Rotorman's Blog

Gesellschaftsjagd als Tötungs-Happening
unter dem Deckmantel der Wohltätigkeit

Einladung

Volker Bouffier gibt sich die Ehre: Der Hessische Regierungschef hat ausgesuchte Nimrods zu einer zünftigen Gesellschaftsjagd nach Groß-Gerau eingeladen. Derweil will die Landesjägerschaft am kommenden Samstag gegen seine Regierung demonstrieren.

Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke würde wohl kaum auf eine solche von zu viel Zielwasser beflügelte Schnapsidee kommen. Und wenn doch, er müsste damit rechnen, geteert und gefedert zu werden. In Nauen war unlängst ein Liebespaar von einem Jäger unter Beschuss genommen worden, weil dieser es mit Rehen verwechselt hatte. Der Mann starb, die Frau wurde lebensgefährlich verletzt. Bis in die Hessische Staatskanzlei hinein reicht das Entsetzen über diesen waidmännischen Super-Gau aber nicht.Daselbst hält Woidkes Amtskollege Volker Bouffier die Stellung. Und er hält nebenbei unverdrossen an seinem Plan fest, ausgesuchte, handverlesene Pirschgänger für den 4. November zu einer fidelen, zünftigen Gesellschaftsjagd nach Groß-Gerau einzuladen. Eine beispiellose Instinktlosigkeit! Welche Rotte grunzender Schwarzkittel den blondierten Landesvater auch immer geritten habe mag, ein derartiges als Belustigung und Zeitvertreib inszeniertes und von der Landesregierung organisiertes Tötungs-Happening ist einfach ein Anachronismus. Damit hat der prominente CDU-Politiker im übertragenen Sinne einen ziemlich kapitalen Bock und sich selbst ins Knie geschossen.

„Solche Riten passen nicht mehr in die Zeit“

Hessen war, wie uns einst ein alter Polit-Slogan erfolgreich suggerierte, einmal vorne. Da ist man in Niedersachsen inzwischen schon etwas weiter. Das nördliche Flachland hat staatlich organisierte Gesellschaftsjagden längst auf den Index gesetzt, weil, so Landwirtschaftsminister Christian Meyer, „eine auf hochherrschaftlichen Riten aus der Kaiserzeit beruhende Jagd des jeweiligen Landesherrn nicht mehr in die jetzige Zeit passt”.

Die Grünen zum Jagen tragen

Aus selbiger scheint der Hessische Regierungschef aber gefallen. Und: Er trägt mit dieser Baller-Orgie ja ganz nebenbei auch seinen Koalitionspartner zum Jagen. Das von der Grünen Priska Hinz geführte Ministerium für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz sieht sich in diesen Tagen einem bisher nie dagewesenen Sperr- und Störfeuer der Hege-Front ausgesetzt. Und das zielt stellenweise weit unter die Gürtellinie. Die Landesjägerschaft hat Tollwut-gleich Schaum vorm Mund, weil ihr der Entwurf der neuen Landesjagdverordnung gegen den Strich und zu weit geht.

Saustrecke

Bundespräsident Theodor Heuss nannte die Jagd einst eine „Nebenform menschlicher Geisteskrankheit“. Für die nach seiner Frau benannte Stiftung sind die Spenden bestimmt, die während der Gesellschaftsjagd des Hessischen Ministerpräsidenten zusammenkommen. Foto: www.abschaffung-der-jagd.de

Das Papier dürfte aber nicht überraschend gekommen sein, da (auch) die Jägerschaft von Anfang an in die Beratungen eingebunden war. Unter anderem soll die Bejagung von Füchsen, Mardern, Rabenkrähen und Elstern eingeschränkt werden, während es für die Waschbären aber nach wie vor keine Schonung gibt. Und Lebend- und Totschlagsfallen bleiben ebenfalls legal. Aber immer dann, wenn Jäger Einschränkungen ihrer weit gefassten Freiheiten und “Rechte”, Tiere zu schießen, befürchten müssen, geraten Zivilisation, ökologisches Gleichgewicht und Artenvielfalt plötzlich in akute Gefahr. Der apokalyptisch-dissonante Schwanengesang vom “stummen Frühling” ist auch in diesen Tagen als Reprise aus vielen Tausend Nimrod-Kehlen zu hören. Bereichert wird das sattsam bekannte Lied um Strophen, in denen es um vollgekackte Badeseen und kahl gefressene Getreidefelder geht. Ein ständig wachsendes Heer völlig entfesselter Horror-Gänse ist dabei, im christlichen Abendland laut schnattert ein Terrorregime zu errichten. Der Entwurf der Hessischen Jagdverordnung könnte jetzt das Ende der Zeiten noch beschleunigen.

Den Regierenden zeigen, wo die Büchse hängt

Von linken Spinnern, Ideologen und  Weltverbesserern im Umweltministerium ist die Rede. Die  haben sich schließlich erdreistet, an den von Gott gegebenen (Vor-)Rechten der traditionsbewussten Lodenjockel und deren weitreichenden Lizenzen zum Töten zu rühren. Das darf man sich nicht bieten lassen. Tut es auch nicht. Für den kommenden Samstag (26. September) hat der Landesjagdverband Hessen zur großen Demo vor der Staatskanzlei aufgerufen. Dann will man den Regierenden mal eindrucksvoll zeigen, wo die Büchse hängt. Orangene Warnkleidung und, soweit vorhanden, Jagdhörner sind mitzubringen. Waidmannsheil!

Bei dieser Gelegenheit werden sich auch die Waffenbrüder und -schwestern aus vielen anderen Bundesländern in selbstloser Solidarität mit ihren 24.500 betroffenen Flintenfreunden aus Hessen üben und lautstark in den Chor der Apokalyptiker einstimmen. An diesem Tag boomt der Bus-Tourismus. Aber wenigstens wollen die Protestierer den Job selbst erledigen und für ihre Sache streiten. Im Gegensatz zu den Ärzten, die bei anderer Gelegenheit ja schon mal Studenten und Arbeitslose als Doubles angeheuert hatten, um sich nicht selbst den Widrigkeiten einer Demo aussetzen zu müssen. Das wäre ja auch vertane Lebenszeit gewesen, die sich auf dem Golfplatz angenehmer verbringen lässt…

Kotau vor der mächtigen Jäger-Lobby

Zurück zum fröhlichen Jagen. Jetzt vor dem Hintergrund dieser emotional-aufgeheizten Stimmung (-smache) regierungsseitig zu einer Gesellschaftsjagd zu bitten, zeugt nicht gerade von politischem Gespür. Es sei denn, der “Spaß” ist als Beschwichtigungs-Geste, ja als Kotau vor der mächtigen Jägerlobby zu verstehen: “Seht her, wir sind doch eigentlich auf Eurer Seite!” Das ist die CDU traditionell sowieso, auch weil sich in ihren Reihen überproportional viele Jäger tummeln. Aber dass  bezeichnenderweise ausgerechnet Beamte jenes von einer Grünen geleiteten Ministeriums, das nun im Zentrum der Jägerkritik steht, mit der Organisation dieses fragwürdigen Events betraut wurden, ist fast schon grotesk. Vermutlich die Rache dafür, dass die Ökos in den seinerzeitigen Koalitionsverhandlungen durchgesetzt hatten, die ein oder andere Spitze im sehr großzügig gehaltenen Hessischen Jagdrecht zu brechen.

Umstritten, unpassend, geschmacklos

Beute-klein

„Abscheuliches Freizeitvernügen“: Foto von einer Treibjagd im Westfälischen. Im Hessischen Groß-Gerau bluten und sterben die Wildsäue wenigstens für einen guten Zweck…. Foto: www.abschaffung-der-jagd.de

Solche Auswüchse, wie sie sich in Groß-Gerau abzeichnen, versteht die Hessische Landesregierung nun mal auch unter Natur- und Tierschutz – und unter Charity. Ja, richtig gelesen. Charity! Der Gipfel des Zynismus’ ist, dass die Bouffiers umstrittene Gesellschaftsjagd auch noch als Wohltätigkeits-Aktion verbrämt und “verkauft” wird. Schließlich ist der Reinerlös des Schlachtfestes für einen guten Zweck bestimmt. Im Rahmen des abschließenden “Schüsseltreibens” im feudalen 5-Sterne-Schlosshotel Kronberg (man gönnt sich ja sonst nix)  wird höflichst um eine Spende gebeten. Bestimmt ist sie für die Elly Heuss-Knapp-Stiftung.Sie ist Trägerin des Müttergenesungswerkes. Dafür müssen dann schon mal einige andere Mütter (und Väter) dran glauben. Aber es sind ja nur welche aus dem Tierreich…

Die Tierrechtsorganisation PETA nennt es in diesem Zusammenhang nicht nur unpassend, sondern auch völlig geschmacklos, „das Blutgeld aus diesem abscheulichen Freizeitvergnügen an eine Stiftung zu spenden, die nach der Frau des ersten deutschen Bundespräsidenten benannt ist“.  Denn: Theodor Heuss war es, der einst den denkenswerten Satz prägte: “Jagd ist nur eine feine Umschreibung für besonders feigen Mord am chancenlosen Mitgeschöpf. …”

Siehe auch: http://www.rotorman.de/mordspass-krokodilstraenen-und-obskurerituale-was-den-jagdtag-richtig-rund-macht/

 

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