Rotorman's Blog

Erregende Perspektiven: Eschenburg
machte Werbung für Sex-Dating


Nichts ist so wie es scheint: Gut getarnt und diskret warb die Gemeinde Eschenburg Monate lang auf ihrem Webportal für einen Sex-Dating-Service. Wer auf den Button „750 Jahre Hirzenhain“ klickte, landete bei einem Anbieter, der heiße Kontakte mit Damen aus unmittelbarer Nähe versprach.

Von Jürgen Heimann

Poppen bis der Arzt kommt! Monatelang hat die Gemeinde Eschenburg auf ihrer Webseite für einen Sex-Dating-Service geworben. Diskret und, das wollen wir mal unterstellen, (möglicherweise) unbeabsichtigt. Der Slogan „Echte Perspektiven“ sollte so in völlig neue Dimension vorstoßen.  Plötzlich erschlossen sich uns hier im mittelhessischen Outback am Rande des Rothaarsteigs nicht nur echte, sondern auch auf- und er-regende Perspektiven. Also wenn das so ist…

Auf der Eingangsseite der gemeindlichen Web-Präsenz schwärmt unser pfiffiger und stets auf Innovation bedachter Rathaus-Chef dauerhaft von den Schönheiten Eschenburgs. Er meint vermutlich vor allem die landschaftlichen Schokoladenseiten der Region. Die Reize ihrer Bewohner, samt und sonders die der weiblichen, finden bzw. fanden versteckt erst weiter unten auf der Seite die ihnen zustehende lobende Erwähnung. Diskret getarnt zwar, aber immerhin.

Nichts ist so, wie es scheint

Neben Verweisen zur „KITA Ampel Eschenburg“, „Lahn-Dill-Breitband“ oder dem „Ferienpass“ stieß der Nutzer dort auch auf einen Link zur 750-Jahr-Feier in Hirzenhain. 2019 hatte das aufmüpfige Bergvolk ja in großem Rahmen den Geburtstag des von Segelflugzeugen umschwirrten Hügel-Kaffs gefeiert. Möglicherweise sollte dem Seitenbesucher hier noch mal die Möglichkeit geboten werden, in bierseligen Erinnerungen an eine ausgelassene Festwoche zu schwelgen.

Wer das erwartete, wurde enttäuscht, oder, je nach Standpunkt, auch nicht. Aber es hätte ja durchaus auch schlimmer kommen können. Statt der befürchteten weihrauchgeschwängerten Finalbilanz der Organisatoren, wie spitzenmäßig toll das doch alles gewesen sei, eine dicke (angenehme) Überraschung! Glücklicherweise jetzt nicht in Gestalt unseres bräsigen Ortsvorstehers. Was da auf-poppte war eine verführerisch lächelnde, lasziv dreinblickende Blondine in Horizontalstellung. Ob man(n) eventuell an zwanglosen erotischen Abenteuern mit netten Damen aus der unmittelbaren Umgebung interessiert sei? Aber Hallo!!!

Da war er doch, der oft bemühte Bürgerservice. Die sind ganz dicht dran am Mann!!

ACHTUNG! DURCHSAGE! Wer jetzt Hals über Kopf  www.eschenburg.de ansurft, wird enttäuscht werden. Am Donnerstag dieser Woche hatten die’s im Rathaus geschnallt und den Verweis (aus mir völlig unerklärlichen Gründen) gelöscht!!! 🙂

Welt- und weitläufig

Zurück zum Prozedere, dem sich der aufgeschlossene, welt- und weitläufige Eschenburger natürlich nicht verschließen und verweigern wollte. Wobei „läufig“ durchaus mehrdeutig zu verstehen ist. Da ja Gemeindevorstand- und Verwaltung offensichtlich hinter dem Angebot standen, konnte an dessen aktiver Teilhabe ja auch nichts Verwerfliches sein. Da wollte man sich doch nicht ausschließen. Unser Gemeinwesen lebt ja schließlich von der Interaktion und der aktiven Teilhabe aller am gesellschaftlichen (Geschlechts-)Leben. Oder etwa nicht? Ganz offenbar handelte es sich bei dem Verweis um einen sogenannten Affiliate-Link. Heißt: Pro Klick würde die Gemeinde eine Provision vom Anbieter bekommen. Und da Eschenburg ja ziemlich klamm ist, wollte ich mein Scherflein zur Konsolidierung der Gemeindefinanzen beitragen und war deshalb täglich mehrmals auf der Seite. Ich hoffe, die im Rathaus wissen dieses selbstlose Engagement zu würdigen.  

Karl, moi Troppe! Schönheit kommt von innen, oder wie das heißt. Auf dem von der Gemeinde empfohlenen Dating-Portal tummeln sich nette Damen von nebenan. Gut, ein paar ästhetische Sollbruchstellen waren auch darunter.

Nummern tauschen und schieben

Gut, man(n) musste sich nach dem Klick und der anschließenden Weiterleitung beim berühmten ersten Mal einigen kritischen, inquisitorischen und teils unangenehmen Fragen stellen. Dergestalt, ob man notfalls auch bereit wäre, mit anderen Frauen die Nummer zu tauschen (oder eine solche zu schieben), ob man tatsächlich richtig versaute Ladies kennen lernen wolle und darüber hinaus versprechen könne, die von diesen übermittelten intimen Fotos nicht weiter zu verbreiten. Die meisten der gelisteten Damen seien nämlich alleinstehende Mütter aus der Nachbarschaft oder halt verheiratete Frauen mit noch etwas Luft im Terminkalender. Man(n)/ich müsste schon verbindlich versprechen, deren Identität nicht preiszugeben. Wir reden jetzt nicht vom Terminkalender). Aber das ist doch Ehrensache!!!

Und das ist wie bei einem Software-Lizenzvertrag oder der fruchtlosen und keineswegs immer ergebnis- und zielorientierten Diskussion mit der eigenen Ehefrau: Man stimmt am Ende allem genervt zu.

Gut aussehender Frauenversteher

Den etwas zähen Anmeldeprozess auf dem von meiner Gemeinde favorisierten Service-Portal habe ich als ausgewiesener Eschenburger/Hirzenhainer Lokal-Patriot tapfer durchlaufen  – allen Widrigkeiten zum Trotz. Zugegeben, ich habe, was meine Person anbelangt, etwas geschummelt. Aber nur ein ganz kleines bisschen: 31 Jahre alt, gut aussehend, 79 Kilo schwer/leicht, leistungssportlich ambitioniert, durchtrainiert, schwarzhaarig, gertenschlank, Nichtraucher, Anti-Alkoholiker, Erbe eines prosperierenden, börsenorientierten IT-Start-Ups (wir programmieren Apps, die dem User auf einer interaktiven Landkarte zeigen, in welchen Spelunken in seiner Umgebung das Bier am billigsten und größten ist und wo sie noch einen Deckel hinterlassen können). Weiter in der Selbstbeschreibung: smart, tolerant, charmant, liebenswert, belesen, Frauenversteher. Doktortitel in BWL und Gastdozent an der Hochschule für abstrakte Tierpsychologie und Astrophysik in Castrop-Rauxel. Wohnhaft in der Stadt Simmersbach. Aktueller Beruf: Primary Agent of NextGeneration Recruiting.

Mit offenen Armen und offenen Blusen

Als Email-Adresse hatte ich die meines Nachbarn hinterlegt. Und noch eine weitere, real existierende, jedoch anonymisierte Adresse von mir nachgeschoben. Dauerte keine zwei Minuten, da war die Bestätigung im Kasten. Die hießen mich mit offenen Armen und offenen Blusen willkommen. „Herzlichen Glückwunsch. Ihre Anmeldung wurde akzeptiert!“ Das nenn‘ ich mal eine warmherzige Begrüßung! Drei Minuten später schon die ersten Kontaktanfragen von unterschiedlichen Nutzerinnen des Portals. Eine davon aus Gladenbach, zwei weitere aus Niederdieten, eine aus Eiershausen. Die Absenderinnen hießen Cindy, Chantal, Larissa, Leonie und Princess of Desire. Letzteres war wohl ein Künstlername. Das ließ sich ja echt vielversprechend an!

Um Aufnahme in den erlauchten Kreis der User zu finden, musste man(n) sich einigen inquisitorischen und unangenehmen Fragen stellen. War diese Hürde genommen, stand dem ungezügelten Spaß (fast) nichts mehr im Wege. Let the Sunshine in!

Dummerweise hätte ich die Botschaften der Grazien erst dann vollständig lesen können, wenn ich Premium-Mitglied geworden wäre. Im ersten Monat hätte das 39,90 Euronen gekostet, wenn man drei Monate bucht zehn Euro weniger pro Monat, also 89,70 Euro-Dollars. Habe da hin und her kalkuliert, doch das sprengte das Budget, das für diese Haushaltsposition eingeplant war. Obwohl es da sogar eine Geld-zurück-Garantie gibt, sollte es mit dem vereinbarten und freudig erwarteten Beischlaf doch nicht klappen.

Ich muss den Götz mal fragen, ob man den Beitrag für’s Premium-Abo eventuell mit der Grundsteuer oder der Friedhofsgebühr verrechnen könne. Schließlich würde die Offerte ja von der Gemeinde propagiert und gesponsert.

Larissa und die weißen Tonnen

Also, an dieser süßen Larissa aus Rittershausen (oder war’s Breitscheid – nomen est omen) könnte ich schon Spaß und Gefallen finden. Die hat so ein charmantes, spitzbübisches Lächeln, soweit man das durch die Verpixelung des Fotos erkennen kann. Vielleicht interpretiere ich das, befeuert  von meiner mit mir durchgehenden Fantasie, auch nur hinein und es ist etwas ganz anderes. Könnte sich theoretisch auch um eine vom Vollmond beschienene weiße Tonne handeln, wie sie demnächst zwecks Entsorgung überschüssiger Schneemassen an alle Haushalte in Hirzenhain verteilt werden sollen.

Meine ganzen Hoffnungen ruhen jetzt auf unserem Bürgermeister. Wenn der mir einen Rabatt auf die Grundsteuer und/oder die Kanalgebühr einräumt, kann ich Premium-User werden und das Bild von Larissa unzensiert sehen und dann mit ihr (und all den anderen hochmotivierten Sprießchen) chatten (und nicht nur das). Freue mich drauf und bin‘ s gespannt.

 Ach so, die Internetseite, mit der die Gemeinde Eschenburg so eng kooperiert hat, heißt  „Clickfi…24.com“. Was wohl die Zahl 24 zu bedeuten hat? I don’t know!

PS: Wer heute in seinen Browser www.hirzenhain.net eingibt, wo wird er wohl landen? Überraschung!

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