Die deutschen Fallschirmsportler behaupten sich weltweit längst im Spitzenfeld ihrer Zunft. Geht es um globale Bestleistung, kommt an den Skydivern aus Germanien (und denen aus Breitscheid) niemand mehr vorbei. Erst im Herbst vergangenen Jahres hatten 214 gut beschirmte Männer und Frauen über der Wüste Arizonas den Nationen-Weltrekord im Großformationsspringen eingefahren, jetzt ist die nächste Bestmarke geknackt. Im Tschechischen Klatovy purzelte der Sequential-Rekord. Dabei werden ebenfalls Großformationen gebildet, die jedoch während des freien Falls mehrfach verändert, sprich „umgebaut“ werden müssen. Und das bei Vertikal-Tempo 200! Viel Zeit bleibt da nicht.Mittendrin in dieser illustren, ambitionierten Rekordjäger-Runde zwei Luftsportler von „Skydive Westerwald“: Eric Postlack aus Wetzlar und sein Kollege Uwe Haagen. Die Beiden hatten bereits beim Weltrekord in Arizona ihre Hände mit im Spiel gehabt und setzten jetzt noch einen drauf. Es sind „alte“ erfahrene Hasen, in deren persönlichen Sprungbüchern viele Tausend Einträge stehen und die sich in ihrem Heimatverein auf der „Hub“ seit Jahren als Ausbilder engagieren.
Nach der Kür vom Ehrgeiz gepackt
Die von den Deutschen erzielten Bestleistungen im Luftraum über der kleinen, 43 Kilometer südlich von Pilsen am Fuße des Böhmerwaldes gelegenen Stadt waren in dieser finalen Konsequenz so ursprünglich gar nicht vorgesehen gewesen. Eigentlich hatten die Freifallsportler nur den bestehenden deutschen Sequential-Rekord (55 Springer, zwei Figuren) übertrumpfen wollen. Mit 72 Männer und Frauen in der Luft war diese Hürde im Nu übersprungen, was den Ehrgeiz der Beteiligten beflügelte. Auch das nächste Ziel, mit 71 Aktiven drei “Punkte” zu fliegen, war, wie sich in den darauffolgenden Tagen zeigen sollte, nicht zu hoch gesteckt.
Und der Pflicht folgte dann die erfolgreiche Kür. Die Choreografie wurde um eine vierte Sequenz erweitert – und es klappte. Das hat bisher weltweit noch kein Land der Erde geschafft. Weltbestleistung.
Unterwegs auf dem “Big Way”
Nun ist ein sogenannter “Big Way” mit 71 Springern eigentlich längst nichts Besonderes mehr, wenn man bedenkt, dass am nach wie vor ungebrochenen Weltrekord, aufgestellt 2006 über Thailand, 400 Skydiver aus vielen Ländern der Erde beteiligt waren. Die besondere Herausforderung beim “Large Formation Sequential”, einer erst 2013 vom Weltluftsportverband eingeführten Kategorie, erschöpft sich aber, siehe oben, nicht (nur) darin, möglichst viele Beteiligte in der Luft zu vereinigen. (Im aktuellen Fall rekrutierten sich die Rekordjäger jeweils auch nur aus einer Nation). Beim “normalen” Großformationsspringen reicht es, einen “Stern” zu bilden und diesen mehrere Sekunden lang zu halten, ehe “separiert” wird. D.h.: Die Gruppe fliegt auseinander, ehe jedes Teammitglied den Fallschirm öffnet.
Beim “Sequential” kommt verschärfend hinzu, dass dabei nicht nur eine einzige Figur angestrebt wird, sondern derer gleich mehrere. Und jede davon muss unterschiedlich strukturiert und aufgebaut sein. Das ist auf Sekunden verdichteter Stress, der den beteiligten Athleten ein Höchstmaß an Know-How, Disziplin, Körperbeherrschung, Konzentration und Reaktionsvermögen abverlangt. Da muss jeder (Hand-)Griff, jede Drehung sitzen. Der kleineste Patzer, eine noch so geringe Unaufmerksamkeit eines Kollegen, und die Sache ist gelaufen, pardon, gefallen… Alles für die Katz!
Ein Schluck aus der (Sauerstoff-)Pulle
In Klatovy wie anderswo gelingt solches nur, wenn die Absprunghöhe entsprechend ist und den Springern somit genügend Zeit für ihr Vorhaben bleibt. Sie betrug in Tschechien 5400 Meter. Das sind Spähren, in denen ohne zusätzlichen Sauerstoff nix läuft. Die in enger Formation operierenden Absetzflugzeuge, in dem aktuellen Fall waren es derer vier, verfügen ja über keine Druckluftkabine, dafür aber über scheunentorgroße Heckklappen, die sich, ist der entscheidende Moment gekommen, zeitgleich öffen. In ihrem “Frachtraum” ist eine Sauerstoffleitung installiert, aus der jeder “Passagier” bei Bedarf „schöpfen“ kann.