Rotorman's Blog

Wie es den altgriechischen Qualen-König
Tantalus nach Gelnhausen verschlagen hat

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Torsten Sauers „Tantalus“ leidet Höllenqualen, lässt sich aber nicht unterkriegen. Die Tantec GmbH auch nicht. Das Unternehmen ist Weltmarktführer bei der Fertigung von auf dem „Ta 73“ basierenden Wärmeüberträgern, Apparaten und Bauteilen für die chemische und pharmazeutische Industrie. Foto: Klank-Media

Die phonetische Ähnlichkeit ist rein zufällig. Tantalus hat nix mit Ikarus zu tun. Auch nicht mit dessen Daddy Dädalus  oder, ganz andere Baustelle, mit Tetanus. Aber Tantalus wohnt jetzt in Gelnhausen, in der Tantalstraße. Bei Tantec. Unweit der “Tantal-Hills”. In “The new Home of Tantalum”. Damit wäre das schon mal erklärt. Der Hausherr, Georg Raab, eigentlich eher ein Seelenverwandter der altgriechischen Pilotenlegende, ist mit dem lydischen König aus der griechischen Mythologie weder in direkter Linie verwandt, noch verschwägert. Und er erleidet auch nicht die sprichwörtlichen, dem Sohn des Zeus und der Pluto einst von entzürnten Göttern auferlegten (Tantalus)-Qualen. Im Gegenteil: Dem Mann geht es gut!
Den Status des Weltmarktführers verdankt sein Unternehmen der Nutzung  und Verarbeitung jenes chemischen Elements, das nach der alten Tantaliden-Sippe benannt worden ist: Tantal. Ein „alter Schwede“ namens Anders Gustav Ekeberg  hatte es 1802 entdeckt. Das Ta 73  ist atomphysikalisch betrachtet ein Stoff in Würfelform, der einfach keine Säure aufnimmt, oder – bildhaft  ausgedrückt – nichts zu trinken vermag. Der Skandinavier verpasste dem Zeugs die Bezeichnung „Tantal“, deshalb, weil der Namenspatron, der Sage nach  in eine Art Hölle schmorend, mit der Flüssigkeitsaufnahme auch so seine Probleme hatte. Neigte er sich zum Trinken, versiegte das Wasser; reckte er sich zu den Früchten empor, wirbelte ein Sturm die Zweige hinfort. Zum Verrücktwerden! Aber genau diese Eigenschaften sind es, die den Stoff so wertvoll machen.

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Wo früher Panzerketten rasselten, wird heuer mit diffizilerem Instrumentarium hantiert. Im neuen Gelnhäuser Gewerbegebiet hat die Tantec-GmbH mit einem Investitionsaufwand von über 5 Millionen EUR ihr neues Hauptquartier aus dem Boden gestampft. Foto: Klank-Media

Das Metallerz wird u.a.  in der Materialtechnik, Elektro-Industrie, im Chemie-Apparatebau und in der Medizin eingesetzt. Die Tantec-GmbH nutzt den Werkstoff u.a. zur Herstellung von Wärmeüberträgern, Apparaten und Bauteilen für die chemische und pharmazeutische Industrie im In- und (überwiegend) Ausland. 85 Prozent  der Produkte gehen in den Export.
Unlängst hat die Firma mit ihren rund 40 hoch spezialisierten Mitarbeitern den Standort gewechselt und ist aus Hanau in das neu erschlossene Gewerbegebiet nach Gelnhausen umgezogen. Mit einem Investitionsaufwand von über 5 Millionen EUR waren hier in eineinhalbjähriger Bauzeit neue Fertigungshallen mit einer Produktionsfläche von 1800 Quadratmetern sowie ein futuristisch aussehender, dreistöckiger Verwaltungsbau in Kubusform entstanden. Die Kantenlänge des letzteren, etwas Symbolik muss sein, versinnbildlicht mit 16.6 (Metern) exakt das spezifische Gewicht von Tantal.

High-Tech statt Panzerketten

Wo in früheren Jahren wuchtig-globige Panzer der Militärs ratterten, wird neuerdings mit diffizilerem Instrumentarium hantiert. Kettenrasseln war einmal. Und die Stadt Gelnhausen, erfreut darüber, ein global agierendes High-Tech-Unternehmen dieser Reputation gewonnen zu haben, war schon lange im Vorfeld der Einweihungsfeierlichkeiten mit einem adäquaten Willkommensgeschenk herausgerückt. Die Kommune benannte die Zufahrtsstrecke, siehe oben, kurzerhand  “Tantalstraße”.

New home of Tantec

Tantec-Chef Georg Raab (links) scheint schon neue Projekte im Blick zu haben. Zur Einweihung der neuen Unternehmens- und Produktionszentrale gab ihm auch Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (Mitte) die Ehre. Rechts „Tantalus“-Schöpfer Torsten Sauer. Foto: C. Olaf Adickes, Dreieich.

Zur offiziellen Eröffnung des neuen Domizils  war viel Prominenz aus Stadt, Kreis und Land aufmarschiert. Während CDU-General Dr. Peter Tauber die Örtlichkeit von seinen regelmäßigen, daran vorbeiführenden Jogging-Touren kennt, verließ sich Hessens Ministerpräsident da lieber auf das Navi und die vier gesunden Räder seines Dienstwagens. Volker Bouffier sprach von einem “eindrucksvollen Kunstwerk”, nachdem er selbiges enthüllt hatte. Eine imposante, 2,60 Meter hohe Bronzestatur, die sich auf einen ein Kubikmeter großen Quader stützt und sich im Wasser eines zu ihren Füßen eingelassenen Beckens spiegelt. Wie dieser gewichtige, 600 Kilogramm schwere Knabe heißt? “Tantalus”, logisch. Ein Video über die feierliche Einnweihung des neuen Produktionstsandortes und die Enthüllung der neuen Skulptur hier:  http://youtu.be/S7I5am7cXMU

Torsten Sauer und die Sternmotoren

Erschaffen hat die ausdrucksstarke, als “Kunst-am-Bau-Projekt” aus- und angelegte Skulptur in mehrmonatiger Arbeit der Laubacher Künstler und Diplom-Designer Torsten Sauer. Das Projekt war aber auch eine Art Freundschaftsdienst. Beide, der Auftraggeber und er, kennen sich seit Jahren – von diversen Flugplätzen her. Tantec-Chef Georg Raab gilt als einer der versiertesten Oldtimer-Piloten in Hessen. Seine „Yellow Peril“, ein prächtiger Boeing-Stearman-Doppeldecker aus dem Jahre 1942, ist am Himmel ganz Deutschlands bekannt wie der sprichwörtlich bunte Hund und zählt zu den Attraktionen eines jeden Flugtages. Sauer, der in Luftfahrerkreisen vor allem als Flugzeug-Portraitist  großes Ansehen genießt und dessen Darstellungen exponierter Maschinen sich enormer Nachfrage erfreuen, ist ein passionierter Aero-Fan mit einem ausgeprägten Faible für doppeldeckrige, vorzugsweise mit Sternmotor angetriebene „Boliden“ der Lüfte. Mehr über ihn und seine Arbeit auf diesem Gebiet hier: http://www.planeportrait.de

Der Kreative aus der Kleinstadt an der Wetter hat noch andernorts in Hessen und darüber hinaus Spuren hinterlassen. So stammt beispielsweise der monumentale und nur unwesentlich kleinere Bergmann, der auf dem Verkehrskreisel am Ortseingang von Ehringshausen eine Lore schiebt, ebenfalls aus seiner Hand.
Eine Bitte des ob seiner Höhenflüge bewunderten Freundes, thematisch etwas zum alten Menschheitstraum Fliegen zu entwerfen, hätte ihn jetzt eigentlich weniger gewundert, bekennt er. Aber dieser olle Tantalus?  Dem 47jährigen erging es in Folge wie vielen anderen: Je mehr er sich mit dieser mythologischen Figur auseinander setzte, umso faszinierender erschien sie ihm. „Die Abbilder dieses Gescheiterten in den Jahrhunderten der Kunstgeschichte fand ich ausnahmslos deprimierend“, sagt der 47-Jährige. Und diese grausame Rache der Götter an einem jungen König, nur weil der sich mal im pubertären Schub daneben benommen hätte…  Gut, das ist jetzt denn doch etwas euphemistisch formuliert.  Aber auch dabei gilt: Andere Zeiten, andere Sitten.

Kannibalen und Bierdeckel-Skizzen

Der Kerl, der als Vorlage  des Kunstwerkes herhalten musste, dessen erste Entwurfsskizzen auf einem Bierdeckel entstanden, war ein ziemlich ambivalent strukturierter, schräger Typ, steinreich, mächtig und mit einem ausgeprägten Hang zum Frevelhaften. Eingeladen an die Tafel der Götter, klaute er denen erst Nektar und Ambrosia (eine unsterblich machende Speise) vom Tisch, was ja irgendwie mit etwas Wohlwollen noch zu verzeihen gewesen wäre. Aber dass er den hohen Herrn später, um deren vermeintliche Allwissenheit auf die Probe zu stellen, seinen eigens zu diesem Zweck geschlachteten Sohn Pelops in mundgerecht filetierten Happen servierte, war denn doch des Guten zu viel. Dagegen nimmt sich Armin Meiwes, der Kannibale von Rothenburg, doch glatt wie ein Waisenknabe aus. Da muss man sich über die Reaktion der Allmächtigen nicht wundern.  Und die folgte prompt. Die Torturen, die sie dem Übeltäter zugedacht hatten, sollte Homer später recht plastisch in seiner „Odyssee“ beschreiben. Sie sind im Detail auch überall im Internet nachzulesen. Meiwes hingegen hat es da im Kasseler Knast wesentlich komfortabler. 2017 wird er das Nordhessische Sing-Sing wohl als freier Mann verlassen können .

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Wenn es seine knapp bemessene Freizeit erlaubt, ist Georg Raab vorzugsweise mit seiner “Yellow Peril” auf Achse, pardon, Fläche. Nach seiner Frau Simone ist der prächtige alte Stearman-Doppeldecker die zweite große Liebe dieses Mannes. Foto: sm

Seinen südhessischen „Ta 73“ will Sauer, ein gebürtiger Siegerländer, aber nicht als Relativierung oder  Verherrlichung der Tantalos’schen Schandtaten verstanden wissen, sondern als Sinnbild für nie enden wollenden Optimismus. Der im wahrsten Sinne des Wortes „sagenhafte“ Protagonist trug sein durchaus verdientes Schicksal in Folge mit Fassung und ließ sich nicht brechen. Er sei damit auch ein irgendwie  Symbol für Leidenschaftlichkeit. Eine solche ist offenbar auch allen in das ehrgeizge Gelnhäuser Projekt  Involvierten eigen…

 

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