Von Jürgen Heimann
Der Klapperstorch macht Überstunden. Statistiker nehmen sogar wieder den Begriff “Babyboom” in den Mund. 2016 beispielsweise lag die Geburtenziffer laut Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung bei 1,59 Kindern je Frau. Wobei sich natürlich schon die Frage stellt, wie die Muttis das hinkriegen. Egal: 792.131 Neugeborene entsprachen gegenüber dem Vergleichsjahr 2015 einem Zuwachs von sieben Prozent. Belastbare Zahlen für 2017 liegen zwar noch nicht vor, aber es scheint so, als setze sich der Aufschwung ungebremst fort. Was die aktiv an dieser Entwicklung Beteiligten früher oder später zwangsläufig vor die Entscheidung stellt, welche Schelle, pardon, welchen Namen sie ihrem neuen Teammitglied anhängen sollen. Den müssen sie dann durch ihr ganzes Leben schleppen. Das Kind muss ja einen Namen haben. Und der ist nicht nur Schall und Rauch. Womit wir beim Thema wären.
Inzwischen haben diverse Zeitungen und Medienanstalten erste Trends für 2018 veröffentlicht. Und zwar dahingehend, welche Vornamen besonders geschätzt und beliebt sind. Bei den Jungs rangiert “Ben” auf Platz 1 der einschlägigen Charts, gefolgt von Leon (wie die Karre von Seat), Maximilkien, Paul und Felix. “Laura” steht bei den Mädels ganz oben. Lina, Marie, Julia, Lea und Anna folgen auf den Plätzen. Tulpen-Heini war wieder nicht dabei, dafür aber Rosemarie. Exotenstatus reklamierten Vinsten, Christmas, Elfina, Blade, Morticia, Miracle, Lunis, Marlin, Oralie und Cassandra für sich. Da hatten es Mama und Papa bei der Namenssuche mit dem Konsum inspirierender Substanzen wohl etwas übertrieben, fanden aber trotzdem bei den Standesämtern Gehör.
Ein Bayern-Fan, der „Borussia“ heißt
Das ist nicht immer der Fall. Dann nämlich, wenn es besonders dicke kommt. Die Gesellschaft für deutsche Sprache veröffentlicht jährlich eine Aufstellung abgelehnter Vorschläge. Dazu zählte 2017 beispielsweise auch „Borussia“. Kommt aus dem Lateinischen und bedeutet „Preußen“. Was ja nicht weiter schlimm ist. Aber auch viele Sportvereine führen diese Bezeichnung. Unter anderem die Schwarz-Gelben aus Dortmund. Sollte es das Kind später mal nach Berlin verschlagen, wäre das der blanke Horror. Ebenso dann, wenn es, warum auch immer, Bayern-Fan wird.
Wie abgedreht muss man/frau freilich sein, den eigenen Sprössling allen Ernstes (oder Kurtes) nach einem Parasiten benennen zu wollen? „Zecke“ fand jedoch keine Gnade vor den Augen und Ohren der Beamten. „Pims“, ein in Thailand gebräuchlicher Mädchenname, der für Willensstärke und Entschlossenheit steht, auch nicht. Und ein „Schröder“ kommt uns ebenfalls nicht ins Haus. So hieß (mit Nachnamen) mal ein deutscher Bundeskanzler. Was schon schlimm genug war. Auf den Index gesetzt wurden zudem auch Dracula, Holunda, Ulme und Vespa.
Da müsste man mal tiefer bohren
Ob ausgefallen, abgedreht, konventionell, dem Zeitgeist geschuldet oder der Laune des Augenblicks entsprungen: Kaum ein Elternpaar macht sich über Bedeutung und Herkunft der Bezeichnungen Gedanken. Hätten sie da mal vor der Taufe etwas tiefer gebohrt (also im übertragenen Sinne), die Entscheidung wäre mitunter anders ausgefallen. Siehe auch hier:
Nehmen wir mal Paul, den Drittplatzierten. Wie Paul Panzer oder McCartney. Ist eine Kurzform von Paulus, hat aber nix mit Paulaner zu tun. Paulus, der früher Saulus hieß, kennen wir ja als Apostel. Der Name Paul ist lateinischen Ursprungs und bedeutet “klein” oder “gering”. Die weibliche Entsprechung lautet “Pauline”. So hieß auch die Pyromanin aus dem “Struwwelpeter”. Daraus entwickelte sich dann “Lina”. Das ist nichts anderes als eine verselbstständigte Kurzform von “Paulina”. Lina stammt aus dem Arabischen und bedeutet “kleiner Dattelbaum”.
Lea, eine müde Löwin mit Herz
Warum der biblische Name “Lea” kühn mit “die Löwin” übersetzt wird, erschließt sich mir nicht ganz. Vielleicht kommt das von Leo. Immerhin hat es eine Ableitung daraus zur Filmfigur gebracht: Leonie Löwenherz. Die Deutung der Hebräer für Lea lautete hingegen “die sich umsonst bemüht”. Während die ollen Griechen den Namen mit “Wildkuh” bzw. “die Ermüdete” interpretierten. Da kommen wir der Sache doch schon näher.
Nicht unterkriegen lässt sich “Noah”, dieser alte, einst auf maritime Tiertransporte spezialisierte Seefahrer. Der Bruder dieses legendären Selfmade-Schiffbauers wurde angeblich “Archie” gerufen. Noah hat sich aktuell auf Platz 9 der Skala platziert. Dem Buch Genesis zufolge war er nach Adam der zehnte Patriarch der Menschheitsgeschichte. Der Name bedeutet “Trost, Ruhe schaffen”.
Spot an! Wohlgenährte Glühlampen
Marie ist eine Variante von Maria. Kennen wir als Mutter aus einem alten Erfolgsroman. Sie ist das Symbol der reinen Liebe. Die hebräische Interpretation ist auch ganz interessant: “die Wohlgenährte”. Der Name Lukas, so hieß auch ein biblischer Bestsellerautor, ist eine Kurzform des altrömischen Beinamens “Lucanus”. Die Griechen leiten ihn von “leucos” ab. Was so viel wie “hell ” oder “weiß” heißt. Daraus ergibt sich die Bedeutung “ins Licht hineingeboren”. Nicht von ungefähr hieß der berühmte Glühlampenfabrikant und Osram-Gründer Carl Auer von Welsbach mit zweitem Vornamen so.
Er kommt, wenn der Tag geht
Überhaupt haben die meisten der gängigen und heute mehr denn je geschätzten Vornamen biblische oder hebräische Wurzeln. Das gilt auch für den, der mit dem Wal tanzte: Jona, im Griechischen Jonas genannt. Johnnie, der unermüdliche Walker, ist ein entfernter Verwandter. Der kommt ja immer dann, wenn der Tag geht. Was hätten wir noch? Felix auf Platz 4. Felix bedeutet im Lateinischen “vom Glück begünstigt”, “glücklich” oder “erfolgreich”. Das war ja auch Kurt Felix mit seiner Show “Verstehen sie Spaß?”. Weibliche Namensentsprechungen sind Felicitas bzw. Felicia. Auch Ben, die Nr. 1 der aktuellen Namenshitliste, soll entsprechend begünstigt sein. Das ist die englische Kurzform von Benjamin (wie Blümchen), was im Hebräischen “Sohn der rechten (glücklichen) Hand” oder halt schlicht “Glückskind” bedeutet. Belassen wir es dabei.