Rotorman's Blog

Äbbelwoi oder Abbelwoi: In dubio
prosecco! Plädoyer für eine neue Trinkkultur

Wein

Bis zum letzten Tropfen: „Wein, der nicht getrunken wird, hat seinen Beruf verfehlt“. Foto: Tom Skotarczyk

Bis zu letzten Tropfen, und dann die Flasche am besten noch auswringen! Bloß nix von dem (edlen?) Gesöff umkommen lassen. Ob vinologische Kostbarkeit oder „Pennerglück“ aus dem Discounter – es bleibt sich gehüpft wie geschluckt. Dennoch: Die Party dürfte an dieser Stelle (fast) zu Ende (gewesen) sein. Salute! Finito! Der Vorrat geht zur Neige. Oder vielleicht handelt es sich bei dem verbliebenen Rest ja schon um selbige, also die Neige. „Neigele“ pflegt der Schwoabele  dazu zu sagen. Aber der stand ja nicht nur phonetisch mit der deutschen Sprache schon immer auf Kriegsfuß. Reden wir nicht darüber, ob es hier noch zu einem Viertel-vollen oder Vierte-leeren Glas gereicht hat. Das ist Ansichtssache, wie ja auch (wahre) Schönheit angeblich im Auge des Betrachters liegt. Aber das ist wieder eine ganz andere Nummer.

„Wein, der nicht getrunken wird, hat seinen Beruf verfehlt“, soll ein Pulitzer-Preis-ambitionierter Öchsle-Philosoph einst nach längerem Grübeln in der Südpfalz  auf dem beschwerlichen Weg  zwischen Straußenwirtschaft und Gäste-Plumpsklo herausgefunden haben. Wein ist schließlich nichts anderes als in Flaschen gefüllte Poesie. Daraus folgt: In Vino veritas, im Bier ist auch so was!  Außerdem sind im Bier weibliche Hormone enthalten. Beweis: Wen man(n) zu viel davon trinkt, kann man(n) nicht mehr richtig Auto fahren und redet dummes Zeug! Erkenntnissen von  dieser existentiell-universellen Bedeutungsschwere hatte weiland selbst ein Immanuel Kant nichts Adäquates entgegen zu setzen. Ein Charles Bukowski oder Karl Moink erst Recht nicht. In dubio prosecco! Fazit: Wir müssen endlich aufhören, weniger zu trinken. Doch diese Schlussfolgerung ist nicht ganz unumstritten – zu Recht.

Wasser predigen, Wein saufen

Die Grenze zwischen Genuss, Sucht und Abhängigkeit ist ja fließend und schmal. Alkohol gilt als  die am weitesten akzeptierte Volksdroge, durch und an deren Folgen sich  laut Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung deutschlandweit jährlich 74.000 Menschen in die wie auch immer geartete Ewigkeit beamen. Auf 24 Milliarden EUR pro Jahr beläuft sich in Germanien der durch alkoholbedingte Erkrankungen verursachte volkswirtschaftliche Schaden. Skøl! Unser Suff ist uns ja schließlich einiges wert. Andererseits gibt es ja auch eine wachsende Anzahl derer, die  Wasser predigen, aber Sekt  saufen – und beileibe nicht nur innerhalb der katholischen Kirche. Aber auch das ist wieder eine ganz andere Baustelle.
Während Komasaufen verpönt und gefährlich ist, hat kein Mensch etwas gegen Komafressen. Weil das anders heißt: Brunchen. Aber seien wir doch mal ehrlich: Was wäre das ätzendste Familienfest ohne etwas von Sprit beflügelte gute Leck-mich-am-A…-Laune? Alles mit Maß und Ziel natürlich. So lassen sich die buckeligen Verwandten viel besser ertragen. Gleiches gilt übrigens auch für die After-Work-Party mit den lieben Kollegen, die einem ja schon tagsüber gewaltig auf den Senkel gehen. Und dann muss man sich mit dieser Brut nach Feierabend auch noch abgeben. Das geht nur mit Doping. Der Klügere kippt nach!

Vergessen oder Feiern
Milch

Auch keine Lösung: Wenn die Milch nach Krypton schmeckt, hat’s im Kernkraftwerk geleckt! Da wäre Dioxin ja fast noch das kleiner Übel. Foto: Tom Skotarczyk

Natürlich kann man Weinbrände nicht mit Obstwasser löschen. Aber Milch ist auch keine Lösung: Das ist Dioxin drinne. Krebs? Nee, Danke! Fruchtsäfte? Da können, stammt das Zeugs aus Tetra Paks oder Elopaks, Isopropylthioxanthone (ITX) enthalten sein. Was das jetzt genau ist, weiß ich auch nicht. Klingt aber gefährlich und ist wohl auch nicht so gesund. Dagegen ist Senfgas die reinste Medizin! Und Mineralwasser? Schmeckt nach nix und kann Uran-belastet sein. Das geht dann an die Niere(n). Und sprudelt das bzw. der Sprudel aus Plastikflaschen, beinhaltet es/er mitunter hormonelle Substanzen wie Östrogene, deren Anteil  weit über den zulässigen Grenzwerten liegt und damit sogar manches Abwasser locker in den Schatten stellt. Östrogene sind ja auch im Bier enthalten. Siehe oben. Dagegen waren die österreichischen Schluchtenkacker, die Mitte der 80-er Jahre in großem Stil Frostschutzmittel in den Wein gemixt hatten, noch vergleichsweise harmlos. Und trotzdem soll es ja ein steierischer Sommelier gewesen sein, der auf die Frage des Piefke-Gatten hin, welchen Tropfen er ihm denn zur Silberhochzeit empfehlen könne,  mit einer Gegenfrage antwortete: Wollen Sie Feiern oder Vergessen? Trauring aber wahr!

Mitleid mit dem Mann

Letztendlich läuft alles auf die entscheidende Frage hinaus, wem wir mehr zumuten können oder wollen, unseren Nieren oder unserer beleidigten Leber, die uns eh Wurscht ist. Sie wird notfalls an der Biegung der Theke begraben. Die Antwort ist ja eigentlich schon in der Schöpfungsgeschichte angelegt: Zuerst schuf der liebe Gott den Mann, dann schuf er die Frau. Dann tat ihm der Mann leid und er schuf den Alkohol.
Übrigens: Die Moldawier sind weltweit mit Abstand die größten Brenner, nicht etwa die Russen, die im Trink-Ranking der Weltgesundheitsorganisation (WHO) erst auf dem vierten Platz landen. Der Iwan hat ja momentan auch anderes zu tun und kümmert sich erst mal um die Krim und dann um den Sekt und den Vodka.  Jeder der 3,1 Millionen Einwohner der östlich an Rumanien angrenzenden Republica Moldova vernichtet statistisch gesehen pro Jahr 18,22 Liter reinen Alkohols. Die Tschechen (16,45 Liter) und die Ungarn (16,27 Liter) folgen auf den nächsten beiden Medaillenplätzen der von den Ost-Ländern dominierten Top-Ten. Dagegen steht der deutsche Michel mit einem Verbrauch von 10,5 Litern auf 365 Tage fast schon unter Abstinenz-Verdacht. In Westeuropa hingegen trinken die Luxemburger alle ihre Nachbarn locker vom Hocker und unter den Tisch. Mit einem Verbrauch von 15,6 Litern reinen Ethanols pro Kopf bezogen auf die Einwohner ab 15 Jahren hält sich das zu den kleinsten Flächenstaaten der Erde zählende Großherzogtum unverdrossen und unerreicht an der Spitze der Charts.  Die Positionierungen dort sind allerdings unterschiedlich, je nachdem, wen man fragt. Da schöpfen World Health Organisation, Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung oder der Bundesverband der Deutschen Spirituosen-Industrie wohl aus ganz unterschiedlichen Quellen, Fässern, Sudkesseln, Maische-Bottichen und Destillationswindungen.

Ei-Likör oder Heringe-Salat?

Unbenommen davon und somit unbeantwortet bleibt nach wie vor und immer noch die entscheidende Frage, ob es nun Apfelwein (Abbelwoi) oder Äpfelwein (Äbbelwoi) heißt. Darauf hat die moderne linguistische Wissenschaft immer noch keine erschöpfende Antwort gefunden. Einerseits sagt man ja auch Bananenschnaps und nicht Banane-Schnaps, während sich beim Frühstück die singulare Kirschmarmelade gegenüber dem Kirschengelee durchgesetzt zu haben scheint. Folglich essen wir ja auch Heringssalat und nicht Heringe-Salat, hergestellt aus dem einzigen Ring, der nicht rund ist. Anders als der Ehering. Er ist ja das erste Glied einer Kette. Und die Augenringe sind auch keine Augenringe, sondern blaue Flecken, die von einer Schlägerei mit dem Sandmännchen her rühren.  Aber wir schweifen vom Thema davon. Der Her-Ring Soll übrigens sowohl  gegen den Kater wie die Käter danach helfen, was beim Eierlikör bzw.  Ei-Likör noch zu beweisen wäre.  Aber warum dann in all dieser inflationären Sinnlosigkeit Erdbeer-Bowle und nicht Erdbeeren-Bowle??? Darüber sollte man in einer stillen Stunde bei einem Gespräch mit sich selbst unter zwei Augen einmal verschärft nachdenken, ebenso darüber, wie Stühle aussehen würden, wenn wir die Kniescheiben hinten hätten. Nastrovie!
(Anmerkung der Redaktion: Die Fotos in diesem Beitrag stammen von Tom Skotarczyk, einem jungen, kreativen  Experimental-Fotografen aus Ehringshausen. Sie wurden absichtlich aus ihrem ursprünglichen Kontext gerissen).

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