Rotorman's Blog

Glücksbringer vom Glück verlassen
Marienkäfer mit zwei Punkten im Rückstand

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Niedrige Punktzahl. Es gibt tausende von Marienkäferarten. Die mit den vier schwarzen Klecksen auf dem Rücken sind offensichtlich auf der Verliererstraße. Von dieser Art findet man kaum noch welche. Foto: Pixabay

Von Jürgen Heimann

Es fehlt zwar nicht an mahnenden Stimmen, aber zum ganz großen Aufreger-Thema hat es das immer dramatischere Ausmaße annehmende Insektensterben bisher noch nicht gebracht. Dabei ist das Schicksal der kleinen Krabbler, Huscher und Brummer für den Fortbestand der menschlichen Spezies von existentieller Bedeutung. Da geht es langfristig um Sein oder Nichtsein. Der bekannte Entomologe Edward Wilson hat es mal so auf den Punkt gebracht: “Wenn es keine Insekten mehr gibt, kann der Mensch nicht länger als ein paar Monate überleben”. Ganz einfach deshalb, weil dann die Nahrungskette gestört bzw. unterbrochen ist.  

So können sich beispielsweise 75 Prozent unserer Nutzpflanzen ohne Bestäubung durch Insekten nicht fortpflanzen. Machen sich die für das Funktionieren des Öko-Systems so immanent wichtigen Viecher rar, wird es auch für viele Tiere, insbesondere Vögel und Amphibien, eng. Für Wildblumen sowieso. Und damit letztlich auch für den Homo sapiens. Und es bleibt sich aktuell gehüpft wie gesummt und gebrummt, ob es Schmetterlinge oder Schwebefliegen, Bienen, Motten oder Mücken trifft. Sie alle haben im Kreislauf des Lebens einen wichtigen Job zu erledigen, auch wenn sie uns hin und wieder mal auf den Senkel gehen, den lauen Terrassenabend vermiesen oder die Windschutzscheibe unserer Autos zukleistern.

Insektenbestände um 80 Prozent zurückgegangen

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Ready for Take-Off. Die niedlichen Halbkugler sind gute Flieger und bringen es auf bis zu 91 Flügelschläge pro Sekunde. Foto: Pixabay

Bundesweit sind die Bestände, also die der Insekten, nicht der Autos, in den vergangenen 15 Jahren um 80 Prozent zurückgegangen. Die Ursachen sind vielschichtig: Pestizideinsatz, Überdüngung, Monokulturen, Flächenverbrauch, Landnutzungswandel, Windenergierotoren. Und in anderen Teilen des Planeten sieht es nicht besser aus, im Gegenteil. Das weltweite Verschwinden der “Bestäuber” bewirke nicht nur einen drastischen Rückgang der Artenvielfalt. Diese (schleichende) Entwicklung sei auch eine Bedrohung für die Lebensmittelproduktion und die Ernährung von Millionen Menschen, malt eine Expertenkommission der Vereinten Nationen schwarz.

Na denn, dann können wir uns letztlich ja auch von der verwegenen und für viele gar nicht so appetitlichen Vorstellung verabschieden, dass der Mensch in Zukunft seine Nahrung direkt aus dem Insektenreich bezieht. In nicht wenigen Ländern ist das heute ja schon normal. Da ekelt sich niemand vor kross gebratenen Langfühlerschrecken, gedünsteten Larven oder gegrillten Spinnen. Aber wenn’s die auch nicht mehr gibt….

Wenn die Käfer nicht mehr punkten

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Vor den meisten anderen Insekten ekelt sich der Mensch. Vor den „Motschekiebchen“ aber nicht. Sie sind beliebt und gelten als Glücksbringer. Foto: Pixabay

Die jüngste alarmierende Nachricht betrifft das Reich der Käfer. Der von VW gilt ja schon als ausgestorben. Beetle hin, Beetle her. Daneben gibt es aber weltweit noch 350.000 weitere beschriebene Arten. Eine davon ist die der Marienkäfer. Da wiederum unterscheidet man ebenfalls zigtausende Varianten. Darunter fällt auch die mit den zwei schwarzen Punkten auf dem Rücken. Und die steht momentan mit selbigem zur Wand. Während die Bestände der kleinen Kerlchen mit sieben Points (Insekt des Jahres 2006) noch relativ stabil sind. Aber es gibt auch welche mit 11, 13, 14, 16, 17, 18, 19, 22 und 24 Klecksern, wahlweise auf roten, gelben, schwarzen oder braunen Flügeldecken.

Vor 40 Jahren zählten die tagaktiven Zwei-Punktler (Lateinischer Name: Adalia bipunctata), die zwischen 3,5 und 5,5 Millimeter groß werden, zur in Deutschland am weitest verbreiteten Art. Sie bewohnen Gärten, Wälder und Hecken, kommen im Herbst aber auch in Häuser, um dort zu überwintern. Wenn man einen ihrer Vertreter im Winter in der Wohnung findet, sollte man ihn an einen kalten Ort (Dachboden) setzen. Frost schadet den Gästen nicht. Bleiben sie den Winter über hingegen m Warmen, sterben sie. Normalerweise findet die Überwinterung unter Rinde und Moos statt.

Ärger mit der Verwandtschaft aus Asien

Asiatischer Marienkäfer

Der „Feind“ aus Fernost: Die asiatischen Harlekinkäfer, entfernte Verwandte der mitteleuropäischen Marienkäfer, wurden in den 70-er Jahren zur biologischen Schädlingsbekämpfung in Europa eingesetzt. Mittlerweile machen sie ihren alteingesessenen Vettern arg zu schaffen. Sie sind auch deutlich größer als diese und vermehren sich schneller. Foto: Andreas Trepte/www.photo-natur.de

Heuer findet man sie kaum noch. Was sich aber ausnahmsweise mal nicht der giftsprühenden Agrar-Industrie anlasten lässt. In dem aktuellen Fall ist es die Konkurrenz aus Asien, die ihnen zusetzt. Der asiatische Marienkäfer wurde in den 80erJahren zur biologischen Schädlingsbekämpfung in Europa eingeführt und hat sich seitdem rasant ausgebreitet. Er ist mit einer Körperlänge von sechs bis acht Millimetern und einer Breite von fünf bis sieben Millimetern deutlich größer und legt in Sachen Reproduktion auch eine wesentlich höhere Schlagzahl an den Tag. Was aber noch nicht kriegsentscheidend ist.

Den Parasiten schutzlos ausgeliefert

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Auch die Gartenfreunde schätzen die kleinen Gäste. Weil sie jede Menge Blatt- und Schildläuse verputzen. Foto: Pixabay

Fatal für die hiesige Halbkugler-Population ist die Tatsache, dass die Asia-Kollegen, die in der Regel 19 schwarze Flecken tragen, notorische Parasitenschleudern sind. Forscher der Gießener Universität haben jetzt herausgefunden, dass bereits die Larven der „Harlekine“ damit infiziert sind. Die wiederum werden gerne von den Zwei-Punkt-Käfern verspeist, und diese verfügen im Gegensatz zu ihren Vettern mit sieben oder mehr Klecksern über keinen ausreichenden körpereigenen Schutzmechanismus dagegen und sterben in Folge. Insofern ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis diese Spezies komplett verschwunden ist. Ein kleiner weiterer Sargnagel in einer fatalen Kette ohne Ende. Aber diese Entwicklung ist unaufhaltsam. Da wird Reinhard Mey sein altes  1974 veröffentlichtes Klagelied, demzufolge es keine Maikäfer mehr gibt, wohl demnächst noch mal updaten müssen.

Marienkäfer können gut fliegen und bringen es auf 75 bis 91 Flügelschläge pro Sekunde. Sie sind nicht nur ob ihres gefälligen Aussehens bei den Menschen beliebt. Ihre Hauptnahrung besteht aus Blatt- und Schildläusen, was sie Landwirten, Gärtnern und Blumenfreunden schon mal von vornherein sympathisch macht. Allein während ihrer Larvenphase vertilgen die Tiere je nach Art bis zu 3000 Pflanzenläuse oder Spinnmilben. Das läppert sich zusammen. Weniger gut gelitten sind die drei pflanzenfressenden Arten, von denen der Vierundzwanzigpunkt-Marienkäfer sich vor allem in südlichen, warmen Ländern an Luzernen, Zuckerrüben, Klee, Kartoffeln, Nelken und Dahlien gütlich tut.

Wenn der Wein nach Spargel schmeckt

Aber auch die asiatische Fraktion macht sich zunehmend unbeliebt. Mal abgesehen von ihrem schädlichen Einfluss auf ihre heimischen Vetter und Cousinen. Winzer mögen die Kerlchen schon mal gerade gar nicht. Vor allem dann, wenn sie scharenweise auftreten. Zur Weinlesezeit verbringen die Käfer die Nacht gerne schon mal  in den relativ geschützten Bereichen der Rebstöcke. Da kann es passieren, dass sie mit geerntet und gekeltert werden. Ihre Körpersekrete, die normalerweise zur Abschreckung von Fressfeinden dienen,  können dem besten Jahrgang den Garaus machen.  Die Plörre schmeckt dann mitunter bitter, wahlweise nach Paprika, Erdnussbutter oder Spargel. Und das gibt vom Sommelier dann Abzüge in der B-Note. Andererseits  dienen aber auch diese Käfer Vögeln, Eidechsen, Spitzmäusen, Fröschen, Spinnen und weiteren Insekten (vor allem Laufkäfern und Raubwanzen) als Nahrung. Fressen und gefressen werden. Man kennt das ja.

Motschekiebchen und Goldschäfchen

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Die Familie der Marienkäfer ist groß. Weltweit gibt es tausende verschiedene Varianten. Sie unterscheiden sich in Farbe und der Anzahl der Punkte auf ihrem Rücken. Foto: Pixabay

Woher der Name kommt? Wegen ihrer Nützlichkeit glaubten die Bauern in früheren Zeiten, die Tiere seien ein Geschenk der Jungfrau Maria. Sie gelten auch als Glückssymbol. In der französischen Provence glaubt man, einem Mann stehe eine Heirat bevor, sollte ein solch kleines Kerlchen auf ihm landen. Sind die Frauen ungeduldig, setzen sie einen Käfer auf den Zeigefinger und zählen die Sekunden bis zum Abflug. Jede Sekunde bedeutet ein Jahr warten bis zur Hochzeit. Es gibt in Deutschland mehr als 1.500 regionale Bezeichnungen für Marienkäfer. Einige davon sind Herrgottskäfer, Läusfresser, Glückskäferle, Motschekiebchen, Spranzerl, Hopfenwürmlein, Himmelmiezchen und Goldschäfchen.

 

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