Von Jürgen Heimann
Wer jemals auf der Außenterrasse der der Hirzenhainer Flughalle gesessen hat, weiß, wovon die Rede ist. Das Panorama, das sich von hier aus entfaltet und ausbreitet, ist nachgerade spektakulär. Vor allem dann, wenn die Sonne im Sommer flammend am wolkenlosen westlichen Himmel versinkt, um nebenbei ein explosives, ins Impressionistische abgleitende Feuerwerk an Farben und Emotionen zu hinterlassen. Impressionen wie aus einer Doku über die letzten landschaftlichen Paradiese hierzulande. Im Allgäu, oder bei den Bajuwaren zum Bleistift, kann es nicht schöner sein. Ist es auch vermutlich nicht.
Das hat sich herumgesprochen. Heerscharen auswärtiger Romantiker pilgern bei schönem Sommerwetter an den Hirzenhainer Nordwest-Hang. Dort, wo sich früher vor fast hundert Jahren die ersten Segelflugpioniere mit ihrem primitiven Holzkonstruktionen in den Himmel schraubten, die hier herrschenden, deutschlandweit einzigartigen Hangaufwinde einatmeten und sich Untertan machten, bietet sich dem Besucher heuer eine schier atemlos machende Aus- und Weitsicht. Zu ihren Füßen das von der Abendsonne vergoldete Simmersbach, ein strahlendes Eiershausen und weiter hinten Eibelshausen und Steinbrücken. Idyllische Ortschaften, die sich auf die Nachtruhe vorbereiten. Am Horizont, von der einbrechenden Dämmerung sukzessive eingedunkelt und verschlungen, die Windräder des Siegerlandes.
Dem Betrachter stockt der Atem. Die Perfektion der Schöpfung wird hier offensichtlich. Und genau das ist die Bühne, die die vereinigten evangelischen Kirchengemeinden von Hirzenhain und Simmersbach schon im vergangenen Jahr nutzten und bespielten, um daselbst einen Mitsommernachts-Gottesdienst zu zelebrieren. Die Aktion war 2020 Corona-bedingt aus der Not geboren worden. Andachten in geschlossenen Kirchenräumlichkeiten waren damals obsolet. Also wich man ins Freie aus, an den berühmten „Hang“.
Die Resonanz war überwältigend. Hunderte von Besuchern fanden sich ein, nahmen in gebührendem Pandemie-Abstand voneinander auf den mitgebrachten Campingstühlen Platz und wurden Zeuge einer Messe, wie es sie in der 751-jährigen Geschichte Hirzenhains so noch nie gegeben hatte. Ein Ambiente, das Dichter, so sie denn da gewesen wären, zu poetischen Höchstleistungen animiert hätte.
Pardon: Es waren, auch wenn aufrechte Theologen diese Wortwahl scheuen mögen, „magische“ Momente. Und wer, bitteschön, will behaupten, dass selbige nicht reproduzier- und wiederholbar wären? Deshalb: Auf ein Neues! Klappe, die Zweite.
Am gestrigen Donnerstag (24. Juni) war Johannistag. Jener Tag, an dem Johannes, der Täufer, einst das Licht der Welt erblickte. Er gilt als der erste Christ. Und er war der erste, dem das Evangelium verkündigt wurde. Er war auch der erste, der es selbst verkündete. Von ihm hat sich, nebenbei bemerkt, auch Jesus taufen lassen. Daran möchten die beiden hiesigen Kirchengemeinden erinnern. Wenn auch einen Tag zeitversetzt.
By the way: Der Johannistag am 24. Juni markiert zugleich den Anfang des Sommers und den Höhepunkt in der Jahresmitte. Was Johannes, der Täufer, einst über Jesus sagte, spiegelt sich im weiteren Jahreslauf wider: „Jesus, muss wachsen, ich aber – Johannes – muss abnehmen“.
Seit der frühen Christenheit werden der Rhythmus des Jahres und die Geschichte des Wirkens Gottes in dieser Welt zusammengebracht und in Beziehung gesetzt. Nach dem Johannis-Tag werden die Tage wieder kürzer (Sommer-Sonnen-Wende). Die Ernte von Rhabarber- und Spargel geht zu Ende. Der Johannestag markierte den Beginn der Heuernte und den zweiten Schnitt an Hecken und Bäumen. Johannis hat auch Pflanzen und Tieren zum Namen verholfen: Johanniskraut, Johannisbeere, Johanniskäfer usw.
Zurück in die Gegenwart, ins Hier und Jetzt. Am heutigen Freitag (25. Juni) ist der berühmte Hirzenhainer Segelflieger-Hang erneut und zum zweiten Male Kulisse eines weit und breit einzigartigen Open-Air-Gottesdienstes, einer Mit-Sommer-Andacht, die es in diesem Form und vor einer solchen Kulisse nirgends sonst geben dürfte. Beginn: 21 Uhr. Musikalische Fußstapfen wollen dabei die (vereinigten) Posaunenchöre aus Hirzenhain und Simmersbach unter der Leitung von Martin Eizenhöfer und Torsten Reh hinterlassen. Ortspfarrer Michael Brück ist für die Liturgie zuständig, sein Amtsbruder Eberhard Hoppe hält die Predigt. Auf Matthias Schmidt, Heiko Holighaus und Thomas Hermann lastet die Verantwortung, dass technisch, lichtbildnerisch und akustisch alles klappt. Aber das dürften die Jungs schon hinkriegen. Möge das Wetter auch diesmal mitspielen! Sehen wir uns?