Rotorman's Blog

Die Elektrifizierung eines Lasters – Immer
mehr Suchtbolzen greifen zur e-Flumme

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Dampfalarm! e-Zigaretten werden immer beliebter – und die „Hardware ausgereifter. Die leistungsstarken Akku-Träger sind mit Displays und Reglern zur Einstellung der Versorgungsspannung und der Luftzufuhr ausgestattet. Foto: Dirk Kruse/Pixelio.de

Von Jürgen Heimann

Die Zeiten von Joachim Ringelnatz sind definitiv vorbei: „Am Bahndamm stand ein Sauerampfer – er sah nur Züge, keine Dampfer!“ Wenn Karl-Theodor in der Raucherpause auf dem Hof sein magisches Schwert zieht, zur Attacke bläst und fauchende Geräusche verursacht, die Darth Vader vor Neid erblassen lassen würden, spielen die Rauchmelder in der 150 Meter Luftlinie entfernten Kunstgießerei verrückt. Dabei läuft seine Nebelmaschine mit den Ausmaßen eines Industriestaubsaugers nur mit halber Kraft. Immerhin ist der Sitznachbar durch den Dunst gerade noch schemenhaft zu erahnen. Das waren noch Zeiten, als die Nikotinsüchtigen ekstatisch an ihrer Stuyvesant-Flumme nuckelten oder mit dem Reval-isten vis-a-vis um die Wette hüstelten. Da wusste man wenigstens noch, was einem da qualmend auf die Bronchien schlug. Heute lässt sich das allenfalls vermuten. Aber nix Genaues weiß man nicht. Aus den Rauchern von einst sind die Dampfer von heute geworden. Zigaretten sind längst nicht mehr so cool wie früher, es sei denn, sie kommen elektrisch daher. Die Gemeinde der e-Nebler wächst kontinuierlich. 3,5 Millionen sollen es deutschlandweit inzwischen sein. Aber diese Größe beruht auf überschlägigen Schätzungen.   

Gut, leidenschaftliche Suchtbolzen müssen zusammenhalten. Ihre Gegner tun es ja auch. Die feindlichen Lager haben sich positioniert und schenken sich gegenseitig nix. Ein Glaubenskrieg um die tatsächlichen wie die vermeintlichen Gefahren des Dampfens ist entbrannt. Und da mischen alle möglichen Interessengruppen mit, um sich mit Gutachten und Gegengutachten – oft genug sind es solche von zweifelhafter Herkunft – gegenseitig die Köpfe und den Verstand ein zu nebeln. Ja, und die Politik meldet sich ja inzwischen auch lautstark zu Wort. Aktuell in der Diskussion ist die 2. Änderung der Tabakerzeugnisverordnung. Deren Ziel ist es, Konsumenten und Hersteller solcher elektrischer Drogen noch stärker an die Kandare zu nehmen. Da spielt es keine Rolle, dass das Zeugs, um das es geht und das ja nur vernebelt wird, mit Tabak aber auch rein gar nix gemein und zu tun hat. Mit Medikamenten ebenfalls nicht. Den Versuch, Dampfer-Liquid dem Arzneimittelgesetz zu unterstellen, damit es ausschließlich  in Apotheken verkauft werden darf (möglichst nur auf Rezept), haben die Gerichte ja seinerzeit vereitelt.

Schäuble scharrt schon mit den Hufen

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Deutschlandweit sollen aktuell 3,5 Millionen Menschen Dampf ablassen. Foto: Pixabay

Und früher oder später wird auch der Schäuble-Wolfgang, dieser alte schwäbische Gierhals, auf den Trichter kommen und die Steuerkeule schwingen. Dieser Sektor wäre eine reich sprudelnde Einnahmequelle für ihn, zumal die Tabaksteuer ja nicht mehr so üppig fließt. Es dürfte nur noch eine Frage der Zeit sein, bis das Liquid, der Stoff, aus dem die Dampferträume sind, mit einer Sonderabgabe belastet wird.

Drei Dinge braucht der Mann: Feuer, Pfeife, Stanwell. Mit diesem Slogan warb einst ein Pfeifentabakhersteller bei Schmauchkolben-Nucklern um Sympathien. Bei drei ist es geblieben: Akku, Verdampfer, Liquid. Letzteres gibt es mit oder ohne Nikotin. Wobei die Varianten- und Systemvielfalt bei allen drei Komponenten inzwischen unüberschaubar ist. Das Funktionsprinzip der e-Zigarette hingegen ist eigentlich ziemlich simpel. Durch eine elektrisch beheizte Wendel wird Flüssigkeit zum Verdampfen gebracht. Der entstehende Nassdampf wird vom Konsumenten inhaliert oder gepafft. Der ist glücklich, wenn es richtig “flasht”. Der Dampf der Flüssigkeit erzeugt das sensorische Gefühl des Rauchens.

Es brennt nix – außer auf den Nägeln der Tabakmultis

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Die elektrische Version von „Die Zigarette danach“ – oder davor… In der Bibel heißt es in anderem Zusammenhang: „Der Rauch und Dampf geht vorher, wenn ein Feuer brennen will“. Und bei Fontane lesen wir: „Die Kunst der Lebensführung besteht bekanntlich darin, mit gerade so viel Dampf zu fahren, wie gerade da ist“. Foto: Pixabay

Im Unterschied zur richtigen Zigarette findet kein Verbrennungsprozess statt. Das Konzept wurde bereits 1963 erdacht und patentiert, lag aber in Folge noch Jahrzehnte lang auf Eis. Erst 2003 griff ein Chinese die Idee wieder auf. Erst fing es ganz langsam an, aber dann. Der globale Siegeszug war unaufhaltsam. Seit 2007 werden die Produkte weltweit vertrieben, hergestellt und genutzt. Die großen internationalen Tabakkonzerne glaubten zunächst an einen flüchtigen Trend, sahen aber in Folge ihre Felle davonschwimmen. Inzwischen sind sie durch Aufkäufe und Firmenübernahmen selbst dicke im elektrischen Geschäft und setzen sich sogar an die Spitze der Bewegung.

Philip Morris International, der mit 80 Milliarden Euro Jahresumsatz derzeit größte Zigarettenhersteller der Welt, hat nach jahrelangem Tüfteln inzwischen sogar etwas Eigenes entwickelt: “IQOS” nennt sich die Kreation, eine Art Ersatz-Zigarette, aber weder Fisch noch Fleisch. Darin wird der Tabak nicht mehr verbrannt, sondern in Kartuschen lediglich auf 350 Grad erhitzt. Dadurch soll Dampf entstehen, der nach Tabak schmeckt. Die “Hardware” kostet 65 EUR. Verbrauchsersparnis: keine. Eine Packung mit 20 sogenannten “HeatSticks” kostet sechs Euro. Ob sich das durchsetzt? Fraglich. Bereits  RJ Reynolds (Pall Mall, Winston) hatte sich in den 80er und 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts mehr oder weniger halbherzig an zwei ähnlichen System versucht, war aber mit der “Premier” und der “Eclipse” krachend gescheitert.

Der Marlboro-Mann starb an Lungenkrebs

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Die Modellvielfalt an elektrischen Flummen ist inzwischen nahezu unüberschaubar. Doch sie funktionieren alle nach dem gleichen Prinzip. Foto: Dirk Kruse/Pixelio.de

Deutschlandweit wird der Umsatz von e-Zigaretten in diesem Jahr um 45 Prozent auf 400 Millionen Euro steigen. Das schätzt zumindest der Verband des e-Zigarettenhandels. Das ist ein richtiger Wachstumsmarkt, im Gegensatz zum Dealen mit Tabakzigaretten. Im dritten Quartal 2016 sind laut Statistischem Bundesamt 11,3 Prozent weniger Kippen versteuert worden. Wurden im Jahr 2000 noch über 139 Milliarden Glimmstängel verkauft, waren es 2015 nur noch gut 81 Milliarden. Da sieht man, wo der Hase hinschmaucht. Vielleicht aber war auch nur die schmuggelnde Zigarettenmafia besser drauf als sonst…

Gerade bei jungen Leuten gilt Zigarettenpaffen zunehmend als uncool. Der lässige Marlboro-Mann hat bei ihnen längst abgehalftert. Wayne McLaren, der diese Figur bekannt machte, starb 1992 im Alter von 51 Jahren an Lungenkrebs. David Millar, einer seiner Vorgänger, erlag einem Lungenemphysem. Berufsrisiko.

Wir tauschen die Sargnägel gegen 261 Kästen Oettinger-Pils

Die stärkste Käufergruppe für e-Zigaretten sind Männer und Frauen ab 35 Jahren. Und für sie alle zählt nicht nur der (gute) Geschmack. Auch der Preis ist ein wesentlicher Entscheidungsfaktor für eine Umorientierung. Da gibt es ja die verschiedensten Berechnungen. Ein “normaler” Raucher, der pro Tag eine Packung Sargnägel zerkleinert, lässt sich den (teuren) Spaß pro Jahr 2.190 EUR kosten. Ein e-Jünger zahlt bei vergleichbarem Suchtverhalten 493,90 Euro für seinen Stoff. Mit dem Ersparten könnte er sich bei Rewe mit 261 Kästen Oettinger-Pils eindecken. Ist ja schließlich egal, wovon es einem schlecht wird.

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Die Ähnlichkeit mit „richtigen“ Glimmstängeln ist frappierend. Doch die “Cig-a-Likes” haben sich nicht durchsetzen können. Foto: Pixabay

Die Diskussion um die Risiken des e-Rauchens ist so alt wie dieses selbst. Aber noch nicht einmal seine glühendsten Verfechter, die in der Elektro-Zigarette “eine wunderbare, günstige und vor allem weniger schädliche Alternative zu den sonst üblichen Qualm- und Quarzstängeln” sehen, gehen so weit zu behaupten, sie sei gesund. Immerhin muten die “Vaper” ihren Bronchien und Lungen ja doch einiges zu, indem sie Dampf inhalieren, selbst wenn dieser noch so “rein” sein mag. Dass Steam-Smoken trotzdem deutlich weniger schädlich ist als das normale Rauchen, darf unterstellt werden. Nicht zuletzt, weil dabei im Gegensatz zur Tabakverbrennung weder Kohlenmonoxid noch Blausäure, Arsen oder krebserzeugende polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe erzeugt werden. Für den britischen Suchtforscher Peter Hajek ist elektrisches Qualmen deshalb um mindestens 95 Prozent weniger schädlich als das Rauchen von Tabakzigaretten. Etwas vorsichtiger formuliert es die Stiftung Warentest: “Nach derzeitigem Forschungsstand schadet Dampfen weniger als Rauchen”. Langzeitstudien, die das be- oder widerlegen, liegen bis heute allerdings nicht vor.

Zwischen Buttermilch, Eukalyptus und Petersilie

Es ist auch keine Frage des Nikotingehaltes. Es gibt die Liquids ganze ohne und in der nach oben gestaffelten Stärke-Richterskala.. Nikotin macht allenfalls süchtig, krebserregend ist es jedoch nicht. Die zu verdampfende Flüssigkeit besteht aus Propylenglycol (Lebensmittelzusatzstoff E 1520), Glycerin (E 422), Wasser, geringen Teilen von Lebensmittelaromen und optional eben aus dem in Nachtschattengewächsen wie der Tabakpflanze enthaltenen Alkaloid. Das Verhältnis oder Vorhandensein der einzelnen Bestandteile unterscheidet sich je nach Marke. Das aroma- und nikotinfreie Liquid hat übrigens identische Inhaltsstoffe wie das in Diskotheken und bei Shows seit Jahrzehnten unbeanstandet genutzte Fluid in Nebelmaschinen.

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Viele Einrichtungen haben ihre Rauchverbote inzwischen auch auf die „Steamer“ ausgedehnt. Doch andernorts sind sie ausdrücklich willkommen. Foto: Pixabay

Aber letztlich macht’s die Würze, das Aroma. Da gibt es die abenteuerlichsten Geschmacksvarianten. Von Käsekuchen mit einem Hauch Maggi bis zu Himbeere mit Muskat- und zartbitterem Schokoduft, wahlweise an- und bereichert durch einen Stich ins Eukalyptische. Hin und wieder darf es auch eine Kombination aus Petersilie und Buttermilch sein. Geschmacksverwirrte aller Länder vereinigt euch!  Die meisten Tinkturen sind geruchsneutral. Wer den Bogen raus hat, dampft, ohne dass es dampft. So ist es möglich, auch im rauchfreien Büro zwischendurch einmal einen entspannenden Zug zu nehmen. Oder im Flugzeug. Da läuft man nicht gleich in Gefahr, dass die streng und mürrisch dreinblickende Chef-Saftschubse einen in den Senkel stellt oder zur Strafe in die Bordtoilette einsperrt.

Echter Mehrwert: Dicke Lippen und Ersatz-Spazierstock

Und auch bei der Hardware hat der Kunde die Qual der Wahl. Die gibt es als Komplett-Sets oder in Einzelkomponenten. Für die Anschaffung sollte man mal mit mindestens 50 EUR kalkulieren. Das ist, gemessen am heutigen Qualitätsstandard, die unterste Grenze. Nicht richtig durchsetzen konnten sich die (mitunter preiswerteren) und optisch einer Filterzigarette nachempfundenen Einwegelemente, die sogenannten “Cig-a-Likes”. Während man/frau die aber lässig im Mundwinkel wippen lassen kann, fällt das bei den gebräuchlicheren Kreationen schwer – im wahrsten Sinne des Wortes. Nur keine dicke Lippe riskieren! Ob ihres Gewichts eignen sich die Dinger mitunter aber auch schon mal als Wurfgeschosse, während besonders kapitale Ausführungen durchaus auch als Ersatz-Spazierstock oder Baseballschläger genutzt werden können. Das ist echter Mehrwert!

Hans Dampf in allen Gassen

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Die großen Tabakkonzerne haben sich inzwischen an die Spitze der dampfenden Bewegung gesetzt. Philip-Morris versucht mit seiner „IQOS” zudem einen eigenen Weg zu gehen. Dabei wird in sogenannten „HeatSticks“ gepresster Tabak auf 360 Grad erhitzt. Die Ersparnis gegenüber dem herkömmlichen Rauchen ist aber gleich Null. Foto: Philip Morris International

Die gängigen Geräte unterscheiden sich in Aufbau und Größe, Verdampferprinzip, Liquid- und Akku-Kapazität erheblich. Es müssen ja nicht die nur knapp an der Waffenscheinpflicht vorbeischrammenden oder gleich unter das Kriegswaffenkontrollgesetz fallenden Wuchtbrummen sein; wie sie, siehe oben, Karl-Theodor in die dampfende Schlacht wirft. Die meisten Apparate sind handlich und kompakt, passen in jede Westentasche und sind teils mit Displays, auf denen man die verbleibende Laufzeit (und mit etwas Phantasie auch die Umgebungstemperatur und den Luftdruck) ablesen kann. Hinzu kommen, je nach Modell, Regler zur Einstellung der Versorgungsspannung und der Luftzufuhr. Nur Videos und Musikdateien abspielen können die Dinger noch nicht. Aber das kommt auch noch.

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