Mitglieder hinter sich.
Seit Beginn der Tarifverhandlungen vor drei Wochen haben sich bundesweit 750.000 Arbeitnehmer an Warnstreiks beteiligt. Auch Mittelhessen sendet da mit schöner Regelmäßigkeit deutliche Signale an die Adresse der Verhandlungspartner. Die Konflikt erprobte IG Metall-Verwaltungsstelle Herborn mit ihrem überdurchschnittlich hohen Organisationsgrad in den Betrieben brachte bis dato bei 84 Warnstreiks knapp 9000 Kolleginnen und Kolleginnen auf die Straße bzw. die Werkstore. Etwa 800 waren es, High Noon, am Freitag um Fünf vor Zwölfe noch mal im Rahmen einer zentralen Kundgebung auf dem hiesigen Marktplatz. Die Belegschaft des inzwischen zum französischen Zodiac-Konzern gehörenden Flugzeugküchenbauers Sell machte dabei Heimvorteil geltend und stellte unübersehbar das größte Kontingent unter den Protestlern, die sich, von der Polizei eskortiert und aus verschiedenen Richtungen kommend, in Marschkolonnen auf den Ort des Geschehens zubewegten.
Damit hatten Erster Bevollmächtigter Hans-Peter Wieth („Wir haben die Nase voll“) und seine mit Trillerpfeifen, Tröten, Ratschen und unmissverständlich beschrifteten Transparenten und Westen ausgestatteten Mitstreiter ihre Hausaufgaben gemacht, um sich anschließend etwas früher als sonst ins Wochenende zu verabschieden. Es ist die Ruhe vor dem Sturm. Wenn es sein müsse, werde man halt noch eine Schippe drauflegen, formulierte es Sell-Betriebsratsvorsitzender Gerd Spellerberg mit Blick auf den neuen Gesprächstermin am Montag. Ein kleiner Video-Clip von der Veranstaltung hier: http://youtu.be/x35AcN5AMrQ
Die Arbeitgeberseite hat 2,5 Prozent an Gehaltszuwächsen angeboten, was alle Redner der Kundgebung, und dazu gehörten auch Ulf Immel vom DGB, Sybille Brandenburger, die BR-Vorsitzende von Selzer in Roth sowie Ralf Heppenstiel von den Dillenburger Stahlwerken, als „Schlag ins Gesicht“ werteten. Und als Beweis, dass die Herren auf der anderen Seite des Tischs an ernsthaften Gesprächen gar nicht interessiert seien. Deshalb laute ab sofort die Parole „Schluss mit lustig“.
Rituale: “Spiel” mit ernstem Hintergrund
Das alles gehört ja irgendwie auch zum Ritual, ist fester Bestandteil eines „Spiels“, bei dem es letztlich aber um nicht weniger als das Auskommen von Millionen Familien in diesem Land, um Qualifikation, bessere Ausbildungs-Chancen und, je nachdem, auch um einen, sich an ein langes Arbeitsleben anschließenden finanziell abgesicherten Ruhestand in Würde geht. Je nachdem, auf welcher Seite man steht, fallen die Argumente dafür oder dagegen zwangsläufig natürlich recht unterschiedlich aus.
Die stillen Nutznießer
Doch solche Aktionen sind legitim und vom Gesetzgeber ausdrücklich vorgesehen, ja, auch erwünscht. Mal dauert es länger, mal geht es schneller. Aber letztendlich haben Vernunft und Einsicht in der bisherigen Tarifgeschichte immer obsiegt. Und das, wenn man die Entwicklung seit 1945 betrachtet, niemals zum Nachteil des Wirtschaftsstandortes Deutschland und der jeweiligen Industriezweige. Auch wenn zwischendurch immer mal wieder das inzwischen zur Witzfigur mutierte Gespenst vom drohenden Untergang des Abendlandes bemüht wurde.Die entsprechende Reaktion der Gegenseite ließ dann auch nicht lange auf sich warten: Der Streik schade den Arbeitsplätzen, beeilte sich Dr. Dirk Hohn, der Geschäftsführer der mittelhessischen Bezirksgruppe des Arbeitgeberverbandes Hessenmetall, zu erklären.
Spielregeln und Abläufe solcher Auseinandersetzungen bevorzugen in finaler Konsequenz auf Seiten der Arbeitnehmer natürlich auch die Trittbrettfahrer, die es ja überall gibt. Es wird immer einen bestimmten Prozentsatz von ihnen geben, die sich zu schade für derlei „Anstrengungen“ sind und die ihre Kastanien lieber von anderen aus dem Feuer holen lassen. Das war auch gestern so. Die Hand für erkämpfte Einnahmeverbesserungen halten sie in Folge aber wie selbstverständlich gerne auf. Dass auch ihnen diese Früchte in den Schoß fallen, mag alle jene schmerzen, die sich engagiert und etwa Fehlstunden auf ihrem persönlichen Arbeitszeitkonto generiert haben, ist aber wohl nicht zu ändern und systembedingt. So etwas muss man aushalten….