Von Jürgen Heimann
Sie sind klein und gemein. Und sie sind (ziemlich) blutgierig. Wer schon keine Stechmücken oder Moskitos mag – und wer tut das schon? – wird diese Biester hassen. Obwohl sie gar nicht stechen, sondern beißen. Und das richtig tief. Gut, das ist jetzt relativ. Aber im Vergleich zu ihren entfernten Schnaken-Verwandten hinterlassen die Viecher schon ziemlich kapitale Krater in Haut und Fleisch ihrer Opfer. Die können bis zu drei Millimeter tief sein. Und jucken wie Sau. Das quälend und lang anhaltend. Wir reden von Kriebelmücken, einer aus menschlicher Sicht besonders niederträchtigen Spezies unter den blutsaugenden Parasiten.
Sie sehen aus wie “normale” Fliegen, wie Essigfliegen beispielsweise, führen jedoch meist Übles im Schilde. Besonders die hinterlistigen Weibchen. Die brauchen das Blut zur Bildung der Eier. Während sich die braveren Männchen ausschließlich von Nektar und Pflanzensäften ernähren.
In Deutschland nerven 50 verschiedene Arten
In Deutschland konnten bisher etwa 50 verschiedene Arten dieser zwischen zwei und sechs Millimeter kleinen Plagegeister nachgewiesen werden. Die schwirren schon seit über 200 Millionen Jahren auf diesem Planeten herum und machen sich unbeliebt. Sie sind gedrungen und in der Seitenansicht buckelig, wie der Glöckner von Notre Dame. Die Färbung, also die der Insekten, reicht von rötlich-gelb bis schwarz. Daher auch der Name “Black Fly”. Mit dem in Folge oft gecoverten “Black Fly Song” hatte der Kanadier Wade Hemsworth den lästigen Wesen 1949 sogar eine eigene Hymne gewidmet. Darin heißt es “I’ll die with the black fly a-pickin’ my bones “.
Wie diese Mücken ticken, wie sie sich an ihren Opfern schadlos halten, was sie anrichten und wie man sich schützen kann, verdeutlicht dieser Videobeitrag:
Kriebelmücken gehören zu den so genannten “Poolsaugern”. Normale Stechmücken haben einen Rüssel und piksen damit in die Haut. Eine Kriebelmücke hingegen verfügt werkseitig über ein säbelzahnartiges Mundwerkzeug, um ihr Opfer anzubaggern.
Blutergüsse, Fieber und eitrige Entzündungen
Damit fräsen sie sich in die Haut, bis ein kleiner Pool aus Lymphflüssigkeit entsteht, die die Tiere dann genüsslich aufschlecken. Dabei werden Substanzen injiziert, die unter anderem zum Hemmen der Blutgerinnung dienen. Die lösen den Juckreiz aus, rufen eitrige Entzündungen hervor und können sogar das Atemzentrum beeinträchtigen. Nicht selten ist ein kleiner Bluterguss die Folge; manchmal schwillt die Bissstelle auch erheblich an. Daraus kann ein erbsengroßer Knoten mit einem eitrigen Bläschen entstehen. Für derartiges empfängliche Allergiker kriegen da mitunter ziemlich Probleme.
Neben heftigen allergischen Reaktionen können auch Fieber und Blutvergiftungen auftreten. Der Biss selbst wird dabei zunächst gar nicht bemerkt. Was die Wahrscheinlichkeit für die Angreifer, ungeschorenen davon zu kommen, erheblich erhöht. Bei Bremsen ist das ja anders.
Wählerisch: Die nehmen nicht jeden
Auch schleichen sich diese meist in größeren Verbänden aufkreuzenden Leisetreter geräuschlos an, und zwar ohne das für Stechmücken typische und Nerv tötende Sirren. Bei schwülen Wetterlagen sind die eher behäbigen Flieger besonders aggressiv, vorzugsweise während der Morgen- und Abenddämmerung. Und sie sind wählerisch. Nicht jede Blutbank auf zwei oder vier Beinen erfüllt ihre Qualitätsansprüche. Deshalb wird zunächst durch einen Probebiss die Konzentration von ADP (Adenosindiphosphat) und ATP (Adenosintriphosphat) im Blut überprüft. Ist die Mischung ok., schöpfen die Schmarotzer aus dem Vollen.
Immerhin muss man den in Deutschland vorkommenden Vertretern zugutehalten, dass sie keine Krankheiten übertragen. Im Gegensatz zu ihren afrikanischen Verwandten, die die von Medizinern Onchozerkose genannte “Flussblindheit” verbreiten. Etwa zehn Prozent der davon Betroffenen verlieren ihr Augenlicht.
Die Plagegeister stehen (nur) auf nackte Haut
Was diese Zweiflügler nicht können: durch Kleidung hindurch beißen. Das macht sie doch gleich wieder ein ganz klein wenig sympathischer. Und sie gehen nur im Freien auf Raubzug, wagen sich also nicht in geschlossene Räumlichkeiten vor. Und selten einmal auf eine geschützte Terrasse. Fließgewässer und feuchte Wiesen sind ihr bevorzugtes Revier. Aber auch Pfützen und volle Regentonnen zeitigen Magnetwirkung. Sie können sich also auch im heimischen Garten wohlfühlen, wo kleine Wasserlachen und Zierteiche dem Nachwuchs optimale Bedingungen liefern. Weil es immer weniger Wild- bzw. Weidetiere gibt, auf die die geflügelten Vampire eigentlich abonniert sind, erschließen sie sich andere Quellen. Da kommt ihnen der Mensch gerade recht. Mitunter fliegen Kriebelmücken mehrere hundert Meter weit, um einen passendes Opfer zu erwählen. Hier greifen dann die zwischen Angebot und Nachfrage angesiedelten Marktmechanismen.
Die Weibchen legen je nach Art zwischen 50 und 1.000 Eier, die dann meist an Pflanzen geheftet werden. Die Entwicklung von der schon nach vier Stunden nach Ablage schlüpfenden Larve bis zum Stapellauf dauert schlappe neun Tage. Dann steht die nächste Generation zum Angriff bereit. Saison ist von März bis Oktober.