Rotorman's Blog

Pseudo-Sommer ohne Wespen: „Majas“
Cousinen machen sich in diesem Jahr rar

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Es gibt über 600 verschiedene Wespenarten. Die meisten stehen unter Schutz. Welche das sind und welche nicht, diese Unterscheidung fällt dem Laien schwer. Foto: Pixabay

Von Jürgen Heimann

Zu behaupten, wir würden sie sehnsüchtig vermissen, wäre dann doch etwas übertrieben. Aber irgendwie fehlen sie uns doch. Deshalb sei die Frage gestattet: Wo sind eigentlich die Wespen geblieben? Ein Sommer ohne sie ist kein richtiger Sommer -eine Bezeichnung, den diese herbst-winterliche Jahreszeit aber sowieso nicht verdient. Sie tragen eine schwarz-gelbe Uniform und kommen im Auftrag ihrer Königin. Aber diese lästigen, aufdringlichen Plagegeister sind in vielen Regionen Germaniens komplett von der Bildfläche verschwunden. 

Die Menschen können auf der Terrasse ihr Sorbet löffeln, ohne dass ihnen schwarz-gelb-gestreifte Brummer aufdringlich um die Denkerstirnen schwirren und Ansprüche anmelden. Da schmeckt der leckere Pflaumenkuchen mit Schlagsahne doch gleich doppelt so gut. Und aus dem Cocktail-, Bier- oder Limoglas lässt es sich im Freien auch bedenkenlos und unbesehen schlürfen. Das Risiko, dass einem in Folge eine Wespe auf der Zunge zergeht oder in selbige sticht, ist minimal.  Die Vorteile der ausgebliebenen, von vielen Medien nach dem warmen Winter 2015/16 noch im Frühjahr prognostizierten Wespenplage liegen also auf der Hand. Aber vielleicht haben wir uns nur zu früh gefreut.

Warnschild

In diesem Jahr läuft die Warnung etwas ins Leere.

Das nasse und kühle Frühjahr und der mehr als wechselhafte Sommer haben (auch) den auffällig gezeichneten Hautflüglern ziemlich zugesetzt. Sie sind in ihren Nestern schlicht untergegangen bzw. abgesoffen. Oder sie sind einfach verhungert, weil das Nahrungsangebot zu dürftig war bzw. die feucht-kühle Witterung ausgedehnte Shopping-Touren nicht zuließ.

Weniger Wespen, mehr Stechmücken

Bei aller Genugtuung über die ausgebliebene Invasion: In der Natur hängt eins am anderen. Wespen sind für das ökologische Gefüge von großer Bedeutung. Weniger von ihnen bedeuten auf der anderen Seite mehr (Stech-)Mücken, Bremsen und Fliegen, die eigentlich viel lästiger sind und deren Populationen durch das Ausbleiben ihrer natürlichen Fressfeinde explodiert sind. Und sie bedeuten mehr Raupen und Blattläuse, die sich nun wesentlich ungestörter über unsere Nutzpflanzen im Garten hermachen können. Ausbaden müssen es auch die Hornissen und einige Vogelarten, die sich vorwiegend von Wespen, die, nebenbei bemerkt, auch Spinnen und Heuschrecken nicht verachten,  ernähren.  Ein großes Wespenvolk verspeist übrigens am Tag zwischen einem halben und zwei Kilo Insekten.

Die Zeit läuft den Insekten davon

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Blinder Passagier: Limonade und süße Säfte locken Wespen an wie das Licht die Motten. Da hat man/frau sich schnell mal verschluckt. Foto: Rudolf Ortner/pixelio.de

Den Stachel-bewehrten Insekten bleibt nicht mehr viel Zeit. Derzeit sind die Arbeiterinnen noch bemüht, den verbliebenen Nachwuchs aufzupäppeln. Ein paar durchgehende warme Wochen brauchen sie schon noch zur Bestandswahrung. Ab Oktober, November dann sterben die Völker aber komplett wieder ab. Könnte also sein, dass wir im September noch mal vereinzelt unsere liebe Mühe und Not mit den nützlichen Plagegeistern haben. Aber dies längst nicht in dem Ausmaß wie in 2015. Und dann dürfen all die Experten, die tatsächlichen wie die selbsternannten, wieder mit ihren gut gemeinten Tipps und Verhaltensmaßregeln um die Ecke kommen. Kein Gelb tragen, denn diese Farbe ist, weil sie am weitesten zu sehen ist, für alle Insekten am attraktivsten. Und vor allem: Ruhe bewahren und nicht nach den Angreifern schlagen. Haha! Das ist leichter gesagt als getan. So kaltblütig, entspannt im Hier und Jetzt in eine Autogene Trainingsstarre zu verfallen, wenn einem ein potentieller Stecher auf der Nase herum tanzt, dürften die wenigstens sein.

Es gibt über 600 verschiedene Wespenarten

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Wespen stehen bzw. fliegen auf Süßes. Dazu gehören auch reife Äpfel. Aber herzhafter Kost gegenüber sind sie auch nicht abgeneigt. Foto: Pixabay

Andererseits: Einfach mit der Klatsche platt machen ist auch keine (End-)Lösung. Einmal ganz davon abgesehen, dass Wespen in Todesangst schneller zustechen, senden sterbende Exemplare Pheromone aus. Dieser Botenstoff lockt dann andere Artgenossen an. Wir reden hier in erster Linie von der  Deutschen (“Vespular germanica”) oder der Gemeinen bzw. Gewöhnlichen Wespe (“Vespular vulgaris”). Bei letzterer können die Weibchen zwischen 16 und 19 mm groß werden, während Männchen 13 bis 17 mm und Arbeiterinnen 12 bis 14 mm erreichen. Alle anderen 630 Arten interessieren sich weder für den Menschen noch seine reich gedeckten Tafeln.

Wespen und Vespas

Von den genannten einmal abgesehen, stehen viele Unterarten unter Naturschutz und dürfen nicht getötet werden. Das gilt für die Wald- oder die Rote Wespe ebenso wie für die Norwegische Wespe oder die Gallische Feldwespe. Und für Hummeln, Bienen und Hornissen sowieso. Aber mein Nachbar kann noch nicht einmal unfallfrei Amseln und Krähen bzw. Wespen und Vespas auseinanderhalten. Und er glaubt bis heute, bei einer Abseitsfalle handelt sich um eine jenseits der bebauten Ortslage errichtete Fangvorrichtung für Tiere. Da wäre der Mann mit solch diffizilen entomologischen Unterscheidungsfragen erst recht hoffnungslos überfordert.

Aber Unwissen schützt bekanntlich vor Strafe nicht. Und das kann teuer werden – zumindest theoretisch. Wer Vertreter einer besonders geschützten Wespenart eliminiert, dem können bis zu 50.000 EUR Bußgeld aufgebrummt werden. Die entsprechenden Sätze differieren von Bundesland zu Bundesland. Aber wie heißt es immer so  treffend? Wo kein Kläger, da kein Richter. Und wer will seinem lieben Nachbarn schon den Krieg erklären, nur weil er mal eine Fliegenklatsche geschwungen und damit die Falschen erwischt hat?

Interessante Einblicke in das Leben der Wespen und wie sich deren Nester gegebenenfalls schonend umsiedeln lassen, ohne sie zu zerstören, vermittelt dieses Video:

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