Von Jürgen Heimann
Auch mit acht Jahrzehnten auf dem Buckel frönt der Mann noch unverdrossen und ungebremst seiner Leidenschaft: dem Fliegen. Walter Eichhorn, der große, aber von seiner körperlichen und geistigen Kondition her gar nicht mal so alte Mann der deutschen Luftfahrtszene, hat zwar am 20. Juli diesen Jahres zum achten Male genullt, aber mit dem Gedanken, seine Tage fortan als Fußgänger zu fristen, mag er sich noch lange nicht anfreunden. Die Legende lebt – und fliegt! Immer noch. Zusammen mit seinem aus dem gleichen Holz geschnitzten Sohn Toni sorgt der Bad Camberger auf vielen Airshows im In- und Ausland für die Highlights. Der Formationstkunstflug der beiden ist spektakulär. Pünktlich zu seinem Runden hat er es zur Titelfigur eines ebenso informativen wie spannenden Buches gebracht. Einer Art Biografie, die mit “36.000 Stunden am Himmel” betitelt ist. Ob diese Zahl (noch) stimmt, weiß der Jubilar selbst nicht so genau. Irgendwann und irgendwo vor vielen Jahren hat es der pensionierte Flugkapitän, Fallschirmspringer, Test- , Film- und Stuntpilot aufgegeben, penibel über seine in der Luft verbrachte Arbeits- und Frei-Zeit Protokoll zu führen.
Sie war und ist angereichert mit einer schier unerschöpflichen Fülle an Erlebnissen, Geschehnissen und Abenteuern, Erfolgen, Rückschlägen, Anekdoten, Pioniertaten, Rekorden. Ein ereignisreiches, bewegtes Fliegerleben, verdichtet auf 172 Seiten. Autor Michael Linke aus Frankfurt, selbst ein passionierter Luftfahrer, hat sich durch Berge von Aufzeichnungen, Dokumenten und Zeitungsberichten gewühlt sowie stundenlange Interviews mit der Zielperson geführt. (Beide sind seit Jahrzehnten im selben Verein, der Flugsportgruppe Elz, aktiv). Dabei heraus kam ein vom ersten bis zum letzten der 38 Kapitel lesenswertes und unterhaltsames Porträt, das nicht nur dem Protagonisten selbst gerecht wird, sondern zugleich auch ein authentisches und facettenreiches Bild über die Entwicklung der Luftfahrt zeichnet, beginnend in der Nachkriegszeit bis zum heutigen Tag. Eichhorn hat diese Entwicklung miterlebt, mitgestaltet und teils auch mit beeinflusst.
Mit allen aerodynamischen Wassern gewaschen
Man sagt dem mit allen aerodynamischen Wassern gewaschenen Luftikus ja nach, kein Luftfahrtgerät, das sich bei drei nicht in einem Hangar versteckt hätte, sei vor ihm sicher. Tatsächlich hat Walter Eichhorn im Laufe seiner Karriere mehr als 60 verschiedene Flugzeugtypen und -Baumuster “geritten”, ob nun jene der kolbengetriebenen Art oder solche mit Jet-Antrieb. Und das während seiner 30-jährigen Dienstzeit bei der Deutschen Lufthansa, davor und danach. Ob Jumbo, DC-10, Airbus 300, oder B727, AN-2, YAK-11, Boeing-Stearman, Tiger-Moth, Do-28, Galeb-, Delfin- oder Siai-Marchetti-Jet – er kennt (und liebt sie) alle. Die “Tante Ju”, das Traditionsflugzeug der Kranich-Airline, pilotierte er als verantwortlicher Kapitän 15 Jahre lang durch den europäischen und US-amerikanischen Luftraum. Er gab der P 51 “Mustang” der Airforce nebenbei ebenso die Sporen wie der britischen Spitfire. Zu seinen absoluten Favoriten zählen jedoch die gute alte North American T-6, mit der er bis heute unterwegs ist, und der legendäre deutsche Weltkriegs-II-Jäger Me (Bf) 109. Eichhorn ist derjenige mit den weltweit meisten Flugstunden auf dieser anspruchsvollen Maschine. Wie dieser nicht gerade pflegeleichte Vogel zu zähmen ist, erfährt der Leser in einem gesonderten Kapitel: “So fliegt man eine Me 109”. Das ist zugleich auch der Untertitel des Buches.
Um sich seinen Traum vom Fliegen zu erfüllen, war Eichhorn 1955 als 19-jähriger nach Kanada ausgewandert und hatte dort in Folge die kanadische Staatsbürgerschaft erworben, die er heute noch besitzt. Damals war es den Deutschen hierzulande noch untersagt, den Pilotenschein zu machen.
Hochfliegende Lebensziele
Alle Hindernisse und Hürden, die sich ihm in Folge in den Weg stellten, waren nur Ansporn, seine Stück um Stück erweiterten und im wahrsten Sinne des Wortes hochfliegenden Lebensziele zu verwirklichen. Das tat er mit der ihm eigenen Beharrlichkeit, Disziplin und der Bereitschaft, lebenslang dazu lernen zu wollen (und zu müssen). Etwas “Fanatismus” im positiven Sinne war dabei natürlich Voraussetzung. Alles Eigenschaften, die er ganz offensichtlich auch seinem Sohnemann vererbt hat. Toni Eichhorn, Lufthansakapitän wie er früher, steht dem Daddy da in nichts nach. Den luftigen Umtrieben des Juniors ist ein eigenes Kapitel gewidmet. Vater und Sohn bilden zusammen mit ihren beiden Extras 330 LT eines der erfolgreichsten Formationskunstflugteams Europas. Und in Kürze wird da ein neues Kapitel aufgeschlagen.
Nichts konnte den Mann bremsen oder “grounden”, auch wenn es viele “haarige” und gefährliche Situationen gab, bei denen Eichhorn dem Sensenmann gerade noch mal von der Schippe springen konnte und ihm den Stinkefinger zeigte. Letztendlich wurde aber alles gut.
The Spirit of Aviation
Michael Linke versteht es, diesen Geist, diese Ambitionen, diesen Ehrgeiz anschaulich und plastisch in Worte zu kleiden. Daneben ist sein Buch aber auch eine kurzweilige Lehrfibel, die komplexe aerophysikalische und technische Zusammenhänge leicht verständlich und transparent aufbereitet, sodass auch der Laie versteht, wie viel tatsächlich dahinter steckt, der Schwerkraft ein Schnippchen zu schlagen. Was Menschen, die vom Fliegen beseelt sind, bereit sind, auf sich zu nehmen, welche Energie und welchen Zeitaufwand sie in diesen Traum investieren – in diesem Buch wird es offenbar. Es sei nicht nur ausgewiesenen Luftfahrtfreaks als Lektüre empfohlen.
Zu beziehen ist das mit vielen seltenen Original-Fotos und Grafiken illustrierte, durchgehend farbige Druckwerk über www.flyaholic.de. Es kostet 12,95 Euro plus 1,65 Euro Versand. Das Geld ist gut angelegt!